Bundeswehr und Afghanistan

Von Peter Marx, Deutschlandradio Kultur |
Loyalität ist ein hohes Gut. Laut Duden kommt das Wort aus dem französischen und kann mit Treue übersetzt werden. Nach Paragraph sieben des Soldatengesetzes ist ein Soldat zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtssprechung verpflichtet.
All das wusste der ehemalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, doch der erste Soldat im Staat hat Loyalität gegenüber einem Untergebenen, in diesem Fall Oberst Georg Klein und seinem Minister – damals Franz-Josef Jung – höher bewertet als die Loyalität gegenüber Parlament und Gesellschaft. Entsprechend konnte die Reaktion des neuen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg gar nicht anders ausfallen, als Schneiderhan und den in den Skandal involvierten Staatssekretär Peter Wichert rauszuschmeißen.

Schneiderhan vergaß im entscheidenden Moment, wer letztendlich die Befehlsgewalt über die Bundeswehr hat: Nicht der Inspekteur, nicht der Minister, sondern das Parlament. Und das wird von ihm in Erinnerung bleiben. Ein Vier-Sterne-General, der an seinen eigenen moralischen Maßstäben scheiterte, als er sich gegen Transparenz und Aufklärung und für Mauscheln und Vertuschen entschied.
Ein Offizier stellt sich loyal vor seine Untergebenen, verteidigt loyal – auch im Konfliktfall – seine Vorgesetzen. Dieses Bild von Loyalität zeichnen Offiziere der Bundeswehr immer gerne. Doch dieses Bild ist heute nur noch eine Fälschung. Loyalität ist jetzt im deutschen Offizierskorps oft nur noch ein Füllwort, für lügen, mauscheln, verkriechen und verhindern.

Die Angst um die eigene Karriere machte aus vielen Offizieren beinahe willenlose Befehlsempfänger, die nach oben schleimen und nach unten treten. Hauptsache die Beförderung zur nächsten Gehaltsstufe ist gesichert. Ein zu drastisches Bild? Wer die Bücher, Blogs und Reports von Soldaten im Einsatz liest, erfährt nicht nur viel über die Verunsicherung der Soldaten, sondern auch über das wirkliche Leben in den Auslandslagern.

Trotzdem interessiert sich in Deutschland kaum jemand dafür. Noch schlimmer: Viele wissen nicht einmal, was unsere Soldaten dort machen, erleben und verarbeiten müssen. Das Ergebnis: Über 60 Prozent der Deutschen sind gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Woran liegt es? Vor allem an der desolaten Informations- und Kommunikationspolitik der Bundeswehr, die mehr und mehr Propaganda verkündet als wirklich Informationen zu liefern. Beispielhaft dafür sind die vier Jahre von Franz- Josef Jung. Jeder kritische General, Admiral oder Ministerialbeamte wurde regelrecht mundtot gemacht, aus Angst, das Ansehen des Minister könnte durch Kritik beschädigt werden.

So wurden Fehler – und die gab es viele – von Anfang an vertuscht, gedeckelt oder Offizieren zugeschoben, die sich nicht wehren konnten. Und dieses „System Jung“ griff auch, als der Bericht der Feldjäger über zivile Opfer im Einsatzführungszentrum in Potsdam im wahrsten Sinne des Wortes wie eine Bombe einschlug. Offiziere, die anregten, den Bericht zu veröffentlichen, wurden gemaßregelt und der verantwortliche General kuschte vor und kuschelte mit dem Ministerstab.

Die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr ist jedenfalls auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Die Ablehnung von Auslandseinsätzen durch die Bevölkerung dürfte ebenfalls neue Rekordhöhen erreichen.

Für Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg fängt mit dem Vertuschungsskandal die Arbeit im Ministerium erst richtig an. Er muss sich zunächst einmal die Frage stellen, wer seiner vielen hohen Offiziere, die wie Motten ums Licht um ihn kreisen, schon im 21. Jahrhundert angekommen ist und nicht mehr von der Panzerschlacht in der Lüneburger Heide träumt. Doch wie kann er einem Offizierskorps vertrauen, das die grundlegenden Lehren der Inneren Führung mit Füßen tritt und sich bislang als mauschelnde Militärelite präsentierte?

Das bedeutet: Sich schnell von Generälen und Admirälen zu trennen, die Informationsarbeit noch immer als Geheimnisverrat werten. Einsatzstab und Einsatzführungskommando mit mutigen und vor allem fähigen Generälen zu besetzen. Und – einen General-Inspekteur zu suchen, der den jungen Offizieren als Vorbild dienen kann. Das und noch vieles mehr kommt auf den Freiherr zu, wenn er sein Amt erfolgreich führen will.