Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt

Kampf gegen den Hunger ist "eine Frage der Struktur und Organisation"

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) © imago stock&people / sepp spiegl
Christian Schmidt im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 10.06.2015
Um den Hunger in der Welt zu bekämpfen ist nicht nur Geld nötig, ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt überzeugt. Vor allem gelte es, "die Strukturen zur Produktion der Nahrungsmittel" sowie die Lagerung und Weiterverarbeitung zu verbessern.
Bundeslandeswirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat den Stellenwert des Kampfes gegen den weltweiten Hunger herausgestellt, der auch Aufgabe der Bundesregierung sei. Diese Position der G7-Staaten habe er auch auf der Konferenz der Welternährungsorganisation in Rom deutlich gemacht:

"Dass wir das auch finanziell unterlegen wollen, das kostet etwas. Aber das ist eine Investition nicht nur in diese Länder, sondern, ich glaube, in unsere ethische Grundlage und Nachhaltigkeit, an der wir nicht vorbei können."
Die Frage der Ernährung hänge in vielen Ländern vor allem mit Struktur- und Organisationsproblemen bei der Produktion von Nahrungsmitteln zusammen, betonte Schmidt. So gehe es besonders auch darum, die sogenannten "Nachernteverluste" abzustellen, "indem man durch gute Ausbildung und Standards in den letzten Winkel der Erde sozusagen gute landwirtschaftliche Produktion bringt".
Unter seiner Federführung seien jetzt bei der Welternährungsorganisation Leitlinien zur Landnutzung und Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die Landwirtschaft entwickelt worden:
"Das heißt, dass auch klar wird, dass die Sozialstrukturen stimmen müssen. Wir setzen auf den kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieb, der in der Effizienz gesteigert werden muss. Dann kann er auch in seinen Regionen etwas tun. "
Hunger und Klimawandel
Vor allem in Afrika könne man durch Kooperation sehr viel erwirken. Seine besondere Aufmerksamkeit gelte dem Zusammenhang zwischen Hunger und Klimawandel, sagte Schmidt. Hier gehe es auch um die Frage des richtigen, klimaresistenten Saatgutes, mit der sich Forschung und Entwicklung beschäftigen müssten:
"Ich habe festgestellt, dass wir nach wie vor bei den Anbaumethoden mit ganz einfachen Dingen zum Teil weitaus bessere Erträge erzielen können, zum Beispiel eben durch gezielte Bewässerung. Oder durch eine Erdabdeckungsschicht, wenn man gepflanzt hat. Ziemlich einfache Dinge, die aber verbreitet werden müssen. Und das sind eigentlich Antworten auf die Auswirkungen des Klimawandels."


Das Interview im Worlaut:
Liane von Billerbeck: Ein Lob von der katholischen Kirche, das kriegen die G7 auch nicht so oft. Haben sie aber, für ihre Festlegung, alles tun zu wollen, damit sich die Erdatmosphäre nicht um mehr als zwei Grad aufheizt, was ja auch schon schlimm genug wäre. Jedenfalls, um auf das Lob zu kommen: Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat die G7 wegen dieser Festlegung gelobt, weil der menschengemachte Klimawandel auch mit Schuld daran ist, dass so viele Menschen auf der Welt hungern müssen.
Aber nun muss was geschehen, und auch der zuständige Minister ist gehalten, etwas zu tun. Zeitgleich zum Treffen in Elmau war Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, CSU, bei der Welternährungsorganisation in Rom, und jetzt ist er am Studio-9-Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Minister!
Christian Schmidt: Guten Morgen!
von Billerbeck: Worin besteht eigentlich die größte Schwierigkeit, die es zu überwinden gilt, damit alle Menschen ausreichend zu Essen haben?
Schmidt: Sie besteht nicht darin, genügend Nahrungsmittel zu produzieren, sie besteht darin, die Strukturen zur Produktion der Nahrungsmittel und dessen, was wir als die sogenannten Nachernteverluste bezeichnen, als Verderben dadurch, dass es nicht transportiert werden kann, dass es nicht anständig weiterverarbeitet, nicht gelagert wird. Diese Dinge aufzugreifen, abzustellen, indem man durch gute Ausbildung und durch Standards in den letzten Winkel sozusagen der Erde gute landwirtschaftliche Produktion bringt.
von Billerbeck: Was kann dafür der Bundeslandwirtschaftsminister tun?
Schmidt: Der kann zum einen bei der Standardsetzung mitwirken, das tun wir bei der Welternährungsorganisation. Wir haben gerade unter meiner Federführung Leitlinien zur Landnutzung und Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die Landwirtschaft international entwickelt, das heißt, dass auch klar wird, dass die Sozialstrukturen stimmen müssen. Wir setzen auf den kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieb, der in der Effizienz gesteigert werden muss. Dann kann er auch in seinen Regionen was tun.
Und man kann vor allem in Afrika durch Kooperation sehr viel erwirken. Ich habe gerade jetzt vor einigen Wochen in Sambia ein deutsch-sambisches Agrarzentrum eröffnet.
"Es gibt keine Exportsubventionen mehr"
von Billerbeck: Aber ist das nicht auch ein hausgemachtes Problem? Schließlich hat die Europäische Union mit ihrer Marktmacht und auch subventionierten Lebensmitteln ja dafür gesorgt, dass die heimischen Märkte in Afrika überschwemmt werden und da ein ziemliches Problem haben.
Schmidt: Vielen Dank. Das gibt mir die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass seit einigen Jahren und von meiner Seite aus gern zitiert, es keine Exportsubventionen mehr gibt. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Die waren falsch. Die haben Märkte gestört und zerstört. Und wir sind jetzt dabei, die Eigenständigkeit der Märkte weiterzuentwickeln, und zwar dadurch, dass sie zu Hause produzieren können und auch sollen.
von Billerbeck: Nun hatte Ludwig Schick ja auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Hunger und Klimawandel. Welche Rolle – wie stark ist der Klimawandel tatsächlich dafür verantwortlich?
Schmidt: Ja, dem messe ich einen sehr hohen Punkt bei. Ich stimme Erzbischof Schick da deswegen ausdrücklich zu. Wir erleben das bei der Frage auch, welches Saatgut verwendet werden kann. Was ist klimaresistent beziehungsweise was ist in der Lage, geänderte Klimaauswirkungen zu ertragen, auch in der Forschung und Entwicklung gut weitermachen müssen.
Es wird oft das nicht-optimale Produkt gepflanzt, und ich habe auch selbst festgestellt, dass wir nach wie vor bei den Anbaumethoden mit ganz einfachen Dingen zum Teil weitaus bessere Erträge erzielen können, zum Beispiel eben durch gezielte Bewässerung oder einfach durch eine Erdabdeckungsschicht, wenn man gepflanzt hat. Ziemlich einfache Dinge, die aber verbreitet werden müssen. Und das sind eigentlich Antworten auf die Auswirkungen des Klimawandels. Da führt kein Weg dran vorbei.
von Billerbeck: Aber ist das nicht Wissen, das in den Ländern selbst vorhanden ist? Brauchen die da einen deutschen Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister?
"Frage der Struktur und Organisation"
Schmidt: Das ist ein Wissen, das vorhanden ist, aber die Schätze müssen gehoben werden. Und manche Schätze der Erkenntnis ruhen ziemlich tief auf dem Meeresgrunde, und, um das mal sehr vorsichtig zu formulieren, es ist eine Frage auch der Struktur und Organisation, das mag jetzt etwas altertümlich klingen und so typisch deutsch daherkommen, aber es ist in der Tat eine der wichtigsten Herausforderungen.
von Billerbeck: Wie ist denn die Bereitschaft, da international zusammenzuarbeiten, um diese Probleme in den Griff zu bekommen?
Schmidt: Wir haben bei der Welternährungsorganisation und der Schwesterorganisation, dem World Food Program, dem Welternährungsprogramm, einen großen Beitrag der Industriestaaten und Industrieländer. Ich habe für die Bundesrepublik Deutschland einen Anteil von acht Prozent der Gesamtinvestitionen. Wir haben weitere, höhere Investitionen in solche Fragen, und ich war sehr froh, bei meiner Rede in Rom auf die Position der G7 eingehen zu dürfen, sie verkünden zu können, dass wir mit der Strategie bis zum Jahr 2030 500 Millionen Hungernde weniger auf der Welt zu haben, gegenwärtig unter 800 Millionen, aber den größten Teil satt machen zu können, dass wir das auch finanziell unterlegen wollen.
Das kostet etwas, aber das ist eine Investition nicht nur in diese Länder, sondern ich glaube, in unsere ethische Grundlage und Nachhaltigkeit, an der wir nicht vorbei können.
von Billerbeck: Dann Ihr Wort in Gottes Ohr, sage ich nur. Christian Schmidt was das, Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung. Danke Ihnen für das Gespräch!
Schmidt: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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