Bürger als Fragesteller
Jahrhundertelang stand das Amtsgeheimnis wie eine feste Burg um die deutschen Behörden. Kein Zutritt nirgends. Vor drei Jahren trat das IFG in Kraft und sollte nach dem Willen der Regierung Transparenz in die Arbeit der Behörden bringen. Der Bürger kann Anträge auf Einsicht stellen, doch ob er sie auch bekommt, ist fraglich.
Denn oft stehen diverse Ausnahmeregelungen dem Informationsbedürfnis des Bürgers entgegen. Vor dem Bund waren es schon mehrere Länder, die das IFG in Kraft setzen. Allen voran Brandenburg im Jahr 1998. Zuletzt, 2009, öffnete Rheinland Pfalz seinen Bürgern die Akten.
Bremen
Von Christina Selzer
Das Informationsfreiheitsgesetz wurde am 1. Januar 2006 auf Bundesebene eingeführt mit der Zielsetzung, Bürgern einen grundsätzlich freien Zugang zu allen in der öffentlichen Verwaltung existierenden Informationen zu gewähren. In Bremen ist das Gesetz zum 1. August 2006 in Kraft getreten und garantiert damit allen Bürgern der Hansestadt ein grundsätzliches Einsichtsrecht in Behördenunterlagen. Die Besonderheit in Bremen: Es gibt ein Register im Internet.
Wer Auskünfte über Bremens Politik und Verwaltung sucht, findet diese im Internet. Schon mehr als 2000 Dokumente stehen im Online-Register: Gesetze, Verwaltungsvorschriften, außerdem Haushaltsdokumente, Gutachten und Senatsvorlagen. Damit will die Bremer Landesregierung für ihre Bürger die Suche nach Informationen einfacher machen. Eine gut informierte Öffentlichkeit will Karoline Linnert von den Grünen.
Linnert: "Hinter dem Staat steckt auch heute das Verständnis, dass die Bürger die Entscheidung klaglos hinzunehmen haben, unser Verständnis geht von mündigen Bürgern aus, dass die verstanden werden, nicht nur demütig hinnehmen, sondern eine eigene Meinung haben. Das ist etwas anders als Mund halten."
Karoline Linnert ist Finanzsenatorin in Bremen. Ihr Ressort ist für das Informationsfreiheitsgesetz verantwortlich. Das liegt daran, dass die Grünen im Wahlkampf mit dem Versprechen antraten, Politik transparenter zu machen. Jetzt regieren die Grünen gemeinsam mit der SPD und wollen ihr Wahlversprechen in die Tat umsetzen.
Linnert: "Wenn Menschen die Verwaltungsangaben einsehen können, dann können Menschen, zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger sich informieren, wie z.B. ihr Miete ausgerechnet wird. Das wird einiges verändern, wenn sich das erst mal eingeschliffen hat."
Gisela Schwellach ist dafür verantwortlich, die Neuerungen in der Verwaltung durchzusetzen. Was nicht immer einfach ist, wie sie sagt, denn es kostet ihre Mitarbeiter mehr Zeit, Dokumente ins Internet zu stellen oder Anfragen zu bearbeiten.
Denn das Bremer IFG geht noch einen Schritt über den bloßen Anspruch des Bürgers auf Information hinaus. Schon im Voraus werden die Informationen ins Internet gestellt. So müssen die Bürger nicht extra Anträge stellen.
Gisela Schwellach hat eine Liste mit den Zugriffszahlen des vergangenen Monats: 3688 Mal wurden die Seiten des Info-Registers angeklickt: Straßenordnung, Abfallgebühren, Wohngeld, Bebauungspläne. Ladenschluss- und Hundesteuergesetz, Kindergartenbeitragsordnung: Die Leute interessiere vor allem das, was in ihrer Stadt und besonders, was in ihrer Nachbarschaft passiert.
Schwellach: "Das variiert stark, je nachdem was gerade anliegt: Wenn politisch et was verhandelt wird. Bebauungspläne, Lärmschutz, dann werden die gesetzlichen Grundlagen am meisten nachgefragt."
Oder zum Beispiel auch die Frage, wann das Land die Kosten für die Klassenfahrten der Kinder übernimmt, wenn deren Eltern Empfänger von Hartz- IV sind. Solche Verwaltungsverordnungen standen früher nicht einfach so im Netz. Imke Sommer aus der Bremischen Verwaltung hält das für eine besondere Errungenschaft der Bremer Regierung.
Imke Sommer: "Es gibt ja Rechtsvorschriften, was ist im Sozialrecht eine angemessene Ausstattung, wird festgelegt, dazu gehört Waschmaschine, Fernseher, das ist eine Liste, danach müssen alle behandelt werden. Gleichbehandlung, Informationsgewinn, wenn ich sehen kann, auf welche Sachen habe ich Anspruch."
Die Zugriffszahlen steigen, das lässt sich feststellen, und auch über den Schlagwortkatalog lassen sich Hinweise darauf finden, welche Themen am meisten abgefragt werden. Doch genau lässt sich das nicht feststellen, sagt Gisela Schwellach.
Schwellach: "Man müsste Befragungen machen, Bürger sagt uns mal, was Ihr gesucht habt. Nach welchen Schlagworten gesucht wurde, oder welche Sachen besonders gefragt sind in einem Monat. Genau zu wissen, was die Leute bewegt, das ist noch sehr schwer."
Politisch interessierte Bremer können zum Beispiel, nachdem der Senat ein Gesetz beschlossen hat, darüber am nächsten Tag einen Artikel in der Zeitung lesen. Wem das zu wenig ist, kann sich durch die 20-seitige Senatsvorlage kämpfen.
Imke Sommer: "Das ist eine Bringpflicht der Verwaltung, es sei denn es gibt begründete Ausnahmefälle. Es klingt so, als wäre es ne Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht."
Das neue Online-Angebot soll aber noch ausgeweitet werden. Das wird wohl noch einige Jahre dauern, schätzt Finanzsenatorin Karoline Linnert von den Grünen. Sie ist aber guter Dinge, dass es gelingen wird, den Anspruch: nämlich Transparenz, einzulösen. Die nächste große Baustelle ist, die Behördensprache so zu verbessern, dass sie auch jeder versteht, so Linnert.
Linnert: "Bei den Senatsvorlagen kann man das sehen: Die sind technokratisch, zum Beispiel bei Haushaltsvorlage aus meinem Haus, da können wir noch besser werden. Dass man das nicht belohnt, wenn man fachchinesisch benutzt und über Sprache einschüchtern will, denn das steckt ja dahinter. Das wollen wir gerne verändern."
Wer einen Antrag stellt und abgewiesen wird, kann sich an den Landesbeauftragten für Informationsfreiheit wenden. Ein Bremer hatte sich zum Beispiel darüber beklagt, dass er vom Senat für Verkehr und Umwelt keine Informationen zu zwei Fluglärmgutachten bekam. Der Fragesteller wurde erst an andere Behörden verwiesen, dann wurde auf das Betriebsgeheimnis des Gutachters verwiesen.
Der Landesbeauftragte für Informationsfreiheit schaltete sich ein. Eine Klärung steht allerdings noch aus. Dass es bei der Auskunft also nicht immer reibungslos zugeht, mag in einigen Fällen auf Arbeitsbelastung zurückzuführen sein. Doch es zeigt auch, dass sich in vielen Amtsstuben erst langsam die Einstellung ändert, vor allem, wenn es um strittige Themen geht.
Brandenburg
Von Claudia van Laak
Brandenburg ist Vorreiter beim Thema Akteneinsicht. Bereits 1992 wurde ein solches Bürgerrecht in der Landesverfassung verankert. Sechs Jahre später kam dann das entsprechende Gesetz. Die Verwaltungen wurden nicht - wie zuvor befürchtet, von fragewilligen Bürgerinnen und Bürgern überrannt, die Bilanz fällt positiv aus. Doch nach elf Jahren braucht das Akteneinsichtsgesetz eine Überarbeitung - meint zumindest die zuständige Landesdatenschutzbeauftragte.
Ein Schornsteinfeger bei der Arbeit. Viele freuen sich, wenn sie den schwarzen Mann sehen - schließlich soll er Glück bringen. Heinz Scharf geht es nicht so - der Ingenieur aus Neuenhagen bei Berlin möchte den Schornsteinfeger am liebsten aus seinem Einfamilienhaus verbannen. Er hält dessen Arbeit nämlich für überflüssig und die Gebühren für völlig überhöht.
"Das bundesdeutsche Schornsteinfegerwesen ist ein monopolistisches Unternehmen, was es nur noch in Deutschland gibt."
Jeder Schornsteinfeger bekommt einen Kehrbezirk und staatlich festgelegte Honorarsätze für seine Leistungen - Wettbewerb ist in diesem Gewerbe ausgeschlossen. Ein Unding, meint Heinz Scherf, der sich im Verband Deutscher Grundstücksnutzer engagiert. Deshalb wollte er wissen, wie die Gebühren zustande kommen, die Hausbesitzer für den Schornsteinfeger bezahlen müssen.
"Ich habe daraufhin eine Akteneinsicht verlangt beim Wirtschaftsministerium in Brandenburg, die dafür zuständig sind. Um einfach mal zu wissen, wie ist über die letzten fünf Jahre diese Kalkulation gemacht worden, wo melden wir Änderungsbedarf an."
Die freundliche Antwort des Wirtschaftsministeriums: Heinz Scherf könne vorbeikommen und müsse für die Akteneinsicht noch nicht einmal bezahlen. Der Ingenieur fuhr nach Potsdam, las die Unterlagen und bat um einige Kopien. Doch die wurden ihm verweigert. Heinz Scherf beschwerte sich bei Brandenburgs Landesdatenschutzbeauftragter, die für das Akteneinsichtsgesetz zuständig ist.
"Ich hörte eine Weile nichts, dann bekomme ich plötzlich einen Brief, dass ich aufgrund der durchgeführten Akteneinsicht sollte ich 51 Euro bezahlen, weil sich da zwei Beamten damit beschäftigen mussten. Hmm. Dann habe ich mich bei der Landesdatenschutzbeauftragten über diese Rechnung beschwert, die Summe war vorher nicht vereinbart, das war ein Racheakt nach dem Motto: Der hat sich beschwert, jetzt geben wir ihm einen drüber."
Die Landesdatenschutzbeauftragte rügte das Wirtschaftsministerium - mehr konnte sie nicht tun. Das Beispiel zeigt: Auch nach elf Jahren Akteneinsichtsgesetz in Brandenburg gibt es noch Verwaltungsangestellte und Beamte, die auf das Amtsgeheimnis pochen und ihr Wissen gerne für sich behalten. Dabei helfe das Gesetz auch der Verwaltung, meint die Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge:
"Ich denke schon, dass es hilfreich sein kann. Gerade wenn vielleicht Misstrauen herrscht gegenüber der Verwaltung oder Unklarheiten sind, kann ich zum Teil sogar Klagen verhindern, in dem ich jemandem die Chance gebe, der eigentlich rechtliche Möglichkeiten prüfen will - will ich eine Schadensersatzklage machen - dass ich durch Einsicht in die Verwaltungsakten sehe: Die haben ja völlig korrekt gehandelt."
Brandenburg ist Pionier beim Thema Akteneinsicht. Geprägt von den Erfahrungen der DDR-Opposition verankerte die erste Landesregierung nach der Wende dieses Recht 1992 in ihrer Verfassung. Sechs Jahre dauerte es, bis daraus ein entsprechendes Gesetz wurde - mit dem die Datenschutzbeauftragte heute nicht mehr zufrieden ist.
"Wenn man sich Transparenz wünscht, wünscht man sich nicht zehn Ausnahmen, wenn es sie nicht gibt. Aber ein Vorreiter muss Kompromisse eingehen, um überhaupt nach vorne zu kommen. Insofern ist es ein Gesetz für die Zeit, was angemessen war, aber heute ist es rückständig."
So möchte die Datenschutzbeauftragte gerne, dass Bürgerinnen und Bürger auch Auskunft über Unternehmensangelegenheiten erhalten können. Zudem seien die Gebühren zu hoch - bis zu 1000 Euro für die Akteneinsicht wirken abschreckend, sagt Dagmar Hartge:
"1000 ist schon sehr hoch, und ich glaube, es gibt keine Fälle, wo das gerechtfertigt ist. Also wenn man das nach unten setzen könnte, wäre das optisch schon nicht schlecht."
Wie oft Brandenburgs Bürgerinnen und Bürger Einsicht in die Akten verlangen, ist nicht bekannt - die Behörden müssen darüber keine Statistik führen. Die Landeshauptstadt Potsdam zählt freiwillig und kommt im Jahr auf 80 bis 90 Anträge auf Akteneinsicht. Die Behörden sind also nicht mit Anfragen überrannt worden, wie anfänglich befürchtet.
"Wer dieses Gesetz kennt, der nutzt es nur in Ausnahmefällen, wenn er wirklich mal ein persönlich wichtiges Anliegen hat, sich dieser Mühe zu unterwerfen. Also es sind längst nicht so viele gekommen wie man dachte, dass kommen würden."
Wie das Wirtschaftsministerium die Gebühren für Schornsteinfegerdienste kalkuliert, das wollte bislang einzig und allein Heinz Scherf aus Neuenhagen wissen. Trotz des Ärgers über verweigerte Kopien ist der Ingenieur mit dem Akteneinsichtsgesetz voll und ganz zufrieden.
"Das ist sehr wichtig, weil es mich aus dem Zustand eines Objektes heraushebt und ich wenigstens subjektiv das Gefühl habe, hier mitmischen zu dürfen."
Rheinland Pfalz
Von Christoph Gehring
Die Landtagsdrucksache 15/2085 ist irgendwie untergegangen. Kaum jemand erinnert sich daran, dass eine große Abstimmungskoalition von SPD und CDU am 12. November vergangenen Jahres ein "Landesgesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen" beschlossen hat. Und wenn man an dieses Gesetz erinnert, möchte niemand mit diesem Gesetz etwas zu tun haben: Das Büro des Bürgerbeauftragten, der doch künftig über den freien Zugang der Bürger zu den Informationen in den Aktenbeständen der Landesbehörden wachen soll, verweist ans Innenministerium. Das wiederum verweist an die SPD-Fraktion im Landtag, die das Gesetz ja eingebracht habe. Und in der SPD-Fraktion trifft man dann auf Carsten Pörksen, einen Mann mittleren Alters, der eine ergraute Schifferfräse als Bart trägt und auch sonst ziemlich norddeutsch ist. Carsten Pörksen hat das Landesinformationsfreiheitsgesetz, kurz: LIFG, für seine Fraktion vorbereitet, aber das war schon letztes Jahr und es gab in Carsten Pörksens Parlamentarierleben offensichtlich beeindruckendere Gesetzgebungsverfahren. Wann ist das LIFG eigentlich in Kraft getreten?
Carsten Pörksen: "Ja, also das ist. Also in Kraft getreten ist das, äh … …mit der Verkündung, nicht? Das ist verkündet. Eigentlich ist das mit der Verkündung in Kraft getreten, das ist normal so. Es sei denn, wir haben extra Verkündungstermine, aber …"
… aber man kann ja das Gesetz einfach selber lesen. Dann weiß man, dass es am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, und zwar in aller Stille. Selbst die betroffenen Behörden, berichtet Carsten Pörksen, wissen manchmal nicht, dass sie jetzt per Gesetz mehr oder weniger verpflichtet sind, die Aktenschränke für interessierte Bürger zu öffnen.
Carsten Pörksen: "Ich habe heute morgen, bevor ich hier her fuhr, weil ich wusste ja, dass wir dieses Gespräch haben, und da habe ich mal bei unserer Kreisverwaltung angerufen – also ich komme aus Bad Kreuznach – und bei unserer Stadtverwaltung. Und da hat also der Beamte, der Leiter der Kreisverwaltung, der hat gesagt, sie sind gerade in der Vorbereitung, um so eine Anlaufstelle zu schaffen. Er hat bis dato noch keinen einzigen Antrag auf dem Tisch liegen. Und der Büroleiter, der Beamte der Stadt, war eher verwundert, dass es so ein Gesetz überhaupt gibt."
Manfred Redelfs: "Was nützt das beste Transparenzgesetz, wenn es ein gut gehütetes Geheimnis ist?"
Eine gute Frage, die Manfred Redelfs da aufwirft. Redelfs ist Leiter der Rechercheabteilung bei Greenpeace Deutschland und er war von der Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" als Sachverständiger benannt für die parlamentarischen Anhörungen zu den Informationsfreiheits- oder Informationszugangsgesetzen im Bund und in den Ländern. Auch in Rheinland-Pfalz, wo sich die Parlamentarier aber nicht besonders für den Sachverstand der Experten interessierten.
Manfred Redelfs: "Ansonsten war diese Anhörung eine ziemliche Farce, weil nicht eine Frage gestellt worden ist. Wobei man sich wirklich gefragt hat, warum lädt man sich Sachverständige ein, wenn man an die gar keine Fragen richtet?"
Vielleicht, weil solche Sachverständigenanhörungen einerseits zur parlamentarischen Folklore gehören, weil man andererseits aber eigentlich keinen Expertenrat hören möchte. Denn Experten wie Manfred Redelfs, die gegen das deutsche Amtsgeheimnis und für die unbedingte Transparenz von Verwaltungshandeln streiten, finden Gesetzeswerke wie das rheinland-pfälzische LIFG hinreichend unbefriedigend.
Manfred Redelfs: "Die umfangreichsten Regelungen, die man im Gesetz findet, sind die Ausnahmeklauseln vom Grundsatz der Transparenz. Ein gutes Informationsfreiheitsgesetz müsste sich am Grundsatz orientieren, dass die Ausnahmeregelungen sehr präzise und sehr eng gefasst werden. Das Gesetz, das in Rheinland-Pfalz in Kraft getreten ist, hat aber sehr weite Ausnahmeklauseln, geradezu Generalklauseln, auf die die Verwaltung sich zurückziehen kann, wenn sie etwas doch unter Verschluss halten möchte. Das ist sehr ärgerlich."
Unter Verschluss gehalten wird in Rheinland-Pfalz alles, was die Arbeit von Polizei und Justiz behindern könnte, alles, was von einer Behörde als "vertraulich" gekennzeichnet wurde, alles, was des "behördlichen Entscheidungsprozess" hemmen könnte und alles, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen berührt. Also: Wirklich so ziemlich alles.
Manfred Redelfs: "Die Erfahrung auf Bundesebene zeigt bereits, dass der Punkt der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beliebteste Ausnahmegrund von Behörden ist um Anträge abzuschmettern. Wir kritisieren hier vor allem, dass das Gesetz sowohl auf Bundesebene als auch in Rheinland-Pfalz nicht dem bewährten Standard folgt, eine Abwägungsentscheidung vorzusehen."
Abwägungsentscheidung heißt: Die Behörde entscheidet, ob die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse schützenswert sind, oder ob das öffentliche Interesse an einem Vorgang höher steht.
Manfred Redelfs: "Denken wir zum Beispiel an die Gammelfleischskandale oder ähnliches, da kann natürlich eine Firma immer sagen: Es ist Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, was wir da verbockt haben. Sehr wohl hat aber die Öffentlichkeit ein überwiegendes Interesse zu erfahren, wenn Gammelfleisch in den Handel kommt."
Carsten Pörksen hingegen, der wackere Gesetzesmacher von der SPD, findet, dass man der öffentlichen Verwaltung unrecht tut, wenn man ihnen von vornherein Böses unterstellt. Man müsse doch auch staatlichen Stellen einen Vertrauensvorschuss geben.
Bremen
Von Christina Selzer
Das Informationsfreiheitsgesetz wurde am 1. Januar 2006 auf Bundesebene eingeführt mit der Zielsetzung, Bürgern einen grundsätzlich freien Zugang zu allen in der öffentlichen Verwaltung existierenden Informationen zu gewähren. In Bremen ist das Gesetz zum 1. August 2006 in Kraft getreten und garantiert damit allen Bürgern der Hansestadt ein grundsätzliches Einsichtsrecht in Behördenunterlagen. Die Besonderheit in Bremen: Es gibt ein Register im Internet.
Wer Auskünfte über Bremens Politik und Verwaltung sucht, findet diese im Internet. Schon mehr als 2000 Dokumente stehen im Online-Register: Gesetze, Verwaltungsvorschriften, außerdem Haushaltsdokumente, Gutachten und Senatsvorlagen. Damit will die Bremer Landesregierung für ihre Bürger die Suche nach Informationen einfacher machen. Eine gut informierte Öffentlichkeit will Karoline Linnert von den Grünen.
Linnert: "Hinter dem Staat steckt auch heute das Verständnis, dass die Bürger die Entscheidung klaglos hinzunehmen haben, unser Verständnis geht von mündigen Bürgern aus, dass die verstanden werden, nicht nur demütig hinnehmen, sondern eine eigene Meinung haben. Das ist etwas anders als Mund halten."
Karoline Linnert ist Finanzsenatorin in Bremen. Ihr Ressort ist für das Informationsfreiheitsgesetz verantwortlich. Das liegt daran, dass die Grünen im Wahlkampf mit dem Versprechen antraten, Politik transparenter zu machen. Jetzt regieren die Grünen gemeinsam mit der SPD und wollen ihr Wahlversprechen in die Tat umsetzen.
Linnert: "Wenn Menschen die Verwaltungsangaben einsehen können, dann können Menschen, zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger sich informieren, wie z.B. ihr Miete ausgerechnet wird. Das wird einiges verändern, wenn sich das erst mal eingeschliffen hat."
Gisela Schwellach ist dafür verantwortlich, die Neuerungen in der Verwaltung durchzusetzen. Was nicht immer einfach ist, wie sie sagt, denn es kostet ihre Mitarbeiter mehr Zeit, Dokumente ins Internet zu stellen oder Anfragen zu bearbeiten.
Denn das Bremer IFG geht noch einen Schritt über den bloßen Anspruch des Bürgers auf Information hinaus. Schon im Voraus werden die Informationen ins Internet gestellt. So müssen die Bürger nicht extra Anträge stellen.
Gisela Schwellach hat eine Liste mit den Zugriffszahlen des vergangenen Monats: 3688 Mal wurden die Seiten des Info-Registers angeklickt: Straßenordnung, Abfallgebühren, Wohngeld, Bebauungspläne. Ladenschluss- und Hundesteuergesetz, Kindergartenbeitragsordnung: Die Leute interessiere vor allem das, was in ihrer Stadt und besonders, was in ihrer Nachbarschaft passiert.
Schwellach: "Das variiert stark, je nachdem was gerade anliegt: Wenn politisch et was verhandelt wird. Bebauungspläne, Lärmschutz, dann werden die gesetzlichen Grundlagen am meisten nachgefragt."
Oder zum Beispiel auch die Frage, wann das Land die Kosten für die Klassenfahrten der Kinder übernimmt, wenn deren Eltern Empfänger von Hartz- IV sind. Solche Verwaltungsverordnungen standen früher nicht einfach so im Netz. Imke Sommer aus der Bremischen Verwaltung hält das für eine besondere Errungenschaft der Bremer Regierung.
Imke Sommer: "Es gibt ja Rechtsvorschriften, was ist im Sozialrecht eine angemessene Ausstattung, wird festgelegt, dazu gehört Waschmaschine, Fernseher, das ist eine Liste, danach müssen alle behandelt werden. Gleichbehandlung, Informationsgewinn, wenn ich sehen kann, auf welche Sachen habe ich Anspruch."
Die Zugriffszahlen steigen, das lässt sich feststellen, und auch über den Schlagwortkatalog lassen sich Hinweise darauf finden, welche Themen am meisten abgefragt werden. Doch genau lässt sich das nicht feststellen, sagt Gisela Schwellach.
Schwellach: "Man müsste Befragungen machen, Bürger sagt uns mal, was Ihr gesucht habt. Nach welchen Schlagworten gesucht wurde, oder welche Sachen besonders gefragt sind in einem Monat. Genau zu wissen, was die Leute bewegt, das ist noch sehr schwer."
Politisch interessierte Bremer können zum Beispiel, nachdem der Senat ein Gesetz beschlossen hat, darüber am nächsten Tag einen Artikel in der Zeitung lesen. Wem das zu wenig ist, kann sich durch die 20-seitige Senatsvorlage kämpfen.
Imke Sommer: "Das ist eine Bringpflicht der Verwaltung, es sei denn es gibt begründete Ausnahmefälle. Es klingt so, als wäre es ne Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht."
Das neue Online-Angebot soll aber noch ausgeweitet werden. Das wird wohl noch einige Jahre dauern, schätzt Finanzsenatorin Karoline Linnert von den Grünen. Sie ist aber guter Dinge, dass es gelingen wird, den Anspruch: nämlich Transparenz, einzulösen. Die nächste große Baustelle ist, die Behördensprache so zu verbessern, dass sie auch jeder versteht, so Linnert.
Linnert: "Bei den Senatsvorlagen kann man das sehen: Die sind technokratisch, zum Beispiel bei Haushaltsvorlage aus meinem Haus, da können wir noch besser werden. Dass man das nicht belohnt, wenn man fachchinesisch benutzt und über Sprache einschüchtern will, denn das steckt ja dahinter. Das wollen wir gerne verändern."
Wer einen Antrag stellt und abgewiesen wird, kann sich an den Landesbeauftragten für Informationsfreiheit wenden. Ein Bremer hatte sich zum Beispiel darüber beklagt, dass er vom Senat für Verkehr und Umwelt keine Informationen zu zwei Fluglärmgutachten bekam. Der Fragesteller wurde erst an andere Behörden verwiesen, dann wurde auf das Betriebsgeheimnis des Gutachters verwiesen.
Der Landesbeauftragte für Informationsfreiheit schaltete sich ein. Eine Klärung steht allerdings noch aus. Dass es bei der Auskunft also nicht immer reibungslos zugeht, mag in einigen Fällen auf Arbeitsbelastung zurückzuführen sein. Doch es zeigt auch, dass sich in vielen Amtsstuben erst langsam die Einstellung ändert, vor allem, wenn es um strittige Themen geht.
Brandenburg
Von Claudia van Laak
Brandenburg ist Vorreiter beim Thema Akteneinsicht. Bereits 1992 wurde ein solches Bürgerrecht in der Landesverfassung verankert. Sechs Jahre später kam dann das entsprechende Gesetz. Die Verwaltungen wurden nicht - wie zuvor befürchtet, von fragewilligen Bürgerinnen und Bürgern überrannt, die Bilanz fällt positiv aus. Doch nach elf Jahren braucht das Akteneinsichtsgesetz eine Überarbeitung - meint zumindest die zuständige Landesdatenschutzbeauftragte.
Ein Schornsteinfeger bei der Arbeit. Viele freuen sich, wenn sie den schwarzen Mann sehen - schließlich soll er Glück bringen. Heinz Scharf geht es nicht so - der Ingenieur aus Neuenhagen bei Berlin möchte den Schornsteinfeger am liebsten aus seinem Einfamilienhaus verbannen. Er hält dessen Arbeit nämlich für überflüssig und die Gebühren für völlig überhöht.
"Das bundesdeutsche Schornsteinfegerwesen ist ein monopolistisches Unternehmen, was es nur noch in Deutschland gibt."
Jeder Schornsteinfeger bekommt einen Kehrbezirk und staatlich festgelegte Honorarsätze für seine Leistungen - Wettbewerb ist in diesem Gewerbe ausgeschlossen. Ein Unding, meint Heinz Scherf, der sich im Verband Deutscher Grundstücksnutzer engagiert. Deshalb wollte er wissen, wie die Gebühren zustande kommen, die Hausbesitzer für den Schornsteinfeger bezahlen müssen.
"Ich habe daraufhin eine Akteneinsicht verlangt beim Wirtschaftsministerium in Brandenburg, die dafür zuständig sind. Um einfach mal zu wissen, wie ist über die letzten fünf Jahre diese Kalkulation gemacht worden, wo melden wir Änderungsbedarf an."
Die freundliche Antwort des Wirtschaftsministeriums: Heinz Scherf könne vorbeikommen und müsse für die Akteneinsicht noch nicht einmal bezahlen. Der Ingenieur fuhr nach Potsdam, las die Unterlagen und bat um einige Kopien. Doch die wurden ihm verweigert. Heinz Scherf beschwerte sich bei Brandenburgs Landesdatenschutzbeauftragter, die für das Akteneinsichtsgesetz zuständig ist.
"Ich hörte eine Weile nichts, dann bekomme ich plötzlich einen Brief, dass ich aufgrund der durchgeführten Akteneinsicht sollte ich 51 Euro bezahlen, weil sich da zwei Beamten damit beschäftigen mussten. Hmm. Dann habe ich mich bei der Landesdatenschutzbeauftragten über diese Rechnung beschwert, die Summe war vorher nicht vereinbart, das war ein Racheakt nach dem Motto: Der hat sich beschwert, jetzt geben wir ihm einen drüber."
Die Landesdatenschutzbeauftragte rügte das Wirtschaftsministerium - mehr konnte sie nicht tun. Das Beispiel zeigt: Auch nach elf Jahren Akteneinsichtsgesetz in Brandenburg gibt es noch Verwaltungsangestellte und Beamte, die auf das Amtsgeheimnis pochen und ihr Wissen gerne für sich behalten. Dabei helfe das Gesetz auch der Verwaltung, meint die Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge:
"Ich denke schon, dass es hilfreich sein kann. Gerade wenn vielleicht Misstrauen herrscht gegenüber der Verwaltung oder Unklarheiten sind, kann ich zum Teil sogar Klagen verhindern, in dem ich jemandem die Chance gebe, der eigentlich rechtliche Möglichkeiten prüfen will - will ich eine Schadensersatzklage machen - dass ich durch Einsicht in die Verwaltungsakten sehe: Die haben ja völlig korrekt gehandelt."
Brandenburg ist Pionier beim Thema Akteneinsicht. Geprägt von den Erfahrungen der DDR-Opposition verankerte die erste Landesregierung nach der Wende dieses Recht 1992 in ihrer Verfassung. Sechs Jahre dauerte es, bis daraus ein entsprechendes Gesetz wurde - mit dem die Datenschutzbeauftragte heute nicht mehr zufrieden ist.
"Wenn man sich Transparenz wünscht, wünscht man sich nicht zehn Ausnahmen, wenn es sie nicht gibt. Aber ein Vorreiter muss Kompromisse eingehen, um überhaupt nach vorne zu kommen. Insofern ist es ein Gesetz für die Zeit, was angemessen war, aber heute ist es rückständig."
So möchte die Datenschutzbeauftragte gerne, dass Bürgerinnen und Bürger auch Auskunft über Unternehmensangelegenheiten erhalten können. Zudem seien die Gebühren zu hoch - bis zu 1000 Euro für die Akteneinsicht wirken abschreckend, sagt Dagmar Hartge:
"1000 ist schon sehr hoch, und ich glaube, es gibt keine Fälle, wo das gerechtfertigt ist. Also wenn man das nach unten setzen könnte, wäre das optisch schon nicht schlecht."
Wie oft Brandenburgs Bürgerinnen und Bürger Einsicht in die Akten verlangen, ist nicht bekannt - die Behörden müssen darüber keine Statistik führen. Die Landeshauptstadt Potsdam zählt freiwillig und kommt im Jahr auf 80 bis 90 Anträge auf Akteneinsicht. Die Behörden sind also nicht mit Anfragen überrannt worden, wie anfänglich befürchtet.
"Wer dieses Gesetz kennt, der nutzt es nur in Ausnahmefällen, wenn er wirklich mal ein persönlich wichtiges Anliegen hat, sich dieser Mühe zu unterwerfen. Also es sind längst nicht so viele gekommen wie man dachte, dass kommen würden."
Wie das Wirtschaftsministerium die Gebühren für Schornsteinfegerdienste kalkuliert, das wollte bislang einzig und allein Heinz Scherf aus Neuenhagen wissen. Trotz des Ärgers über verweigerte Kopien ist der Ingenieur mit dem Akteneinsichtsgesetz voll und ganz zufrieden.
"Das ist sehr wichtig, weil es mich aus dem Zustand eines Objektes heraushebt und ich wenigstens subjektiv das Gefühl habe, hier mitmischen zu dürfen."
Rheinland Pfalz
Von Christoph Gehring
Die Landtagsdrucksache 15/2085 ist irgendwie untergegangen. Kaum jemand erinnert sich daran, dass eine große Abstimmungskoalition von SPD und CDU am 12. November vergangenen Jahres ein "Landesgesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen" beschlossen hat. Und wenn man an dieses Gesetz erinnert, möchte niemand mit diesem Gesetz etwas zu tun haben: Das Büro des Bürgerbeauftragten, der doch künftig über den freien Zugang der Bürger zu den Informationen in den Aktenbeständen der Landesbehörden wachen soll, verweist ans Innenministerium. Das wiederum verweist an die SPD-Fraktion im Landtag, die das Gesetz ja eingebracht habe. Und in der SPD-Fraktion trifft man dann auf Carsten Pörksen, einen Mann mittleren Alters, der eine ergraute Schifferfräse als Bart trägt und auch sonst ziemlich norddeutsch ist. Carsten Pörksen hat das Landesinformationsfreiheitsgesetz, kurz: LIFG, für seine Fraktion vorbereitet, aber das war schon letztes Jahr und es gab in Carsten Pörksens Parlamentarierleben offensichtlich beeindruckendere Gesetzgebungsverfahren. Wann ist das LIFG eigentlich in Kraft getreten?
Carsten Pörksen: "Ja, also das ist. Also in Kraft getreten ist das, äh … …mit der Verkündung, nicht? Das ist verkündet. Eigentlich ist das mit der Verkündung in Kraft getreten, das ist normal so. Es sei denn, wir haben extra Verkündungstermine, aber …"
… aber man kann ja das Gesetz einfach selber lesen. Dann weiß man, dass es am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, und zwar in aller Stille. Selbst die betroffenen Behörden, berichtet Carsten Pörksen, wissen manchmal nicht, dass sie jetzt per Gesetz mehr oder weniger verpflichtet sind, die Aktenschränke für interessierte Bürger zu öffnen.
Carsten Pörksen: "Ich habe heute morgen, bevor ich hier her fuhr, weil ich wusste ja, dass wir dieses Gespräch haben, und da habe ich mal bei unserer Kreisverwaltung angerufen – also ich komme aus Bad Kreuznach – und bei unserer Stadtverwaltung. Und da hat also der Beamte, der Leiter der Kreisverwaltung, der hat gesagt, sie sind gerade in der Vorbereitung, um so eine Anlaufstelle zu schaffen. Er hat bis dato noch keinen einzigen Antrag auf dem Tisch liegen. Und der Büroleiter, der Beamte der Stadt, war eher verwundert, dass es so ein Gesetz überhaupt gibt."
Manfred Redelfs: "Was nützt das beste Transparenzgesetz, wenn es ein gut gehütetes Geheimnis ist?"
Eine gute Frage, die Manfred Redelfs da aufwirft. Redelfs ist Leiter der Rechercheabteilung bei Greenpeace Deutschland und er war von der Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" als Sachverständiger benannt für die parlamentarischen Anhörungen zu den Informationsfreiheits- oder Informationszugangsgesetzen im Bund und in den Ländern. Auch in Rheinland-Pfalz, wo sich die Parlamentarier aber nicht besonders für den Sachverstand der Experten interessierten.
Manfred Redelfs: "Ansonsten war diese Anhörung eine ziemliche Farce, weil nicht eine Frage gestellt worden ist. Wobei man sich wirklich gefragt hat, warum lädt man sich Sachverständige ein, wenn man an die gar keine Fragen richtet?"
Vielleicht, weil solche Sachverständigenanhörungen einerseits zur parlamentarischen Folklore gehören, weil man andererseits aber eigentlich keinen Expertenrat hören möchte. Denn Experten wie Manfred Redelfs, die gegen das deutsche Amtsgeheimnis und für die unbedingte Transparenz von Verwaltungshandeln streiten, finden Gesetzeswerke wie das rheinland-pfälzische LIFG hinreichend unbefriedigend.
Manfred Redelfs: "Die umfangreichsten Regelungen, die man im Gesetz findet, sind die Ausnahmeklauseln vom Grundsatz der Transparenz. Ein gutes Informationsfreiheitsgesetz müsste sich am Grundsatz orientieren, dass die Ausnahmeregelungen sehr präzise und sehr eng gefasst werden. Das Gesetz, das in Rheinland-Pfalz in Kraft getreten ist, hat aber sehr weite Ausnahmeklauseln, geradezu Generalklauseln, auf die die Verwaltung sich zurückziehen kann, wenn sie etwas doch unter Verschluss halten möchte. Das ist sehr ärgerlich."
Unter Verschluss gehalten wird in Rheinland-Pfalz alles, was die Arbeit von Polizei und Justiz behindern könnte, alles, was von einer Behörde als "vertraulich" gekennzeichnet wurde, alles, was des "behördlichen Entscheidungsprozess" hemmen könnte und alles, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen berührt. Also: Wirklich so ziemlich alles.
Manfred Redelfs: "Die Erfahrung auf Bundesebene zeigt bereits, dass der Punkt der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beliebteste Ausnahmegrund von Behörden ist um Anträge abzuschmettern. Wir kritisieren hier vor allem, dass das Gesetz sowohl auf Bundesebene als auch in Rheinland-Pfalz nicht dem bewährten Standard folgt, eine Abwägungsentscheidung vorzusehen."
Abwägungsentscheidung heißt: Die Behörde entscheidet, ob die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse schützenswert sind, oder ob das öffentliche Interesse an einem Vorgang höher steht.
Manfred Redelfs: "Denken wir zum Beispiel an die Gammelfleischskandale oder ähnliches, da kann natürlich eine Firma immer sagen: Es ist Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, was wir da verbockt haben. Sehr wohl hat aber die Öffentlichkeit ein überwiegendes Interesse zu erfahren, wenn Gammelfleisch in den Handel kommt."
Carsten Pörksen hingegen, der wackere Gesetzesmacher von der SPD, findet, dass man der öffentlichen Verwaltung unrecht tut, wenn man ihnen von vornherein Böses unterstellt. Man müsse doch auch staatlichen Stellen einen Vertrauensvorschuss geben.