Bühne der Hoffnung

Von Ruth Kinet |
Nach zweijähriger Planung und Vorbereitung wird nun die erste Schauspielschule in den palästinensischen Gebieten eröffnet. Inhaltlich arbeitet die neue Einrichtung eng mit der Bochumer Folkwang Hochschule zusammen.
"Wer ist Ihrer Meinung nach treu und beständig in der Liebe? Etwa der Mann?", fragt Jeléna Popówa in Anton Tschechows Groteske "Der Bär". Jeléna Popówa kann darüber nur lachen. Tschechows Einakter spielt im 19. Jahrhundert, im Salon eines russischen Gutshofs. Wir aber sitzen im Herbst 2009 in einem schmucklosen, gefliesten Vorraum zur Bühne des Al-Kasaba Theaters in Ramallah.

Die Frau, die Tschechows Satz spricht, heißt Jasemin und ist 22. Vor wenigen Wochen ist sie in den ersten Ausbildungsjahrgang der Drama Academy Ramallah aufgenommen worden. Zusammen mit elf anderen Palästinensern.

Die Studenten können es kaum erwarten. Das Studium hat noch gar nicht begonnen, aber trotzdem treffen sie sich schon jeden Tag im Al-Kasaba Theater, sitzen zusammen, diskutieren, lachen, singen.

"Seit vielen Jahren schon träume ich von einer Schauspielschule in Palästina."

George Ibrahim leitet das Al-Kasaba Theater in Ramallah und übernimmt auch die Leitung der Drama Academy.

"Alle Schauspieler, die hier heute arbeiten, arbeiten vor allem mit ihrem Talent. Nur wenige hatten Gelegenheit, im Ausland zu studieren. Ich wollte diese Schule für diejenigen, die nach uns kommen. Sie sollen bekommen, was uns nicht vergönnt war: die Möglichkeit, Theater von Grund auf zu studieren."

George Ibrahim ist selbst Schauspieler und Regisseur. Heute ist er 64. Sein Leben lang hat er dafür gekämpft, unter den Bedingungen der israelischen Besatzung Kunst machen zu können. Seine Kunst:

"Natürlich kann sich ein palästinensischer Künstler nicht mit der israelischen Kultur identifizieren und nie ein Teil von ihr werden. Das israelische Theater setzt palästinensische Künstler als Stereotype ein. Wenn sie in einem Stück einen Araber brauchen, rufen sie einen an. Die palästinensischen Künstler haben die Nase voll davon."

Viele Jahre lang suchte George Ibrahim nach Partnern, die die Gründung einer palästinensischen Schauspielschule unterstützen. In Deutschland hat er sie schließlich gefunden. In Zusammenarbeit mit der Folkwang Hochschule hat er ein Curriculum für den dreijährigen Bachelor-Studiengang entwickelt. Die Mercator-Stiftung, die sich vor allem in der Förderung innovativer Bildungsprojekte engagiert, finanziert 70 Prozent des Budgets der Schule.

300.000 Euro gibt die Stiftung insgesamt in den kommenden drei Jahren. Lehrer aus der ganzen Westbank werden die 12 Schauspielschüler in Ramallah unter anderem in Stimmbildung, Textarbeit, Fechten und Akrobatik unterrichten. Auch die Schauspieltheorien von Konstantin Stanislawski und Michael Tschechow stehen auf dem Lehrplan.

"Wir werden hier nicht nur lernen, auf der Bühne zu stehen."

Amira ist 25. Ihre Augen leuchten, wenn sie über Theater spricht. Sie gehört zu den Auserwählten des ersten Jahrgangs der Drama Academy.

"Diese Hochschule bietet uns die Chance, so professionell zu werden, wie die Schauspieler in Europa oder anderen arabischen Ländern."

Durch die Gänge des Al-Kasaba Theaters weht in diesen Tagen ein kräftiger Hauch Hoffnung. Es ist die Hoffnung auf ein offenes Fenster zur Welt, auf eine lebendige kulturelle Szene und eine berufliche Zukunft in Palästina. Es geht hier weniger um den "Friedensprozess im Nahen Osten", von dem Politiker und Stiftungen in Europa so viel und gerne sprechen.

George Ibrahim: Wir sollten nicht naiv sein. Nichts wird uns aus unserer Isolation befreien. Nur die Politik und die Politiker, nur die Mächtigen können das. Theater ist Theater. Eine Schauspielschule ist eine Schauspielschule. Sie kann die Realität des palästinensischen Volkes nicht verändern. Aber sie kann bessere Künstler hervorbringen und bessere Menschen und zu einem besseren Verständnis des Theaters und des Lebens beitragen.