Bundeskanzlerin Merkel in Afghanistan

Von Michael Groth, Deutschlandradio Hauptstadtstudio |
Auf dem jüngsten NATO-Gipfel bezeichnete die Kanzlerin die Lage am Hindukusch als, Zitat, "historische Bewährungsprobe" des Bündnisses. In den deutschen Feldlagern in Kundus und Mazar-i-Sharif dürften solche Worte wenig bewirken.
Allzu oft fühlen sich die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan von der Politik alleingelassen. Jeden Herbst müssen die Afghanistan-Mandate erneuert werden. Bundesregierung und Bundestag kommen dieser Aufgabe nach - seit Jahren nach dem gleichen Muster. Dabei hat sich die Debatte zu einem Ritual entwickelt.

Ein "vernetzter Ansatz" wird gepredigt: Die Soldaten gelten dabei als Garanten eines Aufbaus, der ohne Sicherheit nicht zustande kommt.
Sie gelten als Entwicklungshelfer in Uniform.

Die Sache hat einen Haken. Mit einer zunehmenden Zahl westlicher Truppen im Land verringert sich die Sicherheit. Das ist seit Jahren zu beobachten. Je mehr Soldaten, desto mehr Gefechte mit den Aufständischen. Den meisten Staaten, die an der Internationalen Schutztruppe ISAF beteiligt sind, ist das klar. Die Armee ist zum Kämpfen, ja auch zum Töten, ausgebildet. Worte, die im Zusammenhang mit der Bundeswehr in der Bundesrepublik kaum jemand ausspricht - der Verteidigungsminister und seine obersten Offiziere eingeschlossen.

Bislang stießen die Deutschen im Norden Afghanistans auf vergleichsweise wenig Widerstand. Das ändert sich gerade. An der Debatte ändert es wenig.
Union und SPD wollen das unangenehme Thema aus dem Wahlkampf halten. Das laufende Mandat wurde verlängert, und muss nun erst nach der Bundestagswahl aufgerufen werden.

Die Beteiligung am NATO-Einsatz im Afghanistan ist eine zentrale Säule der Außenpolitik - aber der Diskurs über Ursachen, Ziele, und - vor allem - das mögliche Ende des deutschen Einsatzes wird verdrängt.

Das hat - neben den demoralisierenden Effekten für die deutschen Soldaten - internationale Folgen. Berlin stellt, hinter Washington und London, die drittstärkste ISAF-Truppe. Einfluss auf strategische und politische Entscheidungen am Ort hat die Bundesregierung aber kaum. Glaubt denn ernsthaft jemand, Obamas Kurswechsel sei deutschem Zureden zu verdanken? Der US-Präsident hat schlicht erkannt, dass der Konflikt ohne zivile Anstrengung nicht zu gewinnen ist. Einschließlich der beschriebenen Nebenwirkungen.

Hoffentlich verbessert Frau Merkels Besuch die Stimmung unter den Soldaten. Auftakt für eine ernsthaftere Beschäftigung mit dem Thema hierzulande ist er wohl nicht. Die Kanzlerin kann nun auf zwei Besuche während ihrer Amtszeit verweisen - noch immer nicht viel, gemessen an der Aufmerksamkeit, die die Region bei anderen Regierungschefs genießt. Immerhin verweigert sie dem Präsidenten in Kabul die Aufwartung. Karzai, der von der Lösung, die viele vom ihm einst erwarteten, immer mehr zum Problem wird. Einem Mann, der weder die Macht noch den Willen hat, die Korruption zu bekämpfen, das Grundübel vieler afghanischer Probleme. Karzai, von dem sich auch die NATO langsam distanziert.