BUND: Es gibt intelligentere Lösungen als Kamine

Moderation: Jürgen König |
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat auf die Gefahren durch Holzverbrennung in Kaminöfen hingewiesen. Die Feinstaubbelastung sei ungefähr so groß wie die von allen Dieselfahrzeugen in Deutschland, sagte BUND-Klimaexperte Matthias Seiche. Er empfahl, entweder Holzpellet-Öfen oder solche mit blauen Engeln zu kaufen. Intelligenter sei es jedoch, Solaranlagen zu installieren.
König: Eine Kollegin beschrieb ihren Wohnort in der Nähe von Berlin gestern so: Zu DDR-Zeiten mochte sie im Winter nie dort spazieren gehen, so dreckig sei die Luft gewesen von all den Öfen, mit denen geheizt wurde. Nach der Wende war es damit allmählich vorbei, man konnte bald sehr schön spazieren gehen, seit ein zwei Jahren aber sei die Luft wieder dreckiger geworden, weil bald in oder an jedem Haus ein Kamin gebaut wurde. In Deutschland haben immer mehr Menschen einen Kamin, das ist gemütlich für die, die vor dem Kamin sitzen, für alle anderen könnte es eher ungemütlich sein.

Zu einem Gespräch über die Folgen dieser ungeplanten Energiewende in den deutschen Privathaushalten begrüße ich Matthias Seiche, beim Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland, BUND, für den Klimaschutz zuständig. Herr Seiche, guten Morgen!

Matthias Seiche: Guten Morgen!

König: Holz gilt ja immer als klimaneutral, weil es bei Verbrennung der Luft nur das an Kohlendioxid zurückgibt, was zuvor der Baum der Atmosphäre entzogen hat. Diese rund 14 Millionen Kamine und Kachelöfen, die es in Deutschland gibt, sind wegen der hohen Feinstaubbelastung ins Gerede gekommen. Wie groß ist diese Belastung wirklich?

Seiche: Diese Belastung ist ungefähr so groß wie die von allen Dieselfahrzeugen in Deutschland, und viele erinnern sich vielleicht noch an die Debatte, die wir vor einem guten Jahr hatten, als es um die Feinstaubbelastung in unseren Städten ging. Rund 65.000 Tote verursacht dieser Feinstaub jedes Jahr in Deutschland, also eine schleichende, aber große Gefahr für uns alle, für unsere Gesundheit, und deswegen sollte man dieses Problem schon ernstnehmen, auch wenn man das vielleicht erst mal etwas überraschend findet. Wenn man neben so einem Kamin steht, fällt man ja nicht gleich tot um, aber auf Dauer ist die Belastung schon sehr, sehr groß für unsere Gesundheit.

König: Die Holzpellets haben immer einen guten Ruf, also diese Holzschnitzel, die nach Angaben der Hersteller bei Staub- und CO2-Ausstoß weit unter den DIN-Vorgaben liegen. Kann man die ohne Weiteres verfeuern?

Seiche: Die sind wesentlich besser, aber es hängt natürlich neben dem Brennstoff, den man nutzt, vor allen Dingen auch von der Bauart des Ofens ab. Es gibt inzwischen für diese Holzpellet-Öfen auch einen blauen Engel, den man sofort erkennt beim Kauf, und da kann man sicher sein: Da werden auch die Grenzwerte, die in Zukunft gelten, dann eingehalten und man muss diesen Ofen nicht mehr nachrüsten.

König: Was sollte, wer einen Kamin bauen oder kaufen will, beachten?

Seiche: Also, man sollte auf jeden Fall jetzt, wenn diese neue Verordnung kommt, darauf achten, dass die Prüfvorschriften und die Grenzwerte eingehalten werden. Viele Hersteller haben zum Beispiel über eine TÜV-Zertifizierung schon dafür gesorgt, dass man also in Zukunft keine Probleme bekommt, aber, wie gesagt, noch besser ist es, einen Ofen mit dem blauen Engel anzuschaffen.

König: Was ist an diesen Billigöfen aus dem Baumarkt so schlimm? Selbst die "FAZ" nimmt das Thema heute auf die Titelseite: "Kampf den Schadstoffen aus Billigöfen" steht da. Was genau macht die so problematisch?

Seiche: Wenn die Brennkammer nicht so ausgerichtet ist, dass das Holz optimal verbrennt, entstehen einfach sehr viel von diesem Feinstaub und zusätzlich auch Kohlenwasserstoffe, die krebserregend sind, weil das Holz nicht vollständig verbrennt. Und da, denke ich, sollte man einfach um der eigenen Gesundheit und der Gesundheit der Nachbarn willen schon drauf achten, dass man nicht so ein Billigteil kauft.

Aber ein Punkt, denke ich, ist auch noch ganz, ganz wichtig in dieser Diskussion. Es geht nicht nur um den Ofen an sich, sondern vor allen Dingen darum, wie man ihn nutzt, wie häufig man ihn nutzt und wie man das Holz verbrennt, ob man es vorher gut abgelagert hat, dass es gut ausgetrocknet ist, und dass man für ausreichend Zugluft sorgt, vor allen Dingen beim Anfeuern.

König: Wobei ja viele das als Heizung nutzen - ist das problemlos möglich?

Seiche: Dafür ist es eigentlich nicht gedacht. Ich denke, in der Übergangszeit, wenn man ansonsten jetzt die Zentralheizung noch nicht rund um die Uhr laufen lassen würde, weil es noch nicht so kalt ist, da nutzen das viele, und das ist auch in Ordnung. Aber als Dauereinrichtung ist es nur geeignet, wenn man so einen Holzpellet-Ofen hat mit dem blauen Engel.

König: Der Bundesumweltminister Gabriel will, dass jeder Zweite dieser 14 Millionen Öfen und Kamine einen Russfilter bekommt. Ist das wirklich nötig?

Seiche: Ja, da geht es ja um diese besonders alten Dreckschleudern. Es wird eine lange Übergangsfrist geben, zwischen 2014 und 2024 müssen diese alten Öfen erst nachgerüstet oder ausgetauscht werden, das heißt, da ist das Umweltministerium schon sehr, sehr großzügig dafür, dass das Problem doch schon ganz erheblich ist.

König: Welche Möglichkeiten, welche Filter gibt es da? Was kostet so was?

Seiche: Die Filter gibt es im Moment nur ganz wenig, weil es ja diese gesetzliche Vorschrift noch nicht gibt. Der Preis dieser Filter, der wird auf wenige hundert Euro sinken, im Moment sind die noch recht teuer. Man kann da ruhig jetzt noch ein, zwei Jahre warten, bis es wirklich ein gutes Angebot an Filtern gibt auf dem Markt. Entscheidend ist, dass man bei der Neuanschaffung erst mal wirklich auf den blauen Engel gucken sollte und insgesamt sich überlegen sollte, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt für energiesparendes Heizen, zum Beispiel mit einer Solaranlage auf dem Dach oder dadurch, dass man das Gebäude von außen dämmt. Und dafür gibt es ja viele staatliche Förderprogramme, die das ganze auch preislich attraktiv machen.

König: Die "FAZ" kommentiert das Thema heute in ihrem Wirtschaftsteil: "Dennoch wächst mit den immer umfassenderen Eingriffen des Staates das Unbehagen, ob Kosten und Nutzen der Schutzvorschriften in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wie sauber muss die Luft denn werden, bevor der Minister das Intervenieren sein lässt? Wird bald jedem Freiluftgrill eine Filterhaube verordnet? Und wie gesichert ist die Vermutung, dass sauberer stets auch gesünder ist?". Zitat Ende eines Kommentars von Heike Göbel. Was sagen Sie dazu?

Seiche: Ich finde das ein bisschen polemisch, weil es wird natürlich nicht jeder offene Grill und es wird auch nicht jeder offene Kamin betroffen sein von dieser Regel, sondern es geht darum, wirklich ein massives Gesundheitsproblem für uns alle anzupacken. Ich denke, für viele kommt es vielleicht ein bisschen überraschend, und deswegen kann ich schon verstehen, dass es jetzt erst mal Diskussionen gibt, aber dafür gibt es ja auch diese lange Übergangsfrist, dass sich jeder darauf einstellen kann.

König: Wenn jetzt jeder vierte Deutsche abends vor dem Kamin sitzt - was bedeutet das eigentlich für den Wald? Entsteht da ein neuer Verwertungsdruck, also, dass die Wälder jetzt mehr Brennholz liefern müssen?

Seiche: Ja, das ist auch ein Problem, vor allen Dingen, wenn die Leute anfangen, selber unkontrolliert in die Wälder reinzugehen und sich das Holz einfach selber zu holen. Vielleicht haben manche da auch so eine Mentalität, ja, wir wissen, das Öl wird teurer, Energie wird knapper, und dann erinnert man sich an Verhaltensweisen, die man früher hatte in der Nachkriegszeit. Aber ich glaube, die Zeiten sollten eigentlich vorbei sein. Wir haben inzwischen intelligentere Lösungen, wie gesagt, Wärmedämmung oder Solaranlagen, das ist die bessere Alternative.

König: Alles zusammengenommen: Dieser Boom der Holzfeuerung, den wir gerade erleben - ist der aus Klimaschutzsicht unvernünftig oder doch letztendlich unbedenklich?

Seiche: Ich denke, er ist gut, wenn man gute Technologien dafür verwendet und nicht einfach wild drauflos sich den billigsten Ofen im Baumarkt kauft und dann mit dem Holz, schlecht abgelagert, drauf losheizt. Wenn man sich ein bisschen vo rher informiert, dann ist das schon eine sinnvolle Alternative.

König: Dann lassen Sie uns zum Schluss, Herr Seiche, noch ein anderes Thema, das aber damit eng verknüpft ist, ansprechen. Wir sprachen gestern in der Redaktion über regenerative Energien und da kamen wir auf dieses Thema zu sprechen, nämlich dass einer der Energieriesen, RWE, kürzlich angekündigt hat, nun in großem Stil in das Geschäft mit regenerativen Energien einzusteigen. Wer sich die Geschichte der Kernkraftentwicklung vergegenwärtigt, der findet dazu eine interessante Parallele. Die Kernkraft hatte nach sehr langem Vorlauf, als sie nur durch die Politik gefördert wurde, erst dann eine wirkliche Chance, als ebenfalls RWE Ende der 60er Jahre im großen Stil einstieg. Kann man das vergleichen? Erleben wir jetzt etwas Vergleichbares, dass also der Durchbruch für regenerative Energien vielleicht nicht unmittelbar bevorsteht, aber doch nähergerückt ist?

Seiche: Ja, ich finde das eine sehr, sehr ermutigende Entwicklung. Das zeigt, dass auch die großen Energiekonzerne sehen, dass man mit den erneuerbaren Energien Geld verdienen kann und ich denke, der Grund dafür ist, dass sie merken, dass jetzt alle Parteien im Bundestag den Ausbau der erneuerbaren Energien fordern. Bis vor kurzem hat die CDU noch sehr stark gegen die erneuerbaren Energien polemisiert, und jedes Unternehmen musste Angst haben, dass immer dann, wenn es einen Regierungswechsel gibt, die Rahmenbedingung sich verschlechtert und die Anlagen dann plötzlich unrentabel werden. Jetzt, glaube ich, gibt es eine Gewissheit in der Gesellschaft, dass wir langfristig die erneuerbaren Energie ausbauen wollen und dass die Investoren dann auch stabile Rahmenbedingungen haben. Und das ist gut!