Bundestagswahlkampf im Netz

Warum Fake News kaum eine Rolle spielen

Eine Frau schaut sich Logos von verschiedenen deutschen Parteien und Social Media-Unternehmen auf ihrem Tablet-Computer an.
Alle Parteien sind im Netz vertreten, deshalb mendelt sich ihr Einfluss aus. © dpa / picture alliance / Fredrik Von Erichsen
Von Falk Steiner  · 24.08.2017
Auch in Deutschland schwirren Fake News durchs Netz, die klare politische Stoßrichtungen haben. Doch im Bundestagswahlkampf spielen sie offenbar eine weitaus weniger gewichtige Rolle als zum Beispiel im US-Wahlkampf. Das hat mehrere Gründe.
Der US-Wahlkampf mit dem Überraschungsgewinner Donald Trump wirkte auf viele in Deutschland wie ein Fanal: Hatten entweder Trumps Kampagne oder andere Unterstützer mit Hilfe von Datenanalysten seine Unterstützergruppen so geschickt mit Fake News aktivieren können, dass das die Wahl zu seinen Gunsten entschied? Insbesondere eine Firma stand im Verdacht, mit ihren Diensten Hillary Clinton besiegt zu haben: Cambridge Analytica. Sie nimmt allgemein verfügbare Daten, heißt es in einem Werbespot der Firma, noch vor der US-Wahl veröffentlicht, und dann…
"…fügen wir eine einzigartige Datenschicht über die Persönlichkeit, Entscheidungsbildung und Motivation hinzu. Das ermöglicht eine beispiellos ergiebige Sicht auf die Wähler und der Themen, die sie interessieren… So dass Sie genau wissen, wen Sie mit welcher Art von Botschaft ansprechen sollten. Wir nennen das verhaltensbasiertes Micro-Targeting."
Mit ihren Big Data-Auswertungen habe sie das zielgenaue Verbreiten von Botschaften, vielleicht auch manipulierten, an potenzielle Wähler möglich gemacht, so oder ähnlich lauteten nach der Wahl einige, auch deutschsprachige Medienberichte – mit teils steilen Thesen.

"Alle nutzen diese Technologien"

"Zu manchen davon habe ich einfach nicht genug Informationen, um zum Beispiel wirklich sagen zu können, ob Donald Trump die Wahl gewonnen hat, weil er diese Technologien eingesetzt hat – oder ob er sie vielleicht auch ohne sie gewonnen hätte. Wir haben einige Situationen, wie den Erfolg von Jeremy Corbyn, der in den meisten Medienveröffentlichungen sehr schlecht aussah – und dennoch haben die Wähler entgegen dieser Informationen entschieden, diese negativen Informationen, die ihnen in den Medien präsentiert wurden. Noch einmal, es ist sehr, sehr schwierig, diese Prozesse zu modellieren und man kann das unterschiedlich beurteilen: Manche sagen, es hätte die Wahl beeinflusst, andere würden sagen, dass nicht. Ich selbst habe keine Daten, um diese Frage zu beantworten", …
…sagt der, der das wissen müsste: Michal Kosinski. Wer den Psychologen trifft, hat nicht unbedingt das Gefühl, dass er gerade die Weltgeschichte geändert haben könnte. Kosinski ist es, der die psychologischen Messungs-Modelle entwickelt hat, auf denen Cambridge Analytica nun mit seinen Ziel-Datenbanken aufbaut. Seine Forschungen hält er für unschuldig.
"Beide Seiten des politischen Spektrums nutzen diese Technologien. Tatsächlich war Barack Obama der erste bedeutende Politiker, der sie in großem Umfang eingesetzt hat. Und wenn sie richtig und ethisch eingesetzt werden, dann können sie viele Vorteile für die Wähler haben, für die erfolgreiche Kommunikation mit der Wählerschaft. Es ist auch eindeutig, dass solche Technologien genau wie Radio- oder Fernseh- oder Zeitungswahlwerbung das Wahlergebnis beeinflussen können. Aber weil beide Seiten es nutzen, scheint es eher so, dass sie am Ende aller Tage nicht das Potenzial haben, eine Wahl in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen."
Doch die Möglichkeiten sind, nicht zuletzt durch den Onlinewahlkampf, wesentlich zielgenauer geworden. Und, in Verbindung mit Falschnachrichten, vielleicht auch gefährlicher - und das vielleicht auch in Deutschland?
"Es gibt Fake News und die haben auch eine klare Schlagseite: Das was wir sehen, ist vor allem aus dem rechtspopulistischen Raum, vor allen Dingen Themen wie Innere Sicherheit, Flüchtlingspolitik - es ist fast jede Fake News in diesem Themenbereich unterwegs."
Alexander Sängerlaub leitet ein Forschungsprojekt der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin zu Fake News im Bundestagswahlkampf:
"In den USA ist das so, wir haben ein völlig anderes Mediensystem: Social Media ist viel wichtiger für die Leute, das Vertrauen in die Standardmedien ist geringer, und das sieht in Deutschland alles ein bisschen anders aus, so dass Deutschland auch durch die Debatte des letzten halben Jahres ein bisschen sensibilisiert ist für das Thema."

Kommt der Wahlkampf noch in Schwung?

Sängerlaub ächzt derzeit nicht unter der Last der Falschnachrichten im Bundestagswahlkampf.
"Wir wissen ja noch nicht, was die nächsten vier Wochen noch bringen. Falls der Wahlkampf noch in Schwung kommen sollte, kann natürlich noch mehr Desinformation im Netz unterwegs sein."
Diesen Teil der Analyse teilen auch die offiziellen Stellen im politischen Berlin: Bislang gibt es eher wenig sichtbare, versuchte Einflussnahmen auf die Bundestagswahl – ob per Hacking oder Fake News. Aber die kommenden Wochen, die heiße Phase, wenn auch die Zeit zum Entkräften knapp würde, da könnte sich das noch einmal ändern.
Einer, der sieht bereits eine Lösung für mögliche Probleme: Michal Kosinski. Der Psychologe mit seinen umstrittenen Datenmodellen sieht Technologie als Teil der Lösung:
"Wie wir sehen können, überall um uns herum entlarven Menschen Falschnachrichten so schnell, dass Verkäufer, Politiker und andere nahezu jeden Tag neue Geschichten bringen müssen. Früher konnte eine gut gemachte Falschnachricht über Jahrtausende bestehen… Für mich ist das ein Zeichen des Fortschritts. Und nicht nur auf der Seite von Werbern und Politikern. Sondern besonders unser Fortschritt, der der Wähler. Denn es zeigt sich, dass wir falsche Informationen recht schnell entlarven können."
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