Bundeswehr

Das Leben nach dem Auslandseinsatz

Bundeswehrsoldaten in Kundus
Bundeswehrsoldaten im afghanischen Kundus © dpa / picture-alliance / Michael Kappeler
Von Pieke Biermann · 16.04.2014
Manche haben getötet, andere einen Kameraden verloren, einige wurden schwer verletzt: Das Buch "Operation Heimkehr" porträtiert 74 Angehörige der Bundeswehr und beschreibt ihren schwierigen Weg zurück ins zivile Leben.
Dass im Krieg gestorben und auch getötet wird, dass Menschen aus Kampfeinsätzen anders herauskommen, als sie hineingegangen sind, darüber wird auch bei uns wieder öffentlich geredet – in Talkshows, in Dokumentationen und Spielfilmen, in Büchern. Auch Deutschland hat jetzt wieder Veteranen und Verwundete, Gefallene und Getötete. Aber erst langsam rückt ins Bewusstsein, was die "Operation Heimkehr" Soldaten abverlangt. Denn in die komfortable Zivilgesellschaft müssen sie als Einzelkämpfer zurück, und viel zu oft ohne die nötige logistisch-taktische Rückendeckung.
Diese Herausforderung ist die Leitlinie des beeindruckenden Buchs der Reporterin Ulrike Scheffer und der Fotografin Sabine Würich. 74 einzelne Menschen stehen im Mittelpunkt, mit Porträtfoto und Originalton sowie Angaben zu Person und Einsätzen. 66 Männer und 8 Frauen, viele mehrmals an verschiedenen Orten, mit ihren individuellen Motiven, Ambitionen, Ängsten und Fähigkeiten, mit dem Erlebten umzugehen.
Fehlende Gliedmaßen, schwere Verwundungen
Sie kommen zumeist aus den mittleren Rängen und allen Waffengattungen – Heer, Luftwaffe, Marine –, sowie aus den Spezialkräften oder dem Sanitätsdienst. Sie sind geborene oder gewordene Deutsche, christlich, muslimisch, jüdisch oder von keinem Glauben geprägt. Manche sprechen außer Deutsch und Englisch auch Arabisch oder Persisch/Farsi, wertvoll am Horn von Afrika oder in Afghanistan. Es gibt Berufssoldaten, aber auch einen ehemaligen Verweigerer, der Militärpfarrer wurde.
Manche haben getötet, manche einen Kameraden neben sich sterben sehen, einige kehren "beschädigt" zurück – mit fehlenden Gliedmaßen, schweren Verwundungen, post-traumatischen Rissen in der Seele. Manche kommen gut klar, werden zum Beispiel Mönch oder trainieren für die Paralympics, manchen bricht alles weg – die Liebe, das Leben, das Vertrauen in sich.
Vier Fünftel der Deutschen mögen "ihre" Soldaten
Alle denken nach, selbstkritisch, konzentriert-offen, so wie ihr Blick auf den schönen Schwarzweiß-Porträts. Sie sind ganz verschieden, wie Menschen eben sind, und das macht dieses Buch sinnfällig. Es bietet außerdem ein paar "Zwischenrufe", auch von einem Wehrmachtsdeserteur, Informationen über die Einsätze seit 1990, zwei erhellende Essays und – vielleicht das Anrührendste – Fotos von persönlichen Symbolen: ein herausoperierter Granatsplitter, ein Tattoo über dem Puls, Talismane.
Vier Fünftel der Deutschen, heißt es in einem Essay, mögen "ihre" Soldaten, die sie via Bundestag zur bewaffneten Krisenintervention ins Ausland schicken. Manche Einsätze und Krieg an sich mögen sie nicht, kein Wunder angesichts des verheerenden deutschen Militarismus. Wie übrigens die meisten Europäer. Im Unterschied zu denen pflegen Deutsche allerdings auch eine mutwillige Ignoranz, die ein ideologisiertes Tabu befördert. Hinter Tabus verschwindet immer als erstes das Individuum, im Namen von etwas "Höheren", erst recht ein Individuum, das per Definition im uniformierten Plural auftritt – als Polizei oder eben Militär. Dem entzieht dieses Buch ganz ruhig den Boden, und das ist ganz sicher sein größtes Verdienst.

Ulrike Scheffer (Text) / Sabine Würich (Fotos), Operation Heimkehr
Bundeswehrsoldaten über ihr Leben nach dem Auslandseinsatz
Ch. Links Verlag, Berlin 2014
192 Seiten, gebunden, 24,90 Euro

Mehr zum Thema