Bundeswehr

Ungeliebte Armee?

Bundeswehrsoldaten in Kundus
Bundeswehrsoldaten in Kundus © dpa / picture-alliance / Michael Kappeler
Zu Gast: Andreas Lison und Anja Seiffert vom Zentrum · 24.05.2014
Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten sind in 13 Ländern im Einsatz. Sie haben den Auftrag, Stabilität in Krisenregionen zu schaffen und beteiligen sich an Kriegseinsätzen. Doch was sie erlebt haben, interessiert in Deutschland nur wenige, meint die Sozialwissenschaftlerin Anja Seiffert.
Das Aufgabenspektrum der Bundeswehr erstreckt sich von "Überwachungs- und Sicherungseinsätzen" über "Stabilisierungsfunktionen" und der "Piratenjagd" (ATALANTA) bis zum Kriegseinsatz in Afghanistan (ISAF). Afghanistan ist auch das bekannteste Einsatzgebiet. Hier wurden seit 2002 mehr als 100.000 Soldaten stationiert. Kaum eine andere Mission spiegelt auch so sehr den Wandel der Bundeswehr zur Einsatzarmee und Kampftruppe. Jeder zweite der bisher gestorbenen 103 Soldaten ließ sein Leben in Afghanistan.
Was bedeuten diese Auslandseinsätze für die Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien? Wie steht die Öffentlichkeit zur Bundeswehr als Einsatzarmee und Kampftruppe?
"Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr kommen aus den Auslandseinsätzen mit Erfahrungen im Gepäck zurück, die im Alltag unserer modernen westlichen Gesellschaften nur wenig präsent sind", sagt die Sozialwissenschaftlerin Dr. Anja Seiffert vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. "Viele von ihnen sind in internationalen Krisenregionen mit Elend und Zerstörung konfrontiert worden, erlebten Tod und Verwundung und manche haben in ihren Einsätzen auch selbst in Gefechten gestanden und getötet." Als eine der ersten Wissenschaftlerinnen erforscht sie in einer Langzeitstudie die Erfahrungen der Bundeswehrangehörigen in Auslandeinsätzen, speziell in Afghanistan.
"Heimkommen ist überhaupt nicht organisiert"
Erstmals seit dem Wandel zur Freiwilligenarmee gebe es eine "Generation Einsatz", die mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert werde, auch nach der Rückkehr. "Einsatzsoldaten kehren in eine Gesellschaft zurück, die von ihrer Situation nur wenig weiß. Wie kann man mit diesem Fremdheitsgefühl umgehen? Wie schnell gelingt es, in den Alltag zu Hause zurückzufinden? Soldaten kehren ja nicht in den luftleeren Raum zurück, sondern in unsere Gesellschaft. Wir haben Rückkehrer, die sind 30 bis 35 Jahre alt, das sind junge Menschen, die ihre gesamte Lebensperspektive noch vor sich haben. Und diese einschneidenden Erfahrungen lassen sich nicht so einfach über Bord werfen."
Ihr Fazit: "Gesellschaft und Bundeswehr gleichermaßen stehen vor der Aufgabe, ihr Verhältnis neu zu bestimmen."
"Die Heimkehr ist das Schwierigste", bestätigt Andreas Lison. "Im Einsatz ist alles durchstrukturiert, alles geregelt. Heimkommen hingegen ist überhaupt nicht organisiert." Der Oberstabsarzt war selbst zweimal im Auslandseinsatz: 1992 sieben Monate in Kambodscha, 2009 vier Monate in Afghanistan, als Leiter des Bundeswehrkrankenhauses in Mazar-i-Sharif. Heute leitet er das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr in Warendorf, wo verletzte Heimkehrer unter anderem aus dem Afghanistaneinsatz behandelt werden. Er wünscht sich eine stärkere gesellschaftliche Diskussion über die neue Rolle der Bundeswehr: "Ich würde mir insgesamt wünschen, dass die Bundeswehr ein bisschen mehr Teil der Gesellschaft wird. Ich finde es gut, dass auch Menschen in Deutschland kritisch darüber nachdenken, warum wir Soldaten in den Auslandseinsatz schicken: Wofür setzen wir Soldaten einem gesundheitlichen Risiko aus? Wofür akzeptieren wir, dass Soldaten verwundet werden, an der Seele schaden nehmen und vielleicht sogar fallen. Gleichzeitig beobachte ich, dass die Auslandseinsätze eine gewisse Normalität bekommen, dass Verwundung und sogar Tod selbstverständlicher werden. Das besorgt mich."
"Bundeswehr - Die ungeliebte Armee?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Anja Seiffert und Andreas Lison. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.