BUND-Chef: Waldfonds darf nicht an Emissionshandel geknüpft werden

Hubert Weiger im Gespräch mit André Hatting |
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, fordert einen Waldfonds zum Schutz der Regenwälder. Dieser müsse, so Weiger, von den Industrienationen gespeist werden und Ausgleichszahlungen für indigene Völker vorsehen.
André Hatting: Am Telefon ist nun Hubert Weiger, er ist Vorsitzender des größten deutschen Umweltverbandes, des Bundes für Umwelt und Naturschutz, BUND. Guten Morgen, Herr Weiger!

Hubert Weiger: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Herr Weiger, trotz diverser Selbstverpflichtungen: Der Regenwald wird weiter in riesigen Dimensionen gerodet. Wie ist diese Zerstörung zu stoppen?

Weiger: Ich glaube, dass nach vielen Jahren Diskussion es endlich tatsächlich notwendig ist, Taten folgen zu lassen, unter anderem was einen Waldschutzfonds angeht, von dem ja vorher bereits die Rede war. Es müssen die Industrieländer endlich die erforderlichen Milliardenbeträge bereitstellen, damit tatsächlich die tropischen Regenwälder auch in der Fläche geschützt werden und die indigenen Völker ihren Lebensraum halten. Da gibt es durchaus erste Zeichen der Hoffnung, zum Beispiel hat Norwegen entsprechende Gelder bereitgestellt, um die Regenwälder in Indonesien wenigstens teilweise zu schützen; wir selbst als Bundesrepublik haben ja auch 500 Millionen Euro bereitgestellt unter anderem für den Schutz der Biodiversität und damit auch für den Schutz der Wälder, allerdings ist dieses Geld inzwischen schon mehrfach verplant und teilweise ausgegeben. Also es ist zwingend notwendig, dass die Weltgemeinschaft hier wesentlich stärker als bisher handelt, denn wir sehen, dass seit der zweiten Umweltkonferenz in Rio de Janeiro zwar durchaus über die Gefährdung vor allem der tropischen Regenwälder viel gesprochen und viel geschrieben wird, dass aber relativ wenig Konsequenz passiert ist.

Hatting: Herr Weiger, Sie haben gerade einen Waldfonds angesprochen, wie genau soll der funktionieren?

Weiger: Dieser Waldfonds muss eigenständig gespeist werden. Er muss gespeist werden aus Geldern, die die Industrieländer bereitstellen zum Schutze der Biodiversität, der darf nicht mit dem Emissionshandel verknüpft werden, weil damit die große Gefahr besteht, dass man tatsächlich die notwendigen technischen Reduktionsmaßnahmen zur Verringerung der Emission klimaschädlicher Gase eben nicht mehr realisiert, sondern sich freikauft durch den Schutz von Regenwäldern. Das wäre eine schlechte Lösung. Wir brauchen zusätzliche Finanzmittel, und da ist natürlich auch Deutschland gefordert. Und es liegt ja in unserem ureigensten Interesse, denn gerade die tropischen Regenwälder sind ja entscheidend für unser gesamtes Weltklima.

Hatting: Ist das Modell Waldfonds ähnlich, funktioniert das nach dem ähnlichen Prinzip Geld für Wald, das heißt, die Bauern, die ihren tropischen Regenwald dann verkaufen, ihn nicht roden, werden dafür entschädigt?

Weiger: Ja, sie bekommen entsprechende Ausgleichszahlungen. Also ähnlich, wie das ja bei uns der Fall ist über Vertragsnaturschutzprogramme, dass besondere Leistungen für den Naturschutz auch honoriert werden, so ist es ähnlich dann hier auch sich vorzustellen, dass diejenigen Staaten, aber vor allem die Völker, die die Regenwälder erhalten und sie eben nicht nutzen beziehungsweise nicht umweltschädlich nutzen, sondern sehr schonend nur nutzen, dass die einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bekommen. Es gilt natürlich auch noch ein Zweites, nämlich den Stopp der illegalen Holzeinschläge, das ist eines der großen Probleme, da gibt es immerhin jetzt das Verbot der Importe aus illegal eingeschlagen Tropenhölzern in die Europäische Union. Allerdings fehlen hier noch die entsprechenden lückenlosen Nachweisesysteme, aber das ist auch im letzten Jahr durchaus ein ganz wichtiger Schritt nach vorn in die Europäische Union endlich gemacht worden.

Hatting: Blicken wir auf Deutschland: Vom jährlichen Waldschadensbericht einmal abgesehen ist es ja etwas ruhiger geworden, vom Waldsterben spricht kaum noch jemand. Hat sich der deutsche Wald wieder erholt?

Weiger: Der deutsche Wald hat sich nur teilweise erholt. Die Tatsache, dass eben es nur noch alle paar Jahre einen qualifizierten Waldschadensbericht gibt, dient eher der Verharmlosung des Problems, denn wir haben nach wie vor viel zu hohe Stoffeinträge, vor allem in dem Fall Stickstoffeinträge in unsere Wälder, die zu einer tickenden Zeitbombe inzwischen in den Waldböden sich entwickeln, weil hier zusätzlich dann Nitrat aus den Wäldern ausgetragen wird und damit die Trinkwasserversorgung, die ja zentral auf die Trinkwasservorräte, die im Schutz von Wäldern sich befinden, fußt, gefährdet wird. Also von daher ist die Debatte nach wie vor zu führen, aber diese Debatte, wenn ich das sagen darf, die hat ja auch Entscheidendes bewirkt, denn es ist eben in den 80er- und 90er-Jahren gelungen, vor allem Schwefelemissionen drastisch zu reduzieren. Und es hat den Wäldern gut getan, vor allem einer Baumart, nämlich der Weißtanne, die sich deutlich erholt hat und die gerade in Süddeutschland eine ganz wichtige Funktion bekommt, weil sie nämlich wesentlich klimatoleranter ist als zum Beispiel der bisherige Brotbaum der deutschen Volkswirtschaft, die Fichte. Also von daher hat diese Waldsterbensdiskussion Entscheidendes bewirkt, ohne die Waldsterbensdebatte hätten wir tatsächlich riesige abgestorbene Wälder in Deutschland bekommen.

Hatting: Besonders bedroht ist nach wie vor die Buche. Die Bundesrepublik plant, die Buchenwälder in einzelnen Bundesländern in diesem Jahr als UNESCO-Weltkulturerbe schützen zu lassen. Ist das ein guter Plan?

Weiger: Also es ist auf alle Fälle wiederum ein Zeichen der Hoffnung, dass man in Deutschland, auch in der politischen Spitze des BMLV (Anmerkung der Redaktion: Bundesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz) erkannt hat, welche zentrale Verpflichtungen wir national haben für den Schutz der weltweit zu einem Viertel der gesamten Verbreitung nur bei uns vorkommenden Rotbuchenwälder. Von daher ist die Hoffnung, dass Teile unserer Buchen-Nationalparke jetzt auch Weltnaturerbestätten werden, durchaus etwas sehr Positives. Allerdings reichen die bisherigen Reservatsflächen bei Weitem nicht aus. Wir haben ja gerade 0,5, 0,6 Prozent der Wälder in Deutschland, die nicht genutzt sind. 0,5 Prozent. Und wir haben vorher diskutiert Schutz der tropischen Regenwälder. Wir verlangen also von anderen Ländern, dass die einen relevanten Teil ihrer Fläche nicht nutzen. Und wir selbst sind dazu kaum bereit. Also hier haben wir erhebliche Defizite, deswegen ist unsere zentrale Forderung als BUND, gemeinsam mit den anderen Natur- und Umweltschutzverbänden, dass wir mindestens fünf Prozent der Wälder einer natürlichen Entwicklung überlassen, das gilt vor allem auch für die Buchenwälder, und das kann man ja vom Privatmann nicht verlangen. Und deswegen sind vor allem die Wälder, die im Bundesbesitz, im Landesbesitz sind, hier für diese zentrale Zielsetzung bereitzustellen.

Hatting: Gut. Das war ein Gespräch mit Hubert Weiger, er ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, BUND. Herr Weiger, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Weiger: Ich danke Ihnen auch, Herr Hatting!