Bühne

Der Theaterseemann

Zwei Segelboote fahren bei Wedel auf der Elbe.
Die Elbe bei Wedel: Auf einem Schiff wird hier Theater gespielt. © picture alliance / dpa
Von Claas Christophersen und Norbert Zeeb · 12.05.2014
Gebaut wurde die "Batavia" zu Kaisers Zeiten - seit über 25 Jahren wird hier Theater gespielt. "Käp'n" Hannes Grabau kaufte das Schiff und machte es zum Gesamtkunstwerk. Der 74-Jährige ist Ingenieur, Gastronom und Kulturmanager zugleich.
Möwengeschrei, Jazzmusik
"Moin, na?"
"Ja, was gibt's Neues?"
Hannes Grabau steigt vor der Anlegestelle der „Batavia" aus seinem Wagen, ringsum die flache grüne Weite des Elbe-Vorlandes.
"Das beste Deck, hier zu sitzen heute Abend, das Lidodeck, da. Wenn Sie da jetzt sitzen und ganz ruhig gucken, können Sie jetzt sehen, wer zum Beispiel am Dienstag zu Besuch kommt."
... doch erst einmal steht an diesem Montagabend Stand-up-Comedy auf dem Programm. Es ist noch ein bisschen Zeit bis zum Auftritt.
"Hereinspaziert."
Früher kamen Udo Lindeberg und Horst Janssen
Grabau macht Kaffee in der Kneipe auf dem Oberdeck. Drei Reihen Tische mit Resopalfläche - darauf frische Blumen und Kerzen -, einfache Holzstühle. Mit dem Kaffeebecher in der Hand geht Hannes Grabau zu einer Wand voller Fotos. Über dem wohl prominentesten „Batavia"-Fan, Udo Lindenberg, hängt eine Aufnahme des Malers Horst Janssen. Ein legendärer Trunkenbold mit vertrocknetem Hortensienkranz auf dem Kopf. In den Siebzigern war er Stammgast.
"Zum Schluss, leider, mussten wir ihm das „Batavia"-Verbot geben. Hat so viel Unfug hier getrieben, und das ging dann doch nicht mehr. Einmal hat er zum Beispiel sein Gebiss rausgenommen, und dann hat er das einem Hund eingesetzt, der keine Zähne mehr hatte. Und dann hatte der Hund seine Zähne total verschluckt, und dann haben sie die Zähne nicht mehr aus seinem Maul rausgekriegt und alles so 'ne Sachen, die sind hier immer gewesen." Lachen
Am anderen Ende der Kneipe gibt es eine kleine Bühne, für die „Jattser", wie Grabau sagt.
"Das ist auch ein Klavier. Das ist ein Schiffsklavier. Das ist von der 'Titanic', das ist ja das Einzige, das gerettet wurde von der 'Titanic', Möbelstück, und das war ja dies Klavier. Da saß ja der Koch drauf. Der Koch wurde ja dadurch gerettet, weil er sich auf das Klavier setzte. Die Musiker wollten ja nicht von Bord."
Klaviertöne.
"Ganz Paris träumt von der Liebe."
Die roten Sessel sind aus der Hamburger Staatsoper
Das Herzstück der Batavia befindet sich unter Deck: der Theatersaal mit 70 Sitzplätzen. Das rot gepolsterte Gestühl hat Grabau der Hamburger Staatsoper abgekauft, wo er in den sechziger Jahren als Raumgestalter gearbeitet hat. Mitnehmen durfte er natürlich auch die ehemaligen Ehrenlogen-Plätze.
"Da drüber standen immer kleine Messing... konnte ich natürlich nicht abschrauben, mitnehmen... Da, in diesem Sessel, dort hat der Kaiser von Äthiopien gesessen, Haile Selassie, und da Adenauer und de Gaulle. Da sagen die Leute: 'Ja, du kannst uns ja was erzählen, Hannes!' Ich sag: 'Du, in der Oper stand das drauf. Und das schwedische Königspaar war da!' Äh, ich hab ja nur sechs Sessel aus der Ehrenloge mitnehmen können, aber die Schilder, die sind noch alle da."
Das Schiff ist ein Gesamtkunstwerk von Hannes Grabau und seiner Familie. Ursprünglich war es ein Flusskanonenboot der kaiserlichen Marine. Als Grabau es erstand, war es eigentlich nur noch ein Haufen Rost. Der Hobby-Seemann machte es wieder schwimmfähig. Seit vierzig Jahren liegt die „Batavia" nun am Ufer der Wedeler Au, eines winzigen Elbe-Zuflusses...
Schiffsingenieur, Gastronom und Kulturmanager - und Schauspieler
"... und die Arbeit hört nicht auf. Und ich bin jeden Tag mit vollem Glück hier."
... vielleicht liegt das daran, dass Grabaus Tätigkeiten auf der „Batavia" so vielfältig sind: Er ist Schiffsingenieur, Gastronom und Kulturmanager, inszeniert mit Amateur-Schauspielern abendfüllende Theaterstücke, und manchmal steht er auch noch selbst auf der Bühne. In dem intimen Schiffs-Theatersaal müssen sich die Künstler wirklich bewähren.
"... nich, auf einer großen Bühne, wo alles weit weg ist, sondern die Verbindung zwischen dem Publikum und dem Künstler, das ist ja gerade das Wichtige, dass der Funke überspringt. Und ich sag immer zu allen: Wenn du Erfolg haben willst, musst du das in den ersten zwanzig bis vierzig Sekunden, muss der Funke überspringen, und sonst hast du's ganz schwer. Wenn du das Publikum schaffst, in dieser kurzen Zeit zu packen, dann hast du sie den ganzen Abend."
Wenig später sitzen knapp fünfzig Zuschauer im Saal und warten auf die Hamburger Comedians, die hier an diesem Abend auftreten werden. Doch bevor es losgeht, führt Grabau noch eine kleine Pantomime-Nummer auf. Er kramt hektisch in den Taschen seines Kapuzen-Pullovers, zieht schließlich ein Mobiltelefon hervor, schaltet es aus – und bedeutet seinen Gästen so auf charmante Weise, dass auch sie ihre Handys nicht angeschaltet lassen sollen.
Da er mittlerweile 74 Jahre alt ist, überlegt Hannes Grabau, ob er einen Förderverein ins Leben rufen soll, damit das Schiff, wenn er die Arbeit hier einmal nicht mehr machen kann, weiterbetrieben wird. Dabei könnte natürlich ein richtiger Seeräuberschatz helfen...
"Ich bin ja Seeräuber und Pirat gewesen. Und dann auch noch mit Störtebeker gehandelt, mit einem großen Klumpen Gold hab ich Störtebekers Erben hier die 'Batavia' abgekauft. Und die suchen ja seit Generationen und seit hunderten von Jahren suchen die ja den Schatz von Störtebeker, und ich denke mal, dass die den Schatz hier vergraben haben, hier auf dem Schiff, hier versteckt haben, in der Bilsch, und bewacht wird dieser Schatz, und zwar von Fritz der Bordratte und Paul dem Kielschwein, was hier unten auch lebt."