Bundespräsidentenwahl
Der Schauspieler und Bundespräsidentenkandidat Peter Sodann auf die Frage, ob er auch mal nicht in Bewegung ist, nicht redet:
"Wenn ich schlafe. Na, ja, das ist, aber ich träume auch sehr viel. Das muss ich auch sagen. Nein, ich bewege mich schon. Meine Mutter hat schon zu mir gesagt, du hast kein Sitzfleisch. Du hast Hummeln im Hintern oder irgendwie so etwas. Das haftet einem dann an."
Der Schauspieler und Bundespräsidentenkandidat Peter Sodann auf die Frage, ob er weiß, dass er anstrengend ist.
Peter Sodann: "Ja, das weiß ich, weil, auch wenn ich am Abend irgendwo sitze, zu mindestens ein Bierglas um reiße und meine Frau sagt, ach schon wieder. Es ist immer dasselbe. Na, ja, das ist so, ich kann es nicht, Ja, ich bin sehr anstrengend, gebe ich zu."
Der Kandidat Peter Sodann will Bundespräsident werden.
Eine Reportage von Jörg Hafkemeyer.
In der Regionalbahn auf der Fahrt von Mannheim nach Ladenburg. Das liegt am Neckar. Nordwestlich von Heidelberg. Die Ausläufer des Odenwalds. Gepflegte Gärten, Fachwerkhäuser, blitzsaubere Ortschaften ohne Wohnsiedlungen ziehen vorbei. Eine der reichsten Gegenden in Deutschland.
Durchsage: "Nächster Halt Ladenburg"
Ladenburg ist eine Stadtfestung mit engen Gassen. Durch die Cronenbergergasse Richtung Domhofplatz geht der suspendierte Tatortkommissar Peter Sodann in Richtung Rathaus. Er hat dort eine Lesung. Bequeme, weiche Schuhe, blaue Jeans, ein sportliches Sakko, ein blaues Hemd ohne Krawatte.
Der 72-Jährige ist ein überraschend kleiner Mann mit zügigem Schritt. Sehr wachen, freundlichen Augen. Immer in Bewegung. Konzentriert, aufmerksam schauend und zuhörend. Er wirkt wie ein großer Junge. Verspielt …
Peter Sodann: "Nein, das ist kein falsches … Also, verspielt würde ich das nicht nennen. Jeder Mensch hat eine gewisse Grundheiterkeit in sich. Bei dem einen ist sie etwas stärker entwickelt. Bei dem anderen ist sie zum Miesepeter geneigt usw., aber eine Grundheiterkeit hat jedermann, man muss sie bloß finden.
Und ich habe, denke ich, in meinem Leben meine Grundheiterkeit gefunden, weil ich weiß, dass ich irgendwann sterben muss, ja, und da muss ich in der Zwischenzeit, wo ich noch nicht tot bin, muss ich mein Leben eben doch so verbringen und treffe soviel Idioten und Blödmänner auf dieser Welt, also ich reihe mich mit ein, die sich Gedanken über Dinge machen, die eigentlich unnütz sind …"
Der Domplatz, fast im Zentrum der alten Römerstadt. Sodann bleibt stehen, schaut sich um. Kopfsteinpflaster, Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter und der Renaissance. Die katholische Galluskirche. Zwei sehr hohe Türme mit spitzen, grünen Mützen. Lange bleibt der in Halle lebende Schauspieler nicht stehen, wendet sich dem Rathaus zu, geht hinein. Der einzige moderne Bau am alten Platz. Die oberste Etage.
Peter Sodann lehnt derweil an einer Säule. Schaut sich um. Etwa 80 Ladenburger verschiedenen Alters sind gekommen. Sitzen in zehn Reihen auf schwarzen Stühlen unter einem hohen Giebeldach mit schwarzem Gebälk. Vorne ein Tisch, ein Stuhl, ein Mikrofon, ein leeres Glas, eine Flasche Wasser. Die Begrüßung ist vorbei. Mit dem Beifall geht Sodann rasch nach vorne. Legt den schwarzen Aktenkoffer auf dem Tisch, öffnet ihn, holt Bücher und Papiere heraus.
Peter Sodann: "Hier drin ist zwar nicht mein ganzen Wissen, aber, das kann ich ihnen jetzt alles vorlesen, was ich jetzt hier hinstelle, das ist viel, aber, na, ja, wir müssen ein bisschen was vorher ausmachen. Das war noch nicht alles."
Der Mann ist Schauspieler. Durch und durch. Er macht gar nicht viel, aber wie er das macht. Er spricht in Versatzstücken, fängt an, bricht ab, fügt ein. Eine Mischung aus Werner Fink, Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt.
Peter Sodann: "Und das hier ist das Grundgesetz, das trage ich immer mit mir rum, weil ich meine, als Bundespräsident. Also, ich weiß genau, ich kriege die Bronzemedaille. Ich habe also überlegt, Herr Köhler wird Erster, Frau Schavan, äh, Frau Schwan, wird Vorletzte, und ich kriege die Bronzemedaille."
Er weiß natürlich, dass er keine Chance hat. Eben damit kokettiert er. Zur Freude der Anwesenden. Die sind durchgehend konservativ. Haben mit der Linken nichts am Hut, amüsieren aber sich königlich. Peter Sodann weiß das alles. Es stört ihn nicht. Er macht weiter mit seiner Veranstaltung, die alles ist, nur keine Lesung. Vielmehr sitzt da vorne ein Vortragskünstler, der sehr unterhaltend und sehr politisch ist.
Peter Sodann: "Das ist parteiübergreifend, was ich jetzt mache. Das ist nicht nur für die Linke und so. Das ist für alle Menschen in Deutschland. Ich spiele ihnen ein Lied vor, weil, das hat mir der Norbert Blüm geschenkt."
Sodann blickt mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck in die Runde, neigt den Kopf ein wenig nach rechts, zögert einen Moment, sagt dann noch:
Peter Sodann: "Er nannte sich ja selbst einen Herz-Jesus-Marxisten und ich habe mich in der DDR betender Kommunist genannt."
Er wickelt dieses bürgerliche Ladenburger Publikum politisch ein. Und das macht er sehr artistisch, mit großer Sprachfertigkeit, Komik, Selbstironie. Theaterleute sagen, der Mann ist eine Rampensau. Sodann liebt sein Publikum und braucht es auch. Dann kommt er noch einmal auf das Lied zurück.
Peter Sodann: "Das Lied Völker hört die Signale …..nur selber tun."
Sodann zieht durchs Land, erzählt Geschichten. Aus anderen Gegenden, von anderen Menschen, aus anderen Zeiten. Wie einst die fahrenden Sänger.
Ein wissendes Lächeln huscht über sein Gesicht. Selbstverständlich ist der Schauspieler eitel und von seinen politischen Ideen überzeugt. Moralische Standards hält er hoch.
Peter Sodann: "Und der Mensch ist dazu fähig und auch im Stande, die Lücken zu schließen, aber nun haben alle Regierungen dieser Welt, ob wir wollen oder nicht, immer vergessen, diese Lücken zu schließen. Sie haben alle versucht, die Menschen im Wesentlichen zu verblöden. Und wenn die immer wieder versuchen, die Menschen zu verblöden dann werden wir auch blöd. Dagegen müssen wir uns wehren und deshalb sage ich, Lacht auf Verdammte dieser Erde, ab heute werden wir uns wehren und ich will mal damit anfangen."
Peter Sodann ist, wie viele Frauen und Männer seines Berufes, ein zurückhaltender, fast scheuer Mensch. Auch wenn er gerne auftritt, spielt, redet und sich selbst, seine Vergangenheit und den Osten Deutschlands auf die Schippe nimmt.
Peter Sodann: "Sind überhaupt ein paar Ossis darunter? Doch es sind welche drunter. Vorher abgehauen oder nachher abgehauen? Dann darf ich Ihnen sagen, seien sie getrost. Es kommen noch mehr."
Ein ältere Frau in der zweiten Reihe, graue, geföhnte Haare, ein elegantes, gedecktes Kostüm, braune Handtasche und braune Schuhe, kann sich vor Lachen kaum halten. Der jungen Frau neben ihr geht es ebenso.
Peter Sodann: "Dreimal beschissen und trotzdem gelebt Also, ich habe die Nazizeit mitgemacht, dann, wie soll ich das sagen, da ich nur eine Fußnote bin, nach den neuesten Diskussionen, habe ich also einem Unrechtsstaat beigewohnt, und da sage ich immer, gut, wenn wir ein Unrechtsstaat waren, dann müssen sie mir aber einem Staat in diesem land oder in dieser Gegend oder in Europa oder Amerika zeigen, wo wirklich kein Unrecht ist."
Er trifft ihr Gefühl, und er trifft ihre Gedanken. Auch wenn sie so weit weg von ihm sind: konservativ, wohlhabend, aus dem Westen. Sodann redet ihnen auf seiner zweistündigen Veranstaltung nicht nach dem Mund. Das gefällt ihnen. Vor allem dann, wenn er Geschichten aus einer angeblich so fernen Zeit erzählt.
Peter Sodann: "1989 hatten wir die letzte Maidemonstration in der ehemaligen Fußnote. Die Fußnote jetzt, also ich, hatte mir 1989 gedacht, na, gut, die letzte Demonstration, unser ganzer Widerstand bestand immer bei diesen Demonstrationen, wenn wir an den Oberen vorbei gelaufen sind, an der Tribüne… auf der gegenüberliegenden Seite wohnte unsere Souffleuse, und die konnte nicht mehr laufen, weil sie schon zu alt war, sie hatte kaputte Beine. Und da haben wir immer ihr zugewinkt anstatt denen auf der Bühne."
Es gibt solche Abende, da redet Sodann so viel, es dauert Stunden. Einmal sind es fünf, warnt er sein Publikum. Das zeigt sich in keiner Weise schockiert und wartet auf die nächste Geschichte ...
Peter Sodann: "Es war ja keine Revolution. Die Politiker schmücken sich gern, weil jeder ja gerne Mal an einer Revolution teilhaben möchte. Es war ein Gefängnisaufstand mit der Sehnsucht nach Bananen."
Sodann lächelt vor sich hin. Er ist gerne Kabarettist, mag Dieter Hildebrandt. An solchen Stellen, in solchen Situationen zeigt sich: Der Mann aus Halle ist überhaupt kein Politiker. Weder redet noch bewegt er sich so. Vor allem denkt er nicht so. Und das will er sogleich klar machen.
Eine kurze Unterbrechung: Während der nun knapp zwei Stunden gehen nur zwei Leute. Mit entschuldigenden Blicken zeigen sie auf ihre Uhren, zucken mit den Schultern. Sie müssen. Sodann nickt ihnen verständnisvoll zu. Erinnert sich an die letzte Maidemonstration in der DDR.
Peter Sodann: "Leute, Leute, Leute, sage ich. Der erste Mai liegt mir noch in den Knochen. So viele Jahre seit 1950 demonstriere ich am 1. Mai und jetzt auf einmal ist Schluss? Ich weiß nicht, ich muss auch eine Runde marschieren. Tut mir den Gefallen, wir laufen wenigstens einmal um das Theater herum, irgendwie muss ich doch ein Stück marschieren und das haben wir auch gemacht."
Seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten ist zu diesem Zeitpunkt längst vergessen.
Peter Sodann: "Während wir so marschierten habe ich mir gedacht, warum fällt eigentlich der 1. Mai weg? Jetzt sind sie alle frohlockend oder so, aber irgendwann werden wir den doch brauchen. Er wird wahrscheinlich dringend nötig sein, wie auch immer und dann, der 1. Mai ist ja von den Russen glücklicherweise nicht erfunden worden sondern von den Amerikaner, da können wir den doch im nächsten Jahr wieder feiern, da habe ich gesagt, nächstes Jahr wird wieder demonstriert."
Auch für den Bundestag kandidiert er nicht. Er erzählt, trägt vor, schießt Pointen ab, redet über Politik, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist: Frech, manchmal über das Ziel hinaus. Schlagfertig.
"Nächstes Jahr, das war dann 1991, da haben wir uns ein Plakat, also ein Transparent gemalt. Vier Meter lang und darauf stand: Zuerst haben wir den Sozialismus ruiniert, jetzt ist der Kapitalismus dran."
Dann stehen sie um ihn herum, er sitzt immer noch an dem kleinen Tisch, signiert sein jüngstes Buch "Keine halben Sachen", aus dem er eigentlich hatte lesen wollen. Viel ist daraus nicht geworden. Freundlich, höflich ist Sodann mit den Menschen, auch als er sich verabschiedet.
Es ist spät geworden. Auf dem Weg ins Hotel verabschiedet er sich. Die Augen sehen ein bisschen müde aus. Ein Bier noch, einen Schnaps und eine Zigarette. Bis morgen dann. Gute Nacht.
Am nächsten Mittag auf der Autobahn hinter Zwickau, kurz vor Halle. Der schwarze Audi mit Fahrer kommt zügig voran. Auto und Fahrer stellt die Linke. Manchmal fahre ich auch mit dem Zug, sagt Sodann. Der sitzt vorne auf der Beifahrerseite. Macht einen ausgeruhten Eindruck und redet ziemlich ununterbrochen.
Halle. Hier ist er zu Hause. Hier ist er Ehrenbürger. Wenn auch im ständigen Streit mit der Stadtverwaltung. Die hat ihm, empört er sich, seinerzeit das Neue Theater weggenommen. Und meine große Bibliothek kann ich hier auch nicht unterbringen. Angeblich gibt es keine Räume. Er hat sie ausgelagert.
Im Zentrum der Händelstadt steigt der 72-Jährige aus und geht in sein Lieblingscafe: das Neue-Theater-Café.
Peter Sodann: "Ich hatte vor, zu DDR-Zeiten, hier ein Café zu bauen, das das schönste Cafe in Halle ist und bin dafür, also, ich weiß nicht, ein ganzes Jahr lang durch die ehemalige DDR gefahren von Rostock bis Suhl, um alles, was ich brauchte auch hinein zu bauen. Ich hab es geschafft gehabt."
Drinnen ist es hell. Große Fenster. Hohe Wände. Nichts Dunkles. Junge Bedienungen. Sie kennen ihn. Sodann setzt sich in seine Ecke. An der Wand Bilder, Fotos, Stiche.
Peter Sodann: "Das hier zum Beispiel, die an den Wänden hänge, hatten alle etwas mit Halle zu tun. Curt Goetz hat doch seine Kindheitsjahre in Halle verbracht und hat auch einen schönen Artikel geschrieben über seine Jugend. Da heißt es unter anderem, also das Schönste an Halle ist der Bahnhof – weil man von dort aus die Stadt ganz schnell verlassen kann. Die oberste Heeresleitung hat den Kurt Goetz nicht so sehr geliebt, aber ich liebe ihn, weil er so ehrlich war."
Ein älterer Mann kommt herein, grüßt den Schauspieler, eine junge Frau ebenfalls. Sodann grüßt freundlich zurück. Sie nehmen am Fenster Platz. Draußen fährt eine blaue Straßenbahn vorbei zum Markt wo das überlebensgroße Händeldenkmal steht. Halle ist voll mit Erinnerungen.
Auch Peter Sodann hängt Ihnen nach, hängt auch an Ihnen. Er mag diese Stadt und manchmal hasst er sie auch. Ihre Geschichte findet er spannend, schaut auf die Wand im Cafe mit den Bildern, bleibt an Goethe hängen.
Peter Sodann: "Man kann doch durch Halle gehen oder durch jede andere deutsche Stadt, irgendwo war Goethe überall. Außerdem hat er doch, unweit von Halle gibt es ja Bad Lauchstädt, und da in Halle das Theaterspielen verboten war, hat er dort sein Goethetheater gebastelt. Selbst entworfen Und es war eine Kleinstadt, dort habe ich immer Theater gespielt."
Doch eigentlich will er lieber in der Gegenwart bleiben, erinnert sich an die Reaktionen in der Stadt auf die Bekanntgabe seiner Kandidatur: Die ist überwiegend freundlich gewesen. Außer in der Stadtverwaltung. Das hat mit dem Streit um das Neue Theater zu tun. Auch mit der Kulturpolitik. Offenbar sind die heutigen Politiker in Halle sehr viel provinzieller als die Geschichte der Stadt.
Peter Sodann: "Das kann ich nur bestätigen. Die Hallenser Bevölkerung ist eigentlich sehr aufgeschlossen und hat mir sehr geholfen."
Seine große Sorge ist, die Kultur- und Bildungsetats werden immer weiter zusammengestrichen. Eine andere, das immer mehr Jugendliche zu den Rechtsradikalen laufen.
Peter Sodann: "Und so wird es auch weiter gehen. Das ist eine große Sorge von mir, Man braucht ja bloß über die Dörfer zu fahren. Mit der Disko allein ist das nicht zu lösen."
Der Kaffeetrinker Sodann trinkt den dritten Kaffee. Der bekennende Nichtraucher Sodann raucht die dritte Zigarette. Er schaut sehr ernst in diesem Augenblick. Auch wenn er es nicht richtig zugeben mag, der
Dauerstreit mit der Stadt belastet ihn und dass sie ihm das Theater weggenommen hat, lässt ihn nicht los.
Er schaut nun traurig, auch ein wenig wütend, setzt sich kerzengerade hin. Dann beugt er sich vor, streckt seine rechte Hand vor, wie, um seine Worte zu unterstreichen.
Peter Sodann: "Ein gewisser Herr Barth hat einmal ein Theaterstück geschrieben, eine Begegnung zwischen Bach und Händel. Das haben wir auf dem Spielplan. Und das ist schon viele Jahre her. Aber man kann es hier in Halle nicht spielen. Ich weiß nicht warum. Wir fahren immer in andere Städte. Und das Stück kommt überall gut an. Aber hier ist es nicht gefragt, wahrscheinlich weil ich mitspiele."
Sodann winkt ab als wenn er das Thema wegwischen will. Mehr als alles andere ist er Schauspieler und, das sagt er immer wieder, Kabarettist. In dieser Rolle ist er nach wie vor sehr politisch. In der DDR ist das nicht ohne Risiko. In Christoph Heins Roman "Der Tangospieler" wird es beschrieben.
Peter Sodann: "Wir hatten ja einst ein Kabarett, dessen Leiter ich dann war und wir wurden alle eingesperrt. Und davon handelt ein wenig, so indirekt "Der Tangospieler". Und Christoph Hein hat das eben erzählt bekommen von einem, der mit uns etwas zu tun hatte und die Dinge waren nun alle doch etwas anders, aber das nun in das Einzelne zu zerpflücken, das kann ich nicht. Aber "Der Tangospieler" war schon, und Roland Gräf hat es damals auch verfilmt und da habe ich eine einmalige Gelegenheit gehabt, de zu spielen, der mich eingesperrt hat."
Und in einem anderen Film, in "Der Nikolaikirche", da habe ich dann auch wieder den gespielt, der mich vernommen hat. Und als Drittes habe ich den gespielt, der das Oberhaupt war, das war Herr Mielke. Und den habe ich in dem Film Deutschlandspiel gespielt und ich glaube, ich war in allen drei Rollen gut. Na, ja, ich habe sie persönlich kennengelernt, nun, Herrn Mielke nicht, aber die Anderen.
Peter Sodann ist nicht nur scheu. Er ist auch zurückhaltend. Selten lässt er etwas aus seinem Privatleben heraus. Freunde sagen, das hat mit seiner DDR-Geschichte zu tun. Die macht ihn nicht zu einem Politiker, aber zu einem politischen Kopf.
Peter Sodann: "Also, ich habe mich in die Politik schon immer eingemischt. In Ost und West. In Ost war es gefährlicher als im Westen. Es war aber eine andere Gefährlichkeit. Die andere Gefährlichkeit bestand darin, wenn man zu groß das Maul aufriss, wusste man, man kann dann irgendwo landen, wo es einem nicht gut geht. Heutzutage sehe ich das ein bisschen anders.
Da kann man zwar schimpfen und meckern was man will. Aber wenn man an die unteren Organe herangeht, da kriegt man vielleicht einen Knüppel zwischen die Beine, dass man seinen Arbeitsplatz verlieren könnte. Das verbreitet eine gewisse Ängstlichkeit und das bedeutet auch politische Starre. Man mischt sich lieber nicht ein."
Ladenburg in Baden-Württemberg ist in diesen frühen Nachmittagsstunden im NT-Café in Halle weit weg. Auch für Peter Sodann. Er will bei der Politik bleiben.
Peter Sodann: "Ich merke es ja an mir, Seit ich Bundespräsidentenkandidat bin, gibt es Leute, die lieber um mich herum gehen. Aber es gibt auch sehr viele, die mich auf der Straße herzlich begrüßen."
Das ist immer wieder zu beobachten. Nicht nur in Halle. Bei allen seinen Auftritten in diesem Jahr, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Manchmal, wie in diesem Augenblick im Neuen-Theater-Café in Halle, staunt Sodann über die Menschen. Nicht, ohne sich selbst einzubeziehen.
Peter Sodann: "Das Volk ist ziemlich ruhig und glaubt. Wir haben geglaubt als Helmuth Kohl kam. Das war auch in vielen Fragen sicherlich berechtigt. Die roten Dächer und die blühenden Landschaften, die sehe ich auch. Ich bin ja nicht so doof, dass ich nicht sehe, dass auf einmal wieder Dachziegel auf den Dächern sind wo früher keine mehr waren. Das kann ich schon erkennen. Wie diese Dächer zustande kamen, das ist eine andere Frage."
Er schaut noch einmal auf die Bilderwand. Sitzt entspannt da. sitzt entspannt da. Schaut auf die Bilderwand. Goethe, Sodann schätzt ihn sehr, Schleiermacher und viele andere haben mit der Stadt Halle zu tun. Alle hängen hier. In seinem Café. Doch alle reden nur von dieser Kandidatur. Dabei sieht er so aus, als wenn er das Ende dringend erwartet.
Peter Sodann: "Na, das wusste ich von vorne herein. Aber auch wenn man keine Chance hat, kann ich jetzt immer noch ein paar Dinge äußern."
Dann wird er wieder unruhig, will über Goethe sprechen, Den Faust, der 2. Teil …
Peter Sodann: "Da rezitiere ich ja manchmal, weil man mir ja doch die so genannte Präsidialsprache, die wurde mir ja von Journalisten abgesprochen, ja, und da habe ich mir dann immer gesagt, aber eine Präsidialsprache müsste es doch geben: Ich nenne jetzt mal Johann Wolfgang von Goethe. Der müsste sie doch beherrschen .Den habe ich letztens immer mal wieder zitiert. Und jetzt, da die Bankenkrise ist, wird es höchst aktuell:
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin
Verpestend alles schon Errungene
Den faulen Pfuhl jetzt abzuziehen
Das Letzte wär’s und höchst Errungene."
Peter Sodann erhebt sich, fragt nach der Rechnung, gibt ein großzügiges Trinkgeld, verabschiedet sich, geht Richtung Ausgang und dreht sich doch noch einmal um. Will unbedingt noch etwas hinzufügen.
Peter Sodann: "Darauf hin kam mir der Gedanke irgendwann, Goethe muss Marxist gewesen sein. Was aber nicht stimmen kann. Beide sind sich, stellen Sie sich mal vor, Marx und Goethe wären sich begegnet, das wäre ein ungeheurer Traum."
Dann geht er, ein wenig nach vorne gebeugt, der Erbauer des Cafes im Neuen Theater, der ehemalige Intendant des gleichnamigen Theaters, der frühere Kommissar Ehrlicher, der jetzige Kandidat. Sodann winkt noch einmal, ist dann draußen. Fährt mit der Straßenbahn nach Hause.
Der Schauspieler und Bundespräsidentenkandidat Peter Sodann auf die Frage, ob er weiß, dass er anstrengend ist.
Peter Sodann: "Ja, das weiß ich, weil, auch wenn ich am Abend irgendwo sitze, zu mindestens ein Bierglas um reiße und meine Frau sagt, ach schon wieder. Es ist immer dasselbe. Na, ja, das ist so, ich kann es nicht, Ja, ich bin sehr anstrengend, gebe ich zu."
Der Kandidat Peter Sodann will Bundespräsident werden.
Eine Reportage von Jörg Hafkemeyer.
In der Regionalbahn auf der Fahrt von Mannheim nach Ladenburg. Das liegt am Neckar. Nordwestlich von Heidelberg. Die Ausläufer des Odenwalds. Gepflegte Gärten, Fachwerkhäuser, blitzsaubere Ortschaften ohne Wohnsiedlungen ziehen vorbei. Eine der reichsten Gegenden in Deutschland.
Durchsage: "Nächster Halt Ladenburg"
Ladenburg ist eine Stadtfestung mit engen Gassen. Durch die Cronenbergergasse Richtung Domhofplatz geht der suspendierte Tatortkommissar Peter Sodann in Richtung Rathaus. Er hat dort eine Lesung. Bequeme, weiche Schuhe, blaue Jeans, ein sportliches Sakko, ein blaues Hemd ohne Krawatte.
Der 72-Jährige ist ein überraschend kleiner Mann mit zügigem Schritt. Sehr wachen, freundlichen Augen. Immer in Bewegung. Konzentriert, aufmerksam schauend und zuhörend. Er wirkt wie ein großer Junge. Verspielt …
Peter Sodann: "Nein, das ist kein falsches … Also, verspielt würde ich das nicht nennen. Jeder Mensch hat eine gewisse Grundheiterkeit in sich. Bei dem einen ist sie etwas stärker entwickelt. Bei dem anderen ist sie zum Miesepeter geneigt usw., aber eine Grundheiterkeit hat jedermann, man muss sie bloß finden.
Und ich habe, denke ich, in meinem Leben meine Grundheiterkeit gefunden, weil ich weiß, dass ich irgendwann sterben muss, ja, und da muss ich in der Zwischenzeit, wo ich noch nicht tot bin, muss ich mein Leben eben doch so verbringen und treffe soviel Idioten und Blödmänner auf dieser Welt, also ich reihe mich mit ein, die sich Gedanken über Dinge machen, die eigentlich unnütz sind …"
Der Domplatz, fast im Zentrum der alten Römerstadt. Sodann bleibt stehen, schaut sich um. Kopfsteinpflaster, Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter und der Renaissance. Die katholische Galluskirche. Zwei sehr hohe Türme mit spitzen, grünen Mützen. Lange bleibt der in Halle lebende Schauspieler nicht stehen, wendet sich dem Rathaus zu, geht hinein. Der einzige moderne Bau am alten Platz. Die oberste Etage.
Peter Sodann lehnt derweil an einer Säule. Schaut sich um. Etwa 80 Ladenburger verschiedenen Alters sind gekommen. Sitzen in zehn Reihen auf schwarzen Stühlen unter einem hohen Giebeldach mit schwarzem Gebälk. Vorne ein Tisch, ein Stuhl, ein Mikrofon, ein leeres Glas, eine Flasche Wasser. Die Begrüßung ist vorbei. Mit dem Beifall geht Sodann rasch nach vorne. Legt den schwarzen Aktenkoffer auf dem Tisch, öffnet ihn, holt Bücher und Papiere heraus.
Peter Sodann: "Hier drin ist zwar nicht mein ganzen Wissen, aber, das kann ich ihnen jetzt alles vorlesen, was ich jetzt hier hinstelle, das ist viel, aber, na, ja, wir müssen ein bisschen was vorher ausmachen. Das war noch nicht alles."
Der Mann ist Schauspieler. Durch und durch. Er macht gar nicht viel, aber wie er das macht. Er spricht in Versatzstücken, fängt an, bricht ab, fügt ein. Eine Mischung aus Werner Fink, Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt.
Peter Sodann: "Und das hier ist das Grundgesetz, das trage ich immer mit mir rum, weil ich meine, als Bundespräsident. Also, ich weiß genau, ich kriege die Bronzemedaille. Ich habe also überlegt, Herr Köhler wird Erster, Frau Schavan, äh, Frau Schwan, wird Vorletzte, und ich kriege die Bronzemedaille."
Er weiß natürlich, dass er keine Chance hat. Eben damit kokettiert er. Zur Freude der Anwesenden. Die sind durchgehend konservativ. Haben mit der Linken nichts am Hut, amüsieren aber sich königlich. Peter Sodann weiß das alles. Es stört ihn nicht. Er macht weiter mit seiner Veranstaltung, die alles ist, nur keine Lesung. Vielmehr sitzt da vorne ein Vortragskünstler, der sehr unterhaltend und sehr politisch ist.
Peter Sodann: "Das ist parteiübergreifend, was ich jetzt mache. Das ist nicht nur für die Linke und so. Das ist für alle Menschen in Deutschland. Ich spiele ihnen ein Lied vor, weil, das hat mir der Norbert Blüm geschenkt."
Sodann blickt mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck in die Runde, neigt den Kopf ein wenig nach rechts, zögert einen Moment, sagt dann noch:
Peter Sodann: "Er nannte sich ja selbst einen Herz-Jesus-Marxisten und ich habe mich in der DDR betender Kommunist genannt."
Er wickelt dieses bürgerliche Ladenburger Publikum politisch ein. Und das macht er sehr artistisch, mit großer Sprachfertigkeit, Komik, Selbstironie. Theaterleute sagen, der Mann ist eine Rampensau. Sodann liebt sein Publikum und braucht es auch. Dann kommt er noch einmal auf das Lied zurück.
Peter Sodann: "Das Lied Völker hört die Signale …..nur selber tun."
Sodann zieht durchs Land, erzählt Geschichten. Aus anderen Gegenden, von anderen Menschen, aus anderen Zeiten. Wie einst die fahrenden Sänger.
Ein wissendes Lächeln huscht über sein Gesicht. Selbstverständlich ist der Schauspieler eitel und von seinen politischen Ideen überzeugt. Moralische Standards hält er hoch.
Peter Sodann: "Und der Mensch ist dazu fähig und auch im Stande, die Lücken zu schließen, aber nun haben alle Regierungen dieser Welt, ob wir wollen oder nicht, immer vergessen, diese Lücken zu schließen. Sie haben alle versucht, die Menschen im Wesentlichen zu verblöden. Und wenn die immer wieder versuchen, die Menschen zu verblöden dann werden wir auch blöd. Dagegen müssen wir uns wehren und deshalb sage ich, Lacht auf Verdammte dieser Erde, ab heute werden wir uns wehren und ich will mal damit anfangen."
Peter Sodann ist, wie viele Frauen und Männer seines Berufes, ein zurückhaltender, fast scheuer Mensch. Auch wenn er gerne auftritt, spielt, redet und sich selbst, seine Vergangenheit und den Osten Deutschlands auf die Schippe nimmt.
Peter Sodann: "Sind überhaupt ein paar Ossis darunter? Doch es sind welche drunter. Vorher abgehauen oder nachher abgehauen? Dann darf ich Ihnen sagen, seien sie getrost. Es kommen noch mehr."
Ein ältere Frau in der zweiten Reihe, graue, geföhnte Haare, ein elegantes, gedecktes Kostüm, braune Handtasche und braune Schuhe, kann sich vor Lachen kaum halten. Der jungen Frau neben ihr geht es ebenso.
Peter Sodann: "Dreimal beschissen und trotzdem gelebt Also, ich habe die Nazizeit mitgemacht, dann, wie soll ich das sagen, da ich nur eine Fußnote bin, nach den neuesten Diskussionen, habe ich also einem Unrechtsstaat beigewohnt, und da sage ich immer, gut, wenn wir ein Unrechtsstaat waren, dann müssen sie mir aber einem Staat in diesem land oder in dieser Gegend oder in Europa oder Amerika zeigen, wo wirklich kein Unrecht ist."
Er trifft ihr Gefühl, und er trifft ihre Gedanken. Auch wenn sie so weit weg von ihm sind: konservativ, wohlhabend, aus dem Westen. Sodann redet ihnen auf seiner zweistündigen Veranstaltung nicht nach dem Mund. Das gefällt ihnen. Vor allem dann, wenn er Geschichten aus einer angeblich so fernen Zeit erzählt.
Peter Sodann: "1989 hatten wir die letzte Maidemonstration in der ehemaligen Fußnote. Die Fußnote jetzt, also ich, hatte mir 1989 gedacht, na, gut, die letzte Demonstration, unser ganzer Widerstand bestand immer bei diesen Demonstrationen, wenn wir an den Oberen vorbei gelaufen sind, an der Tribüne… auf der gegenüberliegenden Seite wohnte unsere Souffleuse, und die konnte nicht mehr laufen, weil sie schon zu alt war, sie hatte kaputte Beine. Und da haben wir immer ihr zugewinkt anstatt denen auf der Bühne."
Es gibt solche Abende, da redet Sodann so viel, es dauert Stunden. Einmal sind es fünf, warnt er sein Publikum. Das zeigt sich in keiner Weise schockiert und wartet auf die nächste Geschichte ...
Peter Sodann: "Es war ja keine Revolution. Die Politiker schmücken sich gern, weil jeder ja gerne Mal an einer Revolution teilhaben möchte. Es war ein Gefängnisaufstand mit der Sehnsucht nach Bananen."
Sodann lächelt vor sich hin. Er ist gerne Kabarettist, mag Dieter Hildebrandt. An solchen Stellen, in solchen Situationen zeigt sich: Der Mann aus Halle ist überhaupt kein Politiker. Weder redet noch bewegt er sich so. Vor allem denkt er nicht so. Und das will er sogleich klar machen.
Eine kurze Unterbrechung: Während der nun knapp zwei Stunden gehen nur zwei Leute. Mit entschuldigenden Blicken zeigen sie auf ihre Uhren, zucken mit den Schultern. Sie müssen. Sodann nickt ihnen verständnisvoll zu. Erinnert sich an die letzte Maidemonstration in der DDR.
Peter Sodann: "Leute, Leute, Leute, sage ich. Der erste Mai liegt mir noch in den Knochen. So viele Jahre seit 1950 demonstriere ich am 1. Mai und jetzt auf einmal ist Schluss? Ich weiß nicht, ich muss auch eine Runde marschieren. Tut mir den Gefallen, wir laufen wenigstens einmal um das Theater herum, irgendwie muss ich doch ein Stück marschieren und das haben wir auch gemacht."
Seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten ist zu diesem Zeitpunkt längst vergessen.
Peter Sodann: "Während wir so marschierten habe ich mir gedacht, warum fällt eigentlich der 1. Mai weg? Jetzt sind sie alle frohlockend oder so, aber irgendwann werden wir den doch brauchen. Er wird wahrscheinlich dringend nötig sein, wie auch immer und dann, der 1. Mai ist ja von den Russen glücklicherweise nicht erfunden worden sondern von den Amerikaner, da können wir den doch im nächsten Jahr wieder feiern, da habe ich gesagt, nächstes Jahr wird wieder demonstriert."
Auch für den Bundestag kandidiert er nicht. Er erzählt, trägt vor, schießt Pointen ab, redet über Politik, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist: Frech, manchmal über das Ziel hinaus. Schlagfertig.
"Nächstes Jahr, das war dann 1991, da haben wir uns ein Plakat, also ein Transparent gemalt. Vier Meter lang und darauf stand: Zuerst haben wir den Sozialismus ruiniert, jetzt ist der Kapitalismus dran."
Dann stehen sie um ihn herum, er sitzt immer noch an dem kleinen Tisch, signiert sein jüngstes Buch "Keine halben Sachen", aus dem er eigentlich hatte lesen wollen. Viel ist daraus nicht geworden. Freundlich, höflich ist Sodann mit den Menschen, auch als er sich verabschiedet.
Es ist spät geworden. Auf dem Weg ins Hotel verabschiedet er sich. Die Augen sehen ein bisschen müde aus. Ein Bier noch, einen Schnaps und eine Zigarette. Bis morgen dann. Gute Nacht.
Am nächsten Mittag auf der Autobahn hinter Zwickau, kurz vor Halle. Der schwarze Audi mit Fahrer kommt zügig voran. Auto und Fahrer stellt die Linke. Manchmal fahre ich auch mit dem Zug, sagt Sodann. Der sitzt vorne auf der Beifahrerseite. Macht einen ausgeruhten Eindruck und redet ziemlich ununterbrochen.
Halle. Hier ist er zu Hause. Hier ist er Ehrenbürger. Wenn auch im ständigen Streit mit der Stadtverwaltung. Die hat ihm, empört er sich, seinerzeit das Neue Theater weggenommen. Und meine große Bibliothek kann ich hier auch nicht unterbringen. Angeblich gibt es keine Räume. Er hat sie ausgelagert.
Im Zentrum der Händelstadt steigt der 72-Jährige aus und geht in sein Lieblingscafe: das Neue-Theater-Café.
Peter Sodann: "Ich hatte vor, zu DDR-Zeiten, hier ein Café zu bauen, das das schönste Cafe in Halle ist und bin dafür, also, ich weiß nicht, ein ganzes Jahr lang durch die ehemalige DDR gefahren von Rostock bis Suhl, um alles, was ich brauchte auch hinein zu bauen. Ich hab es geschafft gehabt."
Drinnen ist es hell. Große Fenster. Hohe Wände. Nichts Dunkles. Junge Bedienungen. Sie kennen ihn. Sodann setzt sich in seine Ecke. An der Wand Bilder, Fotos, Stiche.
Peter Sodann: "Das hier zum Beispiel, die an den Wänden hänge, hatten alle etwas mit Halle zu tun. Curt Goetz hat doch seine Kindheitsjahre in Halle verbracht und hat auch einen schönen Artikel geschrieben über seine Jugend. Da heißt es unter anderem, also das Schönste an Halle ist der Bahnhof – weil man von dort aus die Stadt ganz schnell verlassen kann. Die oberste Heeresleitung hat den Kurt Goetz nicht so sehr geliebt, aber ich liebe ihn, weil er so ehrlich war."
Ein älterer Mann kommt herein, grüßt den Schauspieler, eine junge Frau ebenfalls. Sodann grüßt freundlich zurück. Sie nehmen am Fenster Platz. Draußen fährt eine blaue Straßenbahn vorbei zum Markt wo das überlebensgroße Händeldenkmal steht. Halle ist voll mit Erinnerungen.
Auch Peter Sodann hängt Ihnen nach, hängt auch an Ihnen. Er mag diese Stadt und manchmal hasst er sie auch. Ihre Geschichte findet er spannend, schaut auf die Wand im Cafe mit den Bildern, bleibt an Goethe hängen.
Peter Sodann: "Man kann doch durch Halle gehen oder durch jede andere deutsche Stadt, irgendwo war Goethe überall. Außerdem hat er doch, unweit von Halle gibt es ja Bad Lauchstädt, und da in Halle das Theaterspielen verboten war, hat er dort sein Goethetheater gebastelt. Selbst entworfen Und es war eine Kleinstadt, dort habe ich immer Theater gespielt."
Doch eigentlich will er lieber in der Gegenwart bleiben, erinnert sich an die Reaktionen in der Stadt auf die Bekanntgabe seiner Kandidatur: Die ist überwiegend freundlich gewesen. Außer in der Stadtverwaltung. Das hat mit dem Streit um das Neue Theater zu tun. Auch mit der Kulturpolitik. Offenbar sind die heutigen Politiker in Halle sehr viel provinzieller als die Geschichte der Stadt.
Peter Sodann: "Das kann ich nur bestätigen. Die Hallenser Bevölkerung ist eigentlich sehr aufgeschlossen und hat mir sehr geholfen."
Seine große Sorge ist, die Kultur- und Bildungsetats werden immer weiter zusammengestrichen. Eine andere, das immer mehr Jugendliche zu den Rechtsradikalen laufen.
Peter Sodann: "Und so wird es auch weiter gehen. Das ist eine große Sorge von mir, Man braucht ja bloß über die Dörfer zu fahren. Mit der Disko allein ist das nicht zu lösen."
Der Kaffeetrinker Sodann trinkt den dritten Kaffee. Der bekennende Nichtraucher Sodann raucht die dritte Zigarette. Er schaut sehr ernst in diesem Augenblick. Auch wenn er es nicht richtig zugeben mag, der
Dauerstreit mit der Stadt belastet ihn und dass sie ihm das Theater weggenommen hat, lässt ihn nicht los.
Er schaut nun traurig, auch ein wenig wütend, setzt sich kerzengerade hin. Dann beugt er sich vor, streckt seine rechte Hand vor, wie, um seine Worte zu unterstreichen.
Peter Sodann: "Ein gewisser Herr Barth hat einmal ein Theaterstück geschrieben, eine Begegnung zwischen Bach und Händel. Das haben wir auf dem Spielplan. Und das ist schon viele Jahre her. Aber man kann es hier in Halle nicht spielen. Ich weiß nicht warum. Wir fahren immer in andere Städte. Und das Stück kommt überall gut an. Aber hier ist es nicht gefragt, wahrscheinlich weil ich mitspiele."
Sodann winkt ab als wenn er das Thema wegwischen will. Mehr als alles andere ist er Schauspieler und, das sagt er immer wieder, Kabarettist. In dieser Rolle ist er nach wie vor sehr politisch. In der DDR ist das nicht ohne Risiko. In Christoph Heins Roman "Der Tangospieler" wird es beschrieben.
Peter Sodann: "Wir hatten ja einst ein Kabarett, dessen Leiter ich dann war und wir wurden alle eingesperrt. Und davon handelt ein wenig, so indirekt "Der Tangospieler". Und Christoph Hein hat das eben erzählt bekommen von einem, der mit uns etwas zu tun hatte und die Dinge waren nun alle doch etwas anders, aber das nun in das Einzelne zu zerpflücken, das kann ich nicht. Aber "Der Tangospieler" war schon, und Roland Gräf hat es damals auch verfilmt und da habe ich eine einmalige Gelegenheit gehabt, de zu spielen, der mich eingesperrt hat."
Und in einem anderen Film, in "Der Nikolaikirche", da habe ich dann auch wieder den gespielt, der mich vernommen hat. Und als Drittes habe ich den gespielt, der das Oberhaupt war, das war Herr Mielke. Und den habe ich in dem Film Deutschlandspiel gespielt und ich glaube, ich war in allen drei Rollen gut. Na, ja, ich habe sie persönlich kennengelernt, nun, Herrn Mielke nicht, aber die Anderen.
Peter Sodann ist nicht nur scheu. Er ist auch zurückhaltend. Selten lässt er etwas aus seinem Privatleben heraus. Freunde sagen, das hat mit seiner DDR-Geschichte zu tun. Die macht ihn nicht zu einem Politiker, aber zu einem politischen Kopf.
Peter Sodann: "Also, ich habe mich in die Politik schon immer eingemischt. In Ost und West. In Ost war es gefährlicher als im Westen. Es war aber eine andere Gefährlichkeit. Die andere Gefährlichkeit bestand darin, wenn man zu groß das Maul aufriss, wusste man, man kann dann irgendwo landen, wo es einem nicht gut geht. Heutzutage sehe ich das ein bisschen anders.
Da kann man zwar schimpfen und meckern was man will. Aber wenn man an die unteren Organe herangeht, da kriegt man vielleicht einen Knüppel zwischen die Beine, dass man seinen Arbeitsplatz verlieren könnte. Das verbreitet eine gewisse Ängstlichkeit und das bedeutet auch politische Starre. Man mischt sich lieber nicht ein."
Ladenburg in Baden-Württemberg ist in diesen frühen Nachmittagsstunden im NT-Café in Halle weit weg. Auch für Peter Sodann. Er will bei der Politik bleiben.
Peter Sodann: "Ich merke es ja an mir, Seit ich Bundespräsidentenkandidat bin, gibt es Leute, die lieber um mich herum gehen. Aber es gibt auch sehr viele, die mich auf der Straße herzlich begrüßen."
Das ist immer wieder zu beobachten. Nicht nur in Halle. Bei allen seinen Auftritten in diesem Jahr, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Manchmal, wie in diesem Augenblick im Neuen-Theater-Café in Halle, staunt Sodann über die Menschen. Nicht, ohne sich selbst einzubeziehen.
Peter Sodann: "Das Volk ist ziemlich ruhig und glaubt. Wir haben geglaubt als Helmuth Kohl kam. Das war auch in vielen Fragen sicherlich berechtigt. Die roten Dächer und die blühenden Landschaften, die sehe ich auch. Ich bin ja nicht so doof, dass ich nicht sehe, dass auf einmal wieder Dachziegel auf den Dächern sind wo früher keine mehr waren. Das kann ich schon erkennen. Wie diese Dächer zustande kamen, das ist eine andere Frage."
Er schaut noch einmal auf die Bilderwand. Sitzt entspannt da. sitzt entspannt da. Schaut auf die Bilderwand. Goethe, Sodann schätzt ihn sehr, Schleiermacher und viele andere haben mit der Stadt Halle zu tun. Alle hängen hier. In seinem Café. Doch alle reden nur von dieser Kandidatur. Dabei sieht er so aus, als wenn er das Ende dringend erwartet.
Peter Sodann: "Na, das wusste ich von vorne herein. Aber auch wenn man keine Chance hat, kann ich jetzt immer noch ein paar Dinge äußern."
Dann wird er wieder unruhig, will über Goethe sprechen, Den Faust, der 2. Teil …
Peter Sodann: "Da rezitiere ich ja manchmal, weil man mir ja doch die so genannte Präsidialsprache, die wurde mir ja von Journalisten abgesprochen, ja, und da habe ich mir dann immer gesagt, aber eine Präsidialsprache müsste es doch geben: Ich nenne jetzt mal Johann Wolfgang von Goethe. Der müsste sie doch beherrschen .Den habe ich letztens immer mal wieder zitiert. Und jetzt, da die Bankenkrise ist, wird es höchst aktuell:
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin
Verpestend alles schon Errungene
Den faulen Pfuhl jetzt abzuziehen
Das Letzte wär’s und höchst Errungene."
Peter Sodann erhebt sich, fragt nach der Rechnung, gibt ein großzügiges Trinkgeld, verabschiedet sich, geht Richtung Ausgang und dreht sich doch noch einmal um. Will unbedingt noch etwas hinzufügen.
Peter Sodann: "Darauf hin kam mir der Gedanke irgendwann, Goethe muss Marxist gewesen sein. Was aber nicht stimmen kann. Beide sind sich, stellen Sie sich mal vor, Marx und Goethe wären sich begegnet, das wäre ein ungeheurer Traum."
Dann geht er, ein wenig nach vorne gebeugt, der Erbauer des Cafes im Neuen Theater, der ehemalige Intendant des gleichnamigen Theaters, der frühere Kommissar Ehrlicher, der jetzige Kandidat. Sodann winkt noch einmal, ist dann draußen. Fährt mit der Straßenbahn nach Hause.