Bundesregierung begrüßt Abzugspläne Obamas
Michael Steiner, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, begrüßt die von US-Präsident Obama anvisierte Strategie für den Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan. "Aber wir wollen natürlich auch nicht gehen, bevor Afghanistan stabilisiert ist".
Christopher Ricke: Der Kampfeinsatz der USA im Irak ist mit dem heutigen Tag offiziell beendet, US-Präsident Barack Obama hat in seiner Rede zur Nation das in der vergangenen Nacht noch einmal nachdrücklich erklärt. Er sprach aber nicht nur über den Irak, er sprach auch über Afghanistan. Auch hier bleibe es beim Abzug, ab Juli 2011 werde man sich zurückziehen – in einer Geschwindigkeit, die von den Verhältnissen im Land abhänge. Und Obama sagte noch, man könne nichts für die Afghanen tun, was sie am Ende für sich selbst machen müssten.
Barack Obama: "We can't do for Afghans what they must ultimately do for themselves."
Ricke: In Afghanistan stehen auch deutsche Soldaten, Deutschland ist sehr engagiert im Land. Michael Steiner ist der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan – guten Morgen, Herr Steiner!
Michael Steiner: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Muss man denn Präsident Obama in Analyse und logischer Konsequenz völlig zustimmen?
Steiner: Ich glaube, der amerikanische Präsident hat genau das gesagt, was auch wir sagen. Er sagte, dass im nächsten Jahr die Übergabe der Sicherheitsverantwortung, wie die Afghanen das selbst gefordert haben, beginnen soll. Sie wissen, dass der afghanische Präsident Karsai als Datum, als Zieldatum der Übergabe der Sicherheitsverantwortung 2014 genannt hat. Und der amerikanische Präsident hat vollkommen zu Recht gesagt, dass neben den militärischen Bemühungen und den zivilen Bemühungen letztlich auch die politische Lösung der Probleme in Afghanistan entscheidend ist.
Ricke: Bevor Obama gesprochen hat, hat sich der afghanische Präsident Hamid Karsai geäußert. Der hat gerade erst in diesen Tagen die Allianz heftig kritisiert, hat eine Überprüfung der Militärstrategie gefordert. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Steiner: Ich teile die Kritik in Einzelheiten nicht des afghanischen Präsidenten, ich glaube, das hat auch Elemente gehabt, um es ganz deutlich anzusprechen, einer gewissen Retourkutsche für die Vorwürfe, die es doch gegeben hat von internationaler Seite hinsichtlich von Korruptionsfällen in der afghanischen Regierung – ein ganz wichtiger Punkt, den wir angehen müssen.
Aber wir haben im Grundsatz doch dieselbe Position, sowohl die Afghanen als auch die internationale Gemeinschaft, und der amerikanische Präsident hat es ja eben zum Ausdruck gebracht: Wir wollen nicht länger in Afghanistan bleiben, als es nötig ist, aber wir wollen natürlich auch nicht gehen, bevor Afghanistan stabilisiert ist, also das erreicht ist, was wir alle erreichen wollen, nämlich eine hinreichende Stabilität in Afghanistan und die Sicherung essenzieller Menschenrechte.
Ricke: Im vergangenen Jahr hat sich viel geändert, die Kritik der Afghanen an der Militärführung hat sehr viel mit den zivilen Opfern zu tun, und in dieser Woche jährt sich der verhängnisvolle Luftangriff bei Kundus, von einem deutschen Oberst befohlen, die Luftangriffe – damals starben bis zu 142 Menschen. Wie schauen Sie denn heute von der politischen Warte auf diesen 4. September 2009 zurück?
Steiner: Das ist natürlich ein ganz bedauerlicher Vorfall gewesen, da sind wir uns alle einig, aber ich muss Ihnen auch sagen, ich war gerade in Afghanistan, habe auch darüber mit dem afghanischen Präsidenten gesprochen, auch der afghanische Präsident hat mir bestätigt, hat das auch öffentlich nach dem Gespräch gesagt, dass, wie von Deutschland aus die Entschädigungsleistungen durchgeführt worden sind an die Betroffenen, das verdient Respekt und findet auch Anerkennung in Afghanistan.
Ricke: Im Nachbarland Pakistan erleben wir gerade eine Naturkatastrophe fast unglaublichen Ausmaßes. Wäre es denn nicht sinnvoll, die deutschen Bemühungen in der Region vielleicht doch eher bei den Hilfeleistungen in Pakistan zu konzentrieren und weniger beim Kampf gegen die Taliban in Afghanistan?
Steiner: Ich glaube, es wäre fatal, wenn wir nun unsere Strategie ändern würden. Wir müssen uns in beiden Ländern engagieren, wobei es in Pakistan in der Tat eine Naturkatastrophe gibt, die unvorstellbare Ausmaße hat. Sie müssen sich vorstellen, dass der Indus das angeblich 40-fache Volumen des üblichen Volumens hat, man stelle sich das vor an Rhein oder Donau. Da muss man helfen, und da sind wir jetzt in der Notphase, da sind die internationalen Bemühungen auch angelaufen, das ist auch unabdingbar.
Wir können hier nicht einzelne Länder aussuchen, wo wir unsere Hilfe hinwenden, nein, wir müssen in Afghanistan das weiter tun, was wir begonnen haben, und in Pakistan jetzt in der gegenwärtigen Notphase insbesondere den Menschen helfen.
Ricke: Aber es geht ja nicht nur um die gegenwärtige Notphase, es geht auch darum, dass aus einer Klimakatastrophe keine politische wird. Die Regierung in Pakistan ist instabil, das Land hat Atomwaffen, die Taliban gehören zu denen, die Hilfe leisten und sich bei der Bevölkerung beliebt machen. Muss Deutschland hier auch aktiv werden?
Steiner: Deutschland ist bereits aktiv, die internationale Gemeinschaft ist aktiv, und es ist wahr, natürlich versuchen auch die Islamisten die Chance in Pakistan zu nutzen, aber wir müssen die Dimensionen sehen. Die internationale Gemeinschaft versorgt in Pakistan – das ist auch nötig – jeden Tag Millionen Menschen, bei den Islamisten sind es einige Tausende. Deutschland ist dabei, wir haben hier einen beachtlichen Beitrag geleistet, werden das auch weiter tun.
Ich glaube, der wichtige Punkt ist, dass wir unterscheiden. Wir sind jetzt in der Phase der humanitären Soforthilfe, da muss die Hilfe zügig ankommen und direkt an die Menschen gehen. Dann wird es um die Wiederaufbauphase gehen, eine sehr viel schwierigere Phase, die auch länger dauert. Da wird es wichtig sein, dass wir dann nicht mit der Gießkanne vorgehen, sondern auf der Basis von unterlegten Projekten. Die Weltbank erstellt zurzeit eine Studie, was notwendig ist, was man tun muss, und da wird es im Verlaufe des Jahres – das wird noch einige Zeit dauern – dann auch zu einer Geberkonferenz kommen.
Ricke: Michael Steiner, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan. Vielen Dank, Herr Steiner!
Steiner: Ich danke Ihnen!
Barack Obama: "We can't do for Afghans what they must ultimately do for themselves."
Ricke: In Afghanistan stehen auch deutsche Soldaten, Deutschland ist sehr engagiert im Land. Michael Steiner ist der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan – guten Morgen, Herr Steiner!
Michael Steiner: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Muss man denn Präsident Obama in Analyse und logischer Konsequenz völlig zustimmen?
Steiner: Ich glaube, der amerikanische Präsident hat genau das gesagt, was auch wir sagen. Er sagte, dass im nächsten Jahr die Übergabe der Sicherheitsverantwortung, wie die Afghanen das selbst gefordert haben, beginnen soll. Sie wissen, dass der afghanische Präsident Karsai als Datum, als Zieldatum der Übergabe der Sicherheitsverantwortung 2014 genannt hat. Und der amerikanische Präsident hat vollkommen zu Recht gesagt, dass neben den militärischen Bemühungen und den zivilen Bemühungen letztlich auch die politische Lösung der Probleme in Afghanistan entscheidend ist.
Ricke: Bevor Obama gesprochen hat, hat sich der afghanische Präsident Hamid Karsai geäußert. Der hat gerade erst in diesen Tagen die Allianz heftig kritisiert, hat eine Überprüfung der Militärstrategie gefordert. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Steiner: Ich teile die Kritik in Einzelheiten nicht des afghanischen Präsidenten, ich glaube, das hat auch Elemente gehabt, um es ganz deutlich anzusprechen, einer gewissen Retourkutsche für die Vorwürfe, die es doch gegeben hat von internationaler Seite hinsichtlich von Korruptionsfällen in der afghanischen Regierung – ein ganz wichtiger Punkt, den wir angehen müssen.
Aber wir haben im Grundsatz doch dieselbe Position, sowohl die Afghanen als auch die internationale Gemeinschaft, und der amerikanische Präsident hat es ja eben zum Ausdruck gebracht: Wir wollen nicht länger in Afghanistan bleiben, als es nötig ist, aber wir wollen natürlich auch nicht gehen, bevor Afghanistan stabilisiert ist, also das erreicht ist, was wir alle erreichen wollen, nämlich eine hinreichende Stabilität in Afghanistan und die Sicherung essenzieller Menschenrechte.
Ricke: Im vergangenen Jahr hat sich viel geändert, die Kritik der Afghanen an der Militärführung hat sehr viel mit den zivilen Opfern zu tun, und in dieser Woche jährt sich der verhängnisvolle Luftangriff bei Kundus, von einem deutschen Oberst befohlen, die Luftangriffe – damals starben bis zu 142 Menschen. Wie schauen Sie denn heute von der politischen Warte auf diesen 4. September 2009 zurück?
Steiner: Das ist natürlich ein ganz bedauerlicher Vorfall gewesen, da sind wir uns alle einig, aber ich muss Ihnen auch sagen, ich war gerade in Afghanistan, habe auch darüber mit dem afghanischen Präsidenten gesprochen, auch der afghanische Präsident hat mir bestätigt, hat das auch öffentlich nach dem Gespräch gesagt, dass, wie von Deutschland aus die Entschädigungsleistungen durchgeführt worden sind an die Betroffenen, das verdient Respekt und findet auch Anerkennung in Afghanistan.
Ricke: Im Nachbarland Pakistan erleben wir gerade eine Naturkatastrophe fast unglaublichen Ausmaßes. Wäre es denn nicht sinnvoll, die deutschen Bemühungen in der Region vielleicht doch eher bei den Hilfeleistungen in Pakistan zu konzentrieren und weniger beim Kampf gegen die Taliban in Afghanistan?
Steiner: Ich glaube, es wäre fatal, wenn wir nun unsere Strategie ändern würden. Wir müssen uns in beiden Ländern engagieren, wobei es in Pakistan in der Tat eine Naturkatastrophe gibt, die unvorstellbare Ausmaße hat. Sie müssen sich vorstellen, dass der Indus das angeblich 40-fache Volumen des üblichen Volumens hat, man stelle sich das vor an Rhein oder Donau. Da muss man helfen, und da sind wir jetzt in der Notphase, da sind die internationalen Bemühungen auch angelaufen, das ist auch unabdingbar.
Wir können hier nicht einzelne Länder aussuchen, wo wir unsere Hilfe hinwenden, nein, wir müssen in Afghanistan das weiter tun, was wir begonnen haben, und in Pakistan jetzt in der gegenwärtigen Notphase insbesondere den Menschen helfen.
Ricke: Aber es geht ja nicht nur um die gegenwärtige Notphase, es geht auch darum, dass aus einer Klimakatastrophe keine politische wird. Die Regierung in Pakistan ist instabil, das Land hat Atomwaffen, die Taliban gehören zu denen, die Hilfe leisten und sich bei der Bevölkerung beliebt machen. Muss Deutschland hier auch aktiv werden?
Steiner: Deutschland ist bereits aktiv, die internationale Gemeinschaft ist aktiv, und es ist wahr, natürlich versuchen auch die Islamisten die Chance in Pakistan zu nutzen, aber wir müssen die Dimensionen sehen. Die internationale Gemeinschaft versorgt in Pakistan – das ist auch nötig – jeden Tag Millionen Menschen, bei den Islamisten sind es einige Tausende. Deutschland ist dabei, wir haben hier einen beachtlichen Beitrag geleistet, werden das auch weiter tun.
Ich glaube, der wichtige Punkt ist, dass wir unterscheiden. Wir sind jetzt in der Phase der humanitären Soforthilfe, da muss die Hilfe zügig ankommen und direkt an die Menschen gehen. Dann wird es um die Wiederaufbauphase gehen, eine sehr viel schwierigere Phase, die auch länger dauert. Da wird es wichtig sein, dass wir dann nicht mit der Gießkanne vorgehen, sondern auf der Basis von unterlegten Projekten. Die Weltbank erstellt zurzeit eine Studie, was notwendig ist, was man tun muss, und da wird es im Verlaufe des Jahres – das wird noch einige Zeit dauern – dann auch zu einer Geberkonferenz kommen.
Ricke: Michael Steiner, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan. Vielen Dank, Herr Steiner!
Steiner: Ich danke Ihnen!