Büssow: Stadtrat zeigt Mut mit geplanter Theaterschließung in Wuppertal

Jürgen Büssow im Gespräch mit Dieter Kassel · 12.01.2010
Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) hat seine Aussagen zur geplanten Schließung des Wuppertaler Theaters verteidigt. Er trete nicht generell für die Schließung von kommunalen Kultureinrichtungen ein, sagte Büssow.
Dieter Kassel: Zum Regierungsbezirk Düsseldorf gehören zehn Städte, die jeweils groß genug sind, um früher einmal über eigene große Stadttheater zu verfügen. Städte dieser Größe hatten immer ein Stadttheater, hatten vielleicht sogar mehr Spartenhäuser, aber sie hatten auch mehr Geld als heute.

Denn sieben der erwähnten zehn großen Städte im Regierungsbezirk Düsseldorf haben inzwischen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr, sie sind also, wie der Volksmund das gerne sagt, quasi pleite. Und wenn gespart werden muss, dann darf auch die Kultur kein Tabu sein. Das sagt unter anderem der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Düsseldorf, Jürgen Büssow, und der ist jetzt bei mir am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Büssow!

Jürgen Büssow: Guten Morgen, Herr Kassel!

Kassel: Sie haben in einem Zeitungsinterview festgestellt, dass die Entscheidung der Stadt Wuppertal, ihr Schauspielhaus zu schließen, sehr mutig sei, mit anderen Worten, Sie sind bereit, eine solche Entscheidung anzuerkennen. Warum hat so eine Entscheidung Ihre Anerkennung und Ihren Respekt verdient?

Büssow: Ja, weil das natürlich für jede Stadt nicht einfach ist, ein Kulturinstitut zu schließen. Aber man muss in Wuppertal dazusagen, dass die Wuppertaler im Gespräch sind, im bergischen Städtedreieck mit Solingen und mit Remscheid, die Theaterversorgung zusammen mit Solingen zu organisieren beziehungsweise mit Remscheid. Und auf diese Weise gibt es eine Grundversorgung des Theaters in einem Städtegeflecht, in dem ungefähr 620.000 Menschen leben.

Es gibt ja weiterhin eine Oper, es gibt weiterhin ein Ballett in Wuppertal. Das ist damit gemeint, dass der Stadtrat hier Mut gezeigt hat, eben ein Theater, die natürlich meistens defizitär sind, die können ja die Einnahmen nicht decken, dieses Theater eben zu schließen. Das ist damit gemeint. Wie die Diskussion dann gelaufen ist in den Zeitungen, dass ich überall für Theaterschließungen bin, davon kann gar keine Rede sein, das habe ich auch nirgendwo gesagt.

Kassel: Sie sind nicht überall für Theaterschließungen, aber Sie sind – Sie haben jetzt als Beispiel das Bergische Land gebracht, mit den wirklich sehr nah beieinander liegenden Städten Wuppertal, Solingen und Remscheid, – Sie sind für eine gewisse Konzentration, da, wo es wirtschaftlich Sinn macht. Nun gehen da andere Leute weiter, Sie werden das auch gehört haben.

Der Duisburger Stadtentwicklungsdezernent, der hat nicht für Ihren Regierungsbezirk, sondern für das ganze Ruhrgebiet vorgeschlagen, man könne damit jeweils zwei Theater, zwei Opernhäusern und höchstens fünf Museen auskommen. Sind das so Zahlen in Bezug auf eine so große Region, mit denen Sie auch was anfangen können?

Büssow: Na ja, also wir haben natürlich jetzt eine Debatte, und in diese Debatte mischen sich jetzt alle ein, eben auch Herr Dressler, und warum soll man nicht auch darüber diskutieren, man kann ja über alles diskutieren. Wir müssen ja auch über Schwimmbadschließungen nachdenken. Wir haben auch einen Schulbestand, wo wir zu viele kleine Schulen haben, die wir eigentlich zusammenlegen müssen aufgrund des Bevölkerungsrückgangs.

Und ich möchte mich hier auf eine Zahl nicht festlegen, das liegt auch wirklich in der kommunalen Selbstverantwortung. Aber was ich rate den Städten, ist in der Tat, die Zusammenarbeit der Kulturinstitute untereinander stärker ins Auge zu fassen und auch zu prüfen.

Wenn sie mit den Theaterleuten oder mit Kulturleuten sprechen, geht das ja immer alles nicht, aber wir haben gute Beispiele. In Krefeld und Mönchengladbach haben wir ein Dreispartenangebot, und diese Theater-, Opern- und Orchesterkooperation existiert seit Beginn der 50er-Jahre. Wir haben auch eine Opernkooperation zwischen Duisburg und Düsseldorf seit 1954.

Wir diskutieren diese Zusammenfassung von kommunalen Aufgaben in anderen Bereichen: Lebensmittel-, Veterinär-, Untersuchungsämter, gemeinsame Rechtsämter sind möglich, in den technischen Rathäusern kann man zusammenarbeiten. Also wir haben eine ganze Palette, die wir kommunalaufsichtlich hier vorschlagen, wo man stärker zusammenarbeiten soll, über die Stadtgrenzen hinweg.

Kassel: Nun ist es natürlich ein bisschen ein Unterschied, wenn man sich entscheidet, wir legen jetzt in zwei Städten das Gesundheitsamt zusammen oder sogar Ämter, die vielleicht gar keinen Publikumsverkehr haben, oder wir legen Theater zusammen. Lassen Sie uns doch dazu kurz mal Peter Carp hören. Er ist der Intendant des Oberhausener Theaters. Es ist wenig überraschend, dass er gegen Theaterschließungen ist, aber wir wollen es uns trotzdem anhören, weil er auch konkret sagt, warum er dagegen ist.

Peter Carp: Oberhausen ist eine Stadt mit einem großen finanziellen Problem, das weiß man, es ist sicherlich die Speerspitze der Kommunen und Städte, die jetzt alle teilweise dieses große finanzielle Problem schon haben oder auch bekommen werden. Wenn man jetzt diesen Städten auch noch die letzten kulturellen Identitätspunkte wegnimmt, wie also zum Beispiel das Theater Oberhausen, als Nächstes sind dann vielleicht die Kurzfilmtage dran und so weiter und so weiter, was bleibt denn dann von diesen Städten noch? Dann kriegen Sie Gettos von Verlierern.

Das ist eine Frage, ob die Politik das möchte, wenn sie einerseits von Integration und Chancengleichheit spricht. Ich kann darin nur einen großen Akt einer Bildungsfeindlichkeit sehen, denn jeder weiß, dass mit auch Einsparungen im Kulturetat, der ohnehin nur zwei Prozent des Gesamtetats ausmacht im Schnitt, kein Haushalt finanziert werden kann.

Kassel: Peter Carp, der Intendant des Theaters Oberhausen. Wir sprechen im Deutschlandradio Kultur mit Jürgen Büssow, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Düsseldorf. Herr Büssow, das ist kultur- und bildungsfeindlich, wenn man Theater schließt, hat Peter Carp da gerade gesagt.

Büssow: Ja, na gut, aber er muss natürlich auch sagen, wer das finanziert. Ich meine, das ist immer leicht natürlich zu sagen, dass das bildungsfeindlich ist oder kulturfeindlich, aber die Frage am Ende ist ja dann doch die Finanzierung, und das müssen die Bürger finanzieren.

Und die Kultureinrichtungen stehen natürlich in Konkurrenz auch zu den anderen Einrichtungen: Tagesprojekte, Tagesmütter, Betreuung von Jugendlichen, Stadtteilangebote – alle diese Aufgaben sind ja weiter zu finanzieren.

Und die Städte, die in einer solchen Lage sind, also Oberhausen beispielsweise ist in einem absoluten Nothaushalt, das heißt, die Stadt ist wirklich insolvent. Alle diese Kosten müssen aufgenommen werden über Kredit, die die jetzige Generation und die späteren Generationen zu finanzieren haben.

Und diese Debatte findet natürlich in den kulturinteressierten Zirkeln weniger intensiv statt. Trotzdem bin ich nicht der Auffassung, dass jetzt Oberhausen das Theater schließen muss, das war auch nie mein Vorschlag.

Und ich habe mit großem Interesse gehört, dass Herr Carp beispielsweise auch sprechen will mit den Essenern, ob man zu einer engeren Verflechtung und zu einer engeren Kooperation beispielsweise mit dem Grillo-Theater kommen kann. Das fände ich sehr interessant, wenn das hier gelingen würde.

Also, was ich möchte – und das ist das Ziel auch der Debatte, in der ich mich befinde –, dass wir nichts für tabu erklären, dass wir darüber reden müssen, was ist die Grundversorgung einer Stadt hier, die kulturelle Grundversorgung, was brauchen wir unbedingt, und was ist dann spitze, wo machen wir Spitzenleistungen, die dann etwas teurer sind. Und da muss man für diese Spitze dann, wenn man dann besonders gute Leute dann herholen will, muss man eben überlegen, ob man nicht, zivilgesellschaftlich gesehen, im Förderverein, dass man sich diese Spitze dann zusätzlich dann eben noch leisten kann.

Kassel: Aber was Herr Carp ja auch gesagt hat, und da ist er nun nicht der Einzige, das sagen ja viele andere auch, unter anderem auch in Nordrhein-Westfalen, der Oberbürgermeister von Mönchengladbach hat darauf hingewiesen, dass eben im Durchschnitt die Kulturausgaben so etwas zwischen knapp zwei und gut drei Prozent eines Städtehaushalts machen. Wenn man da nun sparen will, macht das denn in Bezug auf dreistellige Millionenbeträge an Schulden wirklich Sinn?

Büssow: Ja, aber Sie müssen ja halt eben überall sparen, das ist eben das Problem. Man kann jetzt nicht die Kulturinstitute rausnehmen und sagen, wir sparen jetzt beispielsweise bei den Kindergärten oder wir sparen bei der Ganztagsbetreuung.

Natürlich darf man feststellen, dass bestimmte Städte, die den Strukturwandel noch nicht in den Griff genommen haben, und das sind hier viele Ruhrgebietsstädte, dass sie bezogen auf die Aufgabenfülle, die sie nicht selbst definiert haben, die ihnen vom Bund und auch vom Land zugewiesen werden, unterkapitalisiert sind.

Das heißt also, die Städte haben so große Kosten, dass sie die Ausgaben mit den Einnahmen, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht mehr decken kann. Und wenn die Theaterdebatte eine richtige Richtung nehmen soll, wenn man die zwei bis drei Prozent Kosten am Gesamthaushalt rechtfertigen kann, dann müssen aber die anderen Aufgaben eben finanziert werden können, und dazu brauchen die Städte eben eine vernünftige Finanzausstattung.

Kassel: Das sehen aber in der Tat verschiedene Menschen so, auch aus der Kulturecke, denn man darf sich natürlich auch fragen, wenn der Bund dafür sorgt, dass die Städte immer mehr Ausgaben haben, dann kann er auch dafür sorgen, dass sie mehr Einnahmen haben oder dass sie nicht mehr alles finanzieren müssen.

Wir haben vor ein paar Tagen mit Olaf Zimmermann gesprochen, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, und der hat im Prinzip genau das gesagt. Er hat zum einen gesagt, dass er nicht glaubt, dass man Kultureinrichtungen, die man jetzt schließt, irgendwann wieder öffnet, und dass deshalb eben der Bund auch finanziell eingreifen muss.

Olaf Zimmermann: Wir müssen im Moment besonders es hinbekommen, dass die akut in Not geratenen Kulturstrukturen, dass die für einige Jahre am Leben erhalten werden können, und dafür ist nach meiner Ansicht eben der Bund auch in der Verantwortung. Er hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf die Bahn gebracht, er hat in den letzten Jahren immer mehr Schulden gemacht, die jetzt also die Kommunen ganz besonders betreffen. Deswegen, finde ich, ist er auch in der Verantwortung, jetzt etwas für die Kultur auf der kommunalen Ebene zu tun.

Kassel: So weit Olaf Zimmermann im Deutschlandradio Kultur vor ein paar Tagen, vom Deutschen Kulturrat. Wir reden jetzt weiterhin mit Jürgen Büssow, dem Regierungspräsidenten von Düsseldorf. Herr Büssow, wäre das denn vielleicht die Lösung, dass man sagt, einige Kulturprojekte, nicht alle und auch nicht zeitlich unbefristet, aber einige Kulturprojekte, die eigentlich auf kommunaler Ebene stattfinden, werden trotzdem von Berlin aus finanziert?

Büssow: Ja, da bin ich ein bisschen gehemmt an der Frage, weil die Kulturaufgaben sind ja, föderal gesehen sind das ja Aufgaben des Landes und der Städte, ob jetzt der Bund jetzt in die kommunalen Kulturaufgaben eintreten soll, würde ich jetzt keine schnelle Antwort drauf finden wollen. Aber ...

Kassel: Wenn er sich nicht einmischt, Herr Büssow, wenn er ...

Büssow: Nein, aber ich will Ihnen nur dazusagen, wenn der Bund die Kosten, die er so durch seine Aufgabenzuweisung hervorruft bei den Städten, decken würde, ja, also wenn das sogenannte Konnexitätsprinzip wirklich Realität würde, beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft – da laufen ja die Kosten jetzt gerade hier den Städten aus dem Ruder –, wenn er da helfen würde, dann könnten die Städte natürlich auch viel leichter die Kulturinstitute halten, dann braucht man keine besondere Kulturabgabe des Bundes.

Es würde schon reichen, wenn die durch den Bund verursachten Kosten eben auch eine entsprechende Unterstützung durch den Bund erfahren würden. Ich glaube, das ist die richtige Zielsetzung und dass man nicht jetzt noch einen Sondertopf beim Bund verlangt hier für Theater. Wir führen in Wahrheit eine Debatte über die Finanzierung der kommunalen Aufgaben in Städten, die den Strukturwandel noch nicht hinter sich haben. Und so muss auch die Zielrichtung sein.

Dann haben wir auch nicht die Diskussion, ob wir hier Theater schließen müssen. Natürlich müssen sich auch die Kulturinstitute der Lage anpassen, das haben sie auch zum Teil versucht, aber nicht hinreichend. Und ich glaube, dass man durch mehr Kooperationsmöglichkeiten und durch eine engere Zusammenarbeit auch diese Krisenzeit, in der wir uns jetzt hier befinden, dass die Kulturinstitute das überleben können.

Kassel: Der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Düsseldorf, Jürgen Büssow, über die schwierige Finanzierung von Kultur und anderen kommunalen Aufgaben in Zeiten der Krise. Herr Büssow, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Büssow: Danke Ihnen!
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