Bundespräsident spricht an chinesischer Uni

Gauck kritisiert leise - aber deutlich

Bundespräsident Joachim Gauck spricht in der Tongji-Universität in Shanghai
Bundespräsident Joachim Gauck spricht in der Tongji-Universität in Shanghai © picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Panajotis Gavrilis · 23.03.2016
Fünf Tage dauert der China-Besuch von Bundespräsident Gauck. Für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler ist es ohne Zweifel eine besondere Reise. Mit Spannung erwartet wurde Gaucks Rede vor chinesischen Studierenden in Shanghai.
Gauck: "Manche Entwicklungen beobachten wir aber durchaus auch mit Sorge."
Es ist der zentrale Auftritt von Bundespräsident Gauck bei seinem Staatsbesuch in China. In einem Hörsaal der chinesisch-deutschen Tongji-Universität in Shanghai spricht er vor knapp 250 Studierenden. In seiner Rede äußert er sich zu Menschenrechtsfragen, verpackt seine Kritik in Äußerungen wie dieser:
"Manche fragen sich, wie der Wohlstand gleichmäßiger verteilt werden kann oder was jenen widerfährt, die gänzlich eigene Wege gehen und der offiziellen Linie im Wege zu stehen scheinen. Solche Menschen habe ich am Montag in Peking getroffen und war von ihnen tief beeindruckt."

Gauck spricht viel von seiner Zeit als DDR-Bürgerrechtler

Ohne öffentlich auf Einzelfälle einzugehen, meint Gauck die Bürgerrechtler und die drangsalierten Anwälte, die er zuvor in Peking getroffen hatte. Gauck bezieht sich in seiner Rede viel auf seine eigene Vergangenheit als DDR-Bürgerrechtler, hebt die Konsequenzen aus zwei Diktaturen in Deutschland hervor und lobt die heutige Rolle der Gewerkschaften und Demokratie:
"Ein Sozialstaat bringt dann gesellschaftliche Schubkraft hervor, wenn er sich mit einer demokratischen Ordnung verbindet. Das allgemeine Wahlrecht sorgt dafür, dass auch jene, die weniger besitzen, eine Stimme für ihre Anliegen finden."
Nachrichten aus der chinesischen Zivilgesellschaft beunruhigten ihn, erzählt er den Studierenden, spricht über Umweltpolitik und den Smog und erwähnt zugleich die guten Beziehungen zwischen China und Deutschland.

Anspielung auf die übermächtige chinesische Staatspartei

Die Rede ist eine Mischung aus Lob für Chinas Leistungen und unmissverständlichen Botschaften. Mal leisere Kritik, um die andere Seite nicht zu vergraulen, aber immer noch laut genug, um gehört zu werden:
"Dass sich alle Instanzen des Staates, alle Parteien und Personen der Herrschaft des Rechts beugen, ist zu einem unverzichtbaren Leitgedanken der deutschen Demokratie geworden. Er begleitet, lenkt und begrenzt die Macht der Regierenden."
Es ist eine Anspielung an die Roller der Partei in China, die scheinbar über allen Gesetzen steht. Nach der Rede Applaus für den Gastredner aus Deutschland. Li Bo Yan nennt sich im Deutschen Erik und hat dem Bundespräsidenten zugehört. Für den Mechatronik-Studenten war in der Rede aber nichts Neues:
Erik: "Es ist eine normale Rede. Typisch, ein typisches Thema."
Typische Themen für ausländische Gäste an der renommierten Universität, die aus einer
deutschen Medizin-Hochschule hervorgegangen ist. Erik selbst lernt wie viele hier Deutsch, will irgendwann einmal nach Deutschland.
"Vielleicht ist Demokratie natürlich sehr wichtig und Menschenrechte sind sehr wichtig. Ohne Menschenrechte kann nicht jeder ein sehr schönes Leben genießen."
Fragt man ihn aber zur chinesischen Regierung, wimmelt er ab.
"Bist du zufrieden mit deiner Regierung?
"Natürlich. Ich weiß…Es ist ein schweres Problem für mich, ich möchte nichts dazu sagen, Entschuldigung."

Student sieht Parallelen zwischen DDR und China

Lieber nichts sagen, bevor man etwas Falsches sagt. Auch der Gebäudetechnik-Student Noah saß im Hörsaal. Er hat sprachlich zwar nicht alles in der Rede verstanden, sagt er. Aber die Anspielungen von Gauck und die Botschaften dahinter seien klar:
Noah: "Der Präsident hat die Erfahrungen des Lebens erklärt. Ich glaube, dass die Situation ist gleich wie in China und er hat auch die Umweltprobleme wie Smog erklärt, das stimmt."
Nach seiner Rede in Shanghai reiste der Bundespräsident nach Xi‘an, wo er morgen am letzten Tag seines Staatsbesuchs Religionsvertreter treffen wird. Unterdessen berichtete Gauck, dass er sich bei der chinesischen Führung unter anderem für die rund 30 inhaftierten Menschenrechtsanwälte eingesetzt habe sowie für die Deutsche Welle-Journalistin Gao Yu.
Sie war zu sieben Jahre Haft verurteilt worden wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen. Sie blieb nach internationalem Druck wegen gesundheitlicher Probleme von der Haft verschont, darf aber nach wie vor nicht zur medizinischen Behandlung ausreisen.
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