Bülent Arslan: Türkei muss offener mit Christentum umgehen

Bülent Arslan im Gespräch mit Gabi Wuttke · 20.10.2010
Es sei in der Türkei aus kulturellen Gründen "nicht ganz einfach", als ausländischer Gast Kritik zu üben, und er glaube, "dass das dem Bundespräsidenten aber sehr, sehr gut gelungen ist", sagt der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen, Bülent Arslan.
Gabi Wuttke: "Unsere Mitbürger türkischer Herkunft sind in beiden Kulturen zu Hause", das sagte Bundespräsident Christian Wulff gestern in Ankara, und fuhr fort:

Christian Wulff: Als ihr aller Präsident fordere ich, dass jeder Zugewanderte sich mit gutem Willen aktiv in unsere deutsche Gesellschaft einfügt. Die Einwanderer auch aus Ihrem Land haben unser Land vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht. Das Zusammenleben in Vielfalt ist aber natürlich auch für alle Beteiligten eine ganz große Herausforderung und Aufgabe. Durch multikulturelle Illusionen wurden Probleme regelmäßig unterschätzt, und der offene und respektvolle Dialog ist Voraussetzung für erfolgreiche Integration.

Wuttke: Einige der Sätze aus der Rede, die Bundespräsident Christian Wulff gestern vor dem türkischen Parlament in Ankara gehalten hat. Einiges war im Wortlaut identisch mit dem, was er am 3. Oktober gesagt hatte, aber dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehört, wiederholte das deutsche Staatsoberhaupt nicht. Am Telefon ist jetzt Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen, der Christian Wulff gegen Kritik aus der Union für diesen Satz verteidigt hat. Guten Morgen!

Bülent Arslan: Guten Morgen!

Wuttke: In der langen Rede des Bundespräsidenten in Ankara kam das Wort "Islam" vier Mal vor und war nie auf Deutschland gemünzt. Bedauern Sie das?

Arslan: Nein, das bedauere ich nicht, also man muss ja die beiden Reden, aus Bremen und die gestrige, auch im Zusammenhang sehen, und ich fand das sehr geschickt, dass der Bundespräsident sowohl eine Diskussion in Deutschland zum Thema Zusammenleben mit Muslimen begonnen hat, als auch jetzt die Gespräche und teilweise auch die Kritik in der Türkei.

Wuttke: Das vom Dreiklang Christentum, Judentum, Islam in Ankara keine Rede mehr war, wirkt auf Sie also nicht als Besänftigung seiner Kritiker aus der CSU?

Arslan: Nein, das glaube ich nicht. Im Übrigen ist das Thema ja beispielsweise auch in der Pressekonferenz auch übrigens durch den türkischen Staatspräsidenten aufgegriffen worden. Ich glaube nicht, dass das als ein Rückzieher zu bewerten ist, sondern das ist glaube ich schon ganz geschickt von vornherein durch den Bundespräsidenten so angelegt worden, zuerst durch die Bremer Rede eine innenpolitische, aus Deutschland betrachtete Diskussion zu beginnen, aber jetzt auch natürlich den Zusammenhang zur Türkei herzustellen.

Wuttke: Und an welche Seite richtete sich Ihrer Ansicht nach der Satz, das Christentum gehöre zweifelsfrei zur Türkei?

Arslan: Nein, das ist natürlich ein Satz, der primär in Richtung Türkei zugeschnitten ist. Das ist im Übrigen auch ein Punkt, der ja schon seit vielen Jahren in der offiziellen Staatspolitik der Türkei verankert ist, aber im gesellschaftlichen Leben viele, viele Probleme verursacht hat, und deswegen muss die Türkei sich selbst auch mit diesem Thema befassen und auch offener mit diesem Thema umgehen.

Wuttke: Aber muss dieser Satz nicht auch für die Menschen hier in Deutschland mitverstanden werden?

Arslan: Also wissen Sie, wenn wir über deutsch-türkische Beziehungen reden, dann ist das nicht nur Außenpolitik, sondern auch die gestrige Rede hatte viele innenpolitische Passagen.

Wuttke: Eben drum.

Arslan: Und deswegen ist das ganz klar, dass natürlich die Botschaften, die da vergeben wurden – und ich würde mal sagen, dass das zum ersten Mal im Rahmen eines Staatsbesuches dieser Zusammenhang zwischen Außenpolitik und Innenpolitik auch aufgebaut wurde –, ... Und ich glaube, dass die Botschaften des Bundespräsidenten zum einen in Richtung Türkei gingen, aber dadurch, dass eben die Einflüsse der Türkei hier auf die Innenpolitik sehr massiv sind, natürlich auch in Richtung Deutschland.

Wuttke: Und was sind für Sie die stärksten Passagen dieser Rede in Ankara?

Arslan: Ich glaube, zum einen den Zusammenhang herzustellen zwischen der Situation, auch den Einflüssen der Türkei auf die Integrationsarbeit, Integrationspolitik hier in Deutschland, zum anderen natürlich aber auch, die deutsch-türkischen Beziehungen als eine besondere Form der Zusammenarbeit zu sehen. Sie müssen ja wissen, dass gerade auch die Einflüsse beispielsweise über die Organisationen der Türkei hier auf die Muslime, auf die türkischen Muslime in Deutschland sehr massiv sind, und in der Vergangenheit hat Deutschland immer versäumt, auch diese Einflüsse der Türkei mit im Blick zu haben.

Wuttke: Abdullah Gül und Christian Wulff – ist das für Sie ein gutes Gespann?

Arslan: Ich glaube schon, dass sich da Zwei gefunden haben, und ich beobachte beide schon seit Längerem, ich glaube, dass beide auch vom Typ her Personen und Staatspräsidenten sind, die es gut geschafft haben, sich von ihrer parteipolitischen Arbeit auch ein Stück weit zu lösen und die Gesamtgesellschaft im Blick zu halten. Das wird insbesondere bei Gül in der Türkei in der Breite der Bevölkerung hoch angeschätzt, und ich bin mir sicher, das wird auch für Christian Wulff hier in Deutschland gelten.

Wuttke: Wie wichtig also war Ihrer Ansicht nach diese erste Rede eines deutschen Staatsoberhaupts vor dem türkischen Parlament?

Arslan: Ich denke, dass ... Die Möglichkeit, vor dem türkischen Parlament zu reden, das ist natürlich eine große Ehrerweisung auch der Türkei an Deutschland. Und deswegen war das sehr, sehr wichtig. Es ist in der Türkei aus kulturellen Gründen nicht ganz einfach, als ausländischer Gast auch Kritik zu üben, und ich glaube, dass das dem Bundespräsidenten aber sehr, sehr gut gelungen ist.

Wuttke: Aber die Tür zur EU öffnet sich durch den Bundespräsidenten Christian Wulff, das haben wir gestern gehört, keinen Spaltbreit weiter, es bleibt alles ergebnisoffen.

Arslan: Nein, aber wie soll es auch anders sein? Also wenn man verhandelt, kann man ja nicht verhandeln, wo das Ergebnis schon feststeht. Natürlich sind die Verhandlungen ergebnisoffen, das ist schon durch verschiedene auch politische Vertreter genannt worden. Nur was klar ist, dass im Rahmen dieses Verhandlungsprozesses natürlich auch die Beziehungen – unabhängig von der EU-Frage – intensiviert werden müssen. Und nur so kann auch in der EU-Frage auch das Zusammenwachsen schneller voran gehen.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch!

Arslan: Danke auch!

Wuttke: Schönen Tag!

Arslan: Ihnen auch! Tschüss.