Dhafer Youssef: "Diwan of Beauty & Odd"

Eine Feier der ungeraden Rhythmen

Der tunesische Musiker Dhafer Youssef bei einem Konzert auf dem Baalbeck International Festival in Beirut.
Der tunesische Musiker Dhafer Youssef bei einem Konzert auf dem Baalbeck International Festival in Beirut. © picture alliance / dpa / Wael Hamzeh
Von Johannes Kaiser · 19.09.2016
Der aus Tunesien stammende Musiker Dhafer Youssef nutzt die verbindende Kraft des Jazz: Auf seinem Album "Diwan of Beauty & Odd" versöhnt er die sehr unterschiedlichen Musiktraditionen des Orient und des Okzident tatsächlich miteinander.
"Ich komme aus einer Familie, die sehr religiös war, noch immer wahrscheinlich, und da habe ich mit Koran angefangen, mit islamischen Gesängen später. Mein Großvater war eine wichtige islamische Figur in meiner kleinen Stadt so wie Scheich und hat auch eine Koranschule gehabt, wo ich auch damit angefangen hab.
Als ich dann in die Schule gegangen bin, da hab ich die andere Musik kennengelernt, die weltliche Musik, hab dann versucht, mich damit zu beschäftigen, aber war bisschen schwierig, weil ich nämlich aus dieser religiösen Familie komme und alles was weltlich ist, ist halt verboten."
Aus genau diesem Grund löste sich Dhafer Youssef mit 19 Jahren bewusst von seiner religiösen Herkunft und schlug eine weltliche Laufbahn ein, wurde Musiker und Sänger.
Doch die frühkindliche Prägung blieb erhalten. Die Art seines Gesangs, die Phrasierung der Musik, die Führung der Melodie - all dies erinnert an die arabische Musik seiner Kindheit. Damals lernte er auch die Oud, die arabische Laute zu lieben und zu spielen.
Dhafer Youssef hat auf dem Musik-Konservatorium in Tunis studiert, doch das Studium war ihm zu traditionell. So beschloss er mit 19 Jahren, nach Wien zu ziehen, um dort die Kultur des Abendlandes zu entdecken.
Schon bald wurde erst die Wiener, dann die europäische Jazz-Szene auf den jungen Tunesier aufmerksam. Man lud ihn zu Projekten ein. Doch schon bald stellte er sich auf eigene Füße, wurde Bandleader und Komponist, spielte seine ersten Platten ein.

Ein lang gehegter Traum

Inzwischen lebt er in Paris und hat jetzt mit "Diwan of Beauty & Odd" seine siebte eigene CD vorgelegt. Mit ihr hat er sich einen lange gehegten Traum verwirklicht:
"Seit 99, seit ich in Wien war, und dann war ich in New York 99, jeden Abend bin ich zu Jazzclubs gegangen, nach den Konzerten bin ich nach Hause gegangen, schwanger mit so viel Ideen und Inspirationen. Ich hätte gerne damals eine Platte mit Jazzmusikern gemacht, die aus New York sind. Jetzt endlich nach 16 Jahren habe ich geschafft, richtig eine Jazzplatte zu machen und ich muss sagen, ich hab was gelernt, man darf nicht das Projekt pushen, ich sehe es als ein Baby, ein Säugling, der wird geboren, wenn er wirklich geboren möchte."
Seinen Gesang sowie die Oud-Parts hat Dhafer Youssef bereits in Göteborg vorproduziert, um sie dann zusammen mit dem von ihm hoch geschätzten Pianisten Aaron Parks, dem Bassisten Ben Williams und dem Schlagzeuger Mark Guiliana im Studio in New York einzuspielen.
Als Gast hat bei einigen Stücken der Trompeter Ambrose Akinmusire mitgewirkt. Drei der 13 Titel sind dem Dichter Al Akhtal gewidmet.
"Al Akhtal hat im siebten Jahrhundert gelebt und der Kalif ist zu ihm gekommen und hat von ihm verlangt, dass er konvertiert zum Islam halt und er hat ihm gesagt, ich brauche das nicht, ich werde trinken, bis ich fliege. Ich will nicht jetzt in der Früh aufstehen, um zu beten, ich möchte weiter trinken. Ich brauche deine Religion nicht. Ich möchte so bleiben, wie ich bin. Das ist das Beste, was ich haben kann."
Al Akhtal ist bis heute im arabischen Raum, insbesondere in Syrien ein hochgeschätzter Dichter. Er war ein Christ und ein Hedonist, der gutes Essen und Wein schätzte, darum nie Moslem werden wollte und das war damals durchaus möglich, ohne den Kopf zu verlieren.

Bekenntnis zu Toleranz und Lebensfreude

Insofern kann man die drei ihm gewidmeten Stücke durchaus auch als eine Art politisches Bekenntnis zu Toleranz und Lebensfreude interpretieren, als Absage an radikale Islamisten.
Dhafer Youssef möchte mit seiner Musik ganz prinzipiell Schönheit und Verrücktheit feiern, eben wie der Plattentitel sagt: Beauty and Odd.
"Alle Titel von 'Beauty und Odd' haben miteinander zu tun, denn im Leben sind wir immer konfrontiert mit: das Schlimme ist schlimm und das Gute ist gut, wobei, wie weißt du, ob es schlimm ist, wenn du nicht das Gute, das Schöne weißt, um die Hässlichkeit zu wissen. Das ist das Thema aller Stücke für mich."
Es geht aber nicht nur um Schönes und Hässliches. Der englische Begriff "Odd" im Titel bedeutet auf die Musik bezogen auch schräge Rhythmen und Takte, einen Siebzehn-Achtel-Takt zum Beispiel im Stück "17th Flyways".
Dhafer Yousssef liebt diese für westliche Ohren ungewohnten Metren und aus genau diesem Grund schätzt er denn auch die Musik der schwedischen Heavy Metal Band "Meshuggah". Die spielen ganz verrückte Rhythmen und darum ist sein gleichnamiges Stück "Meshuggah", wohl der rockigste Titel des ganzen Albums, auch eine Verbeugung vor der schwedischen Band. Außerdem erinnert der Begriff an das jiddische Wort meschugge – also "durchgeknallt".

"Ich bin ein Vogel"

Dhafer Youssef feiert in seinen Stücken nicht nur die ungeraden Rhythmen, er besingt auch das Fliegen. Drei Titel des Albums sind dem Fliegen gewidmet und das ist kein Zufall, denn der Musiker vergleicht sich gerne mit einem Zugvogel, der ständig zwischen Europa und Afrika hin und her pendelt.
"Ich bezeichne mich als Emigrant. Ich bin Emigrant. Ich habe Tunesien verlassen wegen der Musik. Ich habe die Chance gehabt, dass ich wirklich nach Wien konnte, habe so viel Liebe bekommen von Menschen, Musiker und auch normale Menschen, und ohne diese Liebe von diese Menschen wäre ich nicht weitergekommen. Ich denke immer an die Vögel, die aus Afrika in Libyen und dann in Tunesien eine Weile bleiben und dann weiter nach Europa fliegen und dann weiter und dann irgendwann zurück. Wir sind nicht anders als das, weil immer diese Bewegung. Ich bin ein Vogel, der auch sehr viel Glück hatte, dass wirklich Menschen für mich da waren halt und ich hätte gerne, dass Menschen das auch über mich sagen, dass ich auch für sie da war."
Dhafer Youssef gehört zu jenen aus dem arabischen Raum stammenden Jazzmusikern, die es geschafft haben, die durchaus sehr unterschiedlichen Musiktraditionen des Orient und des Okzident tatsächlich miteinander zu versöhnen. Der Jazz war schon immer neugierig auf Afrikas Klangwelten. In Dhafer Youssefs Musik verschmelzen sie mit Amerikas und Europas Jazz zu einer aufregenden Einheit.
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