Klima-Bürgerrat in Berlin

47 Empfehlungen an die Politik

04:49 Minuten
In der Friedrichstraße in Berlin fährt eine Frau mit dem Rad. Rechts steht ein rundes, blaues Schild mit einem Fahrradsymbol in der Mitte.
Die Friedrichstraße in Berlin ist autofrei. Der Klima-Bürgerrat plädiert dafür, dass Räder und Fußgänger auch anderswo Vorrang vor Autos bekommen. © picture alliance / Rainer Keuenhof
Von Claudia van Laak |
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100 Berlinerinnen und Berliner debattierten drei Monate darüber, mit welchen Maßnahmen die Stadt das Klima schützen soll. Nun übergaben sie ihre Beschlüsse den Abgeordneten. Geht es nach ihnen, wird in Zukunft weit weniger Auto gefahren.
„Nun ist er gekommen, der Moment, auf den wir alle gewartet haben.“ Ein bisschen Pathos muss sein.
Vier Monate lang haben sie ehrenamtlich gearbeitet, die 100 Mitglieder des Klima-Bürgerrates. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Moderatorinnen und Moderatoren sowie Faktencheckerinnen und Faktenchecker standen ihnen zur Seite.

Übergabe im Plenarsaal

Der Ort für die Präsentation ist nicht zufällig gewählt. Im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses, wo normalerweise die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter tagen, übergibt der Klima-Bürgerrat seine Empfehlungen.
„Mir hat der Klima-Bürgerinnenrat gezeigt, dass das Bewusstsein bei den allermeisten vorhanden ist“, sagt ein Mitglied. „Es geht ums Zuhören“, ein anderes.

„Überrascht hat mich, dass ich von 90 Prozent Klimaschützern umgeben war“, sagt eine weitere der repräsentativ ausgewählten Personen, eine Mann bilanziert, "dass wir mit der Aufklärung schon einiges erreicht haben und uns so auf einem guten Weg befinden.“

Autofahren unattraktiver machen

47 Empfehlungen sind es geworden in den Bereichen Gebäude, Energie, Konsum, Grünflächen und Mobilität.
Eine davon: „Im Klimabeirat besteht Einigkeit darüber, dass das Ziel sein sollte, dass in der Innenstadt nicht mehr Auto gefahren werden sollte, wenn es gute Alternativen gibt. Und an denen muss natürlich gearbeitet werden.“

69 von 100 Mitgliedern des Klimarates sprechen sich dafür aus, das Autofahren unattraktiver zu machen.

Dass eine große Mehrheit für eine Reduzierung des Autoverkehrs ist, verwundert nicht. Hat doch die Hauptstadt ein gut ausgebautes Nahverkehrssystem: Nur einer von drei Berlinern verfügt über ein Auto. Zum Vergleich: im Saarland, dem Bundesland mit der höchsten Autodichte, sind es zwei von drei.

Parken soll teurer werden – mit Ausnahmen

Interessant wird es allerdings dann, wenn die Empfehlungen zu finanziellen Belastungen führen. So hat der Klima-Bürgerrat zwar beschlossen: Parken soll teuer werden.
Ausnahmen soll es aber geben für Anwohner und für bestimmte Berufsgruppen. Gedacht ist dabei an diejenigen, die im Schichtdienst arbeiten wie Polizistinnen oder Krankenpfleger.
Die Empfehlung für mehr Tempo 30-Zonen erhielt zwar eine Mehrheit, aber nur eine knappe. Parkplätze sollen Grünflächen weichen, hier ist der Klima-Bürgerrat ganz auf der Linie des rot-grün-roten Senats.

Gegen Förderung von Gasheizungen

„Ein klares Votum des Klima-Bürgerrates ist, dass Busse und Fahrräder auf jeden Fall Vorrang vor dem Autoverkehr haben sollten.“ 
„Das Land Berlin soll seinen Baumbestand stärker schützen und Vorreiter sein bei der Dachbegrünung und der Entsiegelung öffentlicher Flächen.“
Der Klima-Bürgerrat sollte sich um die Berliner Landespolitik kümmern. Hat aber auch eine Empfehlung für die Bundesregierung parat – eine, die auf der Hand liegt.
„Wir empfehlen den sofortigen Stopp der Förderung für Gasheizung und Nutzung der freiwerdenen Fördermittel für klimaneutrale Wärmetechnik. Es ist ein Unding, jetzt, wo das Gas knapp wird, dass es dafür noch Fördermittel gibt.“
Einigkeit auch bei einem anderen Thema: Klimaschutz geht vor Denkmalschutz.  „Der Denkmalschutz muss zugunsten klimafreundlicher Sanierungen angepasst werden“, so lautet der Beschluss, über den sich Berlins Kultursenator vermutlich nicht freuen wird.

Umweltsenatorin verspricht sorgfältige Prüfung

Die grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch dagegen spürt Rückenwind für ihre Klimapolitik. „Dass, was Sie hier getan haben, ist das Gegenteil von selbstverständlich. Sie haben etwas begonnen, was ein Experiment war. Niemand wusste, was dabei herauskommt. Das ist ein echter Ansporn für uns.“
Wie geht es jetzt weiter? Die 47 Empfehlungen liegen jetzt beim Parlament und bei der Landesregierung. „Was ich versprechen kann, dass wir über alle Empfehlungen reden werden, und entweder, wir übernehmen die – dann freue ich mich jetzt schon als zuständige Senatorin, dass ich eine Vorlage vorbereiten darf, die wir dann auch beschließen", sagt Jarasch.
"Dort, wo wir die Empfehlungen aus unterschiedlichen Gründen nicht folgen, werden wir es Ihnen zumindest begründen." Das gehöre sich so, sagt Jarasch, schließlich hätten die 100 Berlinerinnen und Berliner viel Zeit in den Klima-Bürgerrat investiert.
Auch die Parlamentarier versprachen eine genaue Prüfung der Empfehlungen.

Knappe Mehrheit gegen A100-Weiterbau

Für die Grünen-Politikerin bedeutet das Papier des Klimabürgerrats Rückenwind – auch gegenüber dem in Klimafragen eher bremsenden Koalitionspartner SPD.

In einem Punkt hätte sich Jarasch vermutlich noch mehr Unterstützung vom Klimabürgerrat gewünscht – nur eine knappe Mehrheit sprach sich dafür aus, beim Bund mehr Druck gegen den Weiterbau der Autobahn 100 zu machen. 
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