Bundesrat stoppt Bürgergeld

Streit auf dem Rücken der Verletzlichsten

08:41 Minuten
Die Illustration einer Person, die das Innere der leeren Hosentaschen nach außen kehrt.
Viele Menschen, die Hartz IV bekommen, haben zu wenig Geld für soziale Teilhabe. Das Bürgergeld soll das ändern. © Getty Images / fStop / Malte Mueller
Marcel Fratzscher im Gespräch mit Nicole Dittmer · 14.11.2022
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Für den Ökonom Marcel Fratzscher ist die Ablehnung des Bürgergeldes im Bundesrat durch die Union das völlig falsche Signal. Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn es ermögliche mehr soziale Teilhabe.
Das von der Regierungskoalition konzipierte Bürgergeld ist an der Blockade der Union im Bundesrat gescheitert. Weil die von CDU und CSU dominierte Länderkammer der Sozialreform die Zustimmung verweigerte, muss nun der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss finden.
Nach Ansicht des Ökonomen und DIW-Chefs Marcel Fratzscher ist die Ablehnung und voraussichtliche Verzögerung der Reform das falsche Signal. „Die Kompromisssuche hätte es vorher geben müssen. Das Bürgergeld soll den verletzlichsten Menschen bessere Chancen ermöglichen, in Arbeit zu kommen“, sagt er. Die Ablehnung im Bundesrat sei ein Machtkampf auf deren Rücken, so Fratzscher.

Beispielrechnungen stimmen nicht

Das Bürgergeld soll Anfang Januar das derzeitige Hartz-IV-System ablösen. Der monatliche Regelsatz für alleinstehende Erwachsene soll mit der Reform von 449 auf 502 Euro steigen. Die Union lehnt Teile der Reform ab, etwa die Erhöhung des sogenannten Schonvermögens, das Leistungsbezieher behalten dürfen.
Das Gesetz ist nach Einschätzung Fratzschers ein guter und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. So seien die Erhöhung der Regelsätze und die Qualifikationsförderung wichtige Verbesserungen, betont der Ökonom.
Fratzscher widerspricht der Union, die ihre Ablehnung auch mit der Behauptung begründet hatte, dass Bürgergeldempfänger zum Teil mehr Geld erhielten als Beschäftigte im Niedriglohnsektor. „Das stimmt nicht“, sagt Fratzscher: „Es gibt Extremfälle, die man aber wirklich konstruieren muss." Für die allermeisten Fälle gelte: Selbst wer für einen Billiglohn arbeite, bekomme zum Teil sogar deutlich mehr als das Bürgergeld. Menschen mit geringem Einkommen hätten zudem die Möglichkeit, soziale Zusatzleistungen zu bekommen.

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Viel wichtiger als die Frage, ab welcher Vermögenshöhe denn nun das Bürgergeld gezahlt werde, sei der Gewinn durch die Leistungen für die Empfänger: Das Bürgergeld ermögliche vielen wieder eine soziale Teilhabe. „Es geht darum, den Menschen - so gut es geht - wieder die Chance auf Arbeit zu ermöglichen.“ Sanktionen wie bei Hartz IV seien der falsche Weg, um die Wiederteilnahme am sozialen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und zu unterstützen.
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