Bücher laden ohne Buchladen

Von Moritz Metz |
Elektronische Bücher und ihre "Reader" sind ein großer Trend auf der Frankfurter Buchmesse: Flache Geräte mit Schwarzweiß-Bildschirm, die nun auch bezahlbar werden sollen. Bedienungsqualität und das verfügbare Bücherangebot sind jedoch noch unausgegoren.
Nach dem Auspacken des gerade per Post eingetroffenen Kindle-eBook-Readers möchte man zuerst den Schutz-Aufkleber vom Bildschirm des Gerätes entfernen, der in gestochen scharfer Schrift die ersten Schritte zur Inbetriebnahme zeigt. Doch was aussieht wie ein bedruckter Bildschirmschutz, ist gar keiner - sondern der eBook-Bildschirm selbst.

Fast alle eBook-Lesegeräte basieren auf der Technologie des "elektronischen Papiers” mit seinen tausenden kleinen Kügelchen, die auf der einen Seite weiß, auf der anderen Seite schwarz gefärbt sind. Elektrische Impulse drehen die entsprechenden Pixelkügelchen in Sekundenschnelle, wenn eine neue Seite gezeigt werden soll. Weil diese ePaper-Bildschirme - anders als Handy- oder Laptop-Bildschirme - nicht selbst leuchten, ist ihr Schriftbild auch im hellen Sonnenschein lesbar, bei Dunkelheit wird aber eine Leselampe nötig. Wie bei echtem Papier eben.

Aber liest es sich damit genauso wie auf Papier? Der Blogger und Internet-Berater Sascha Lobo findet den Vergleich obsolet.

"Ich habe häufig versucht, auf eReadern zu lesen - und es ist mir nie ganz geglückt. Nicht in dem Sinn, dass es einen Lesegenuss darstellt. Es ist ein anderes Gefühl als ein Papierbuch. Und ich denke, da wird man sich früher oder später mit anfreunden müssen, dass das Lesegefühl auf Papier von einem eReader nie ersetzt werden kann. Das ist etwas anderes!"

Als Redakteur der Stiftung Warentest hat Michael Wolf ein Dutzend eBook-Lesegeräte getestet. Darunter auch das iPad und andere mit großem Bildschirm, die auch Dokumente im A4-Format angenehm darstellen. Fast alle Geräte beurteilte die Stiftung Warentest mit "gut”, nicht aber die darauf verfügbaren Buch-Angebote.

"Also insgesamt funktioniert diese Technik schon ganz gut, also man kann auf eBook-Readern Bücher lesen. Es gibt im Detail durchaus noch Macken, was also das Arbeitstempo angeht, auch die Displays könnten durchaus noch besser werden. Aber das Haupthindernis, denk ich mal, bevor es sich jetzt auf dem Massenmarkt durchsetzt, ist vor allem das Problem mit dem Kopierschutz, was die Sache einfach anstrengender macht - und einfach auch das geringe Angebot an elektronischen Büchern überhaupt."

"Nur wenige E-Book-Anbieter haben zurzeit mehr als 40.000 deutschsprachige Bücher im Programm, gedruckt gibt es mehr als 1,2 Millionen Titel”, bemängelt die Stiftung Warentest in ihrem aktuellen Test. Das Amazon Kindle bietet beispielsweise fast ausschließlich englische Titel - und wo es die vergleichsweise wenigen deutschen Titel zu kaufen gibt, rangieren deren Preise nahe an denen ihrer Papierausgabe. Buchpreisbindung für digitale Güter, eine dem Leser schwer zu vermittelnde Tatsache.

Ein weiteres Problem, so die Stiftung Warentest, ist oft der strenge Kopierschutz. Im Amazon-Shop gekaufte Bücher ließen sich zwar auch per Kindle-App auf dem iPhone oder dem heimischen Computer lesen, nicht aber auf Readern anderer Hersteller. So sei die Entscheidung für ein Gerät gleich die für ein ganzes Vertriebsystem - wenn man seine digitalen Bücher langfristig behalten möchte. Michael Wolf von der Stiftung Warentest:

"Das ist auch eine Neuheit dieser Technik, dass man sich entscheiden muss, welche Vertriebsplattform und welche technische Plattform man nutzen will. Das Problem ist dabei, die allermeisten Anbieter von deutschsprachigen eBooks benutzen das epub-Format mit einem Kopierschutzsystem von Adobe, nur zwei zumindest international ganz enscheidende Spieler auf dem Markt, nämlich Amazon und Apple, haben ihre ganz eigenen Kopierschutzsysteme, und als Nutzer stehe ich jetzt vor der Frage: Kaufe ich jetzt meine Bücher bei Apple, kaufe ich sie bei Amazon oder kaufe ich sie bei einem der anderen Anbieter - weil man die unterschiedlichen Bücher der Anbieter nicht auf einem Gerät darstellen kann."

Die Frankfurter Buchmesse ist der Startschuss für das eBook-Weihnachtsgeschäft. Mit Billig-eBook-Readern für 99 Euro und neuen, besseren Geräten unter 200 Euro erhoffen Buchhändler wie Amazon, Libri, Thalia oder auch die Aldi-Tochter Medion den Durchbruch in den lukrativen Massenmarkt. Manche Geräte erlauben per Mobilfunk ein weltweites Bücher-Laden, ganz ohne einen Buchladen zu betreten oder empfangen nachts ein aktuelles Zeitungsabonnement. Das Angebot ist jedoch noch schlank, manche Abos kosten mehr als die Papierausgabe.

Teure Lesegeräte , wenig Auswahl, zu viel Kopierschutz. Das ist seit Jahren der Stand im deutschen eBook-Markt. Ob günstigere, bessere eBook-Reader die Stagnation von alleine auflösen?

Vielleicht braucht es auch spannendere und mediengerechtere Inhalte. Die Berliner Autorin und Programmiererin Kathrin Passig hält die deutschen Verlage für zu zaghaft - eBook Reader brächten letztlich viel umfassendere Veränderungen mit sich.

"Wenn man die Buchbranche so hört, dann kriegt man das Gefühl dass es jetzt wirklich nur um das Thema geht, dass jetzt umgestellt wird von analogen auf digitale Bücher. Aber ich glaube, das greift viel zu kurz, es geht in Wirklichkeit um ein verändertes Leseverhalten, veränderte Lesesituationen, veränderte Lesegründe und vor allem: Buchkaufgründe, ein anderes Buchbesitzverhalten, das Bücherregal als Statussymbol ist am Verschwinden, ein anderes Buchverschenkverhalten, Bücher zum Verschenken machen 25 Prozent des gesamten Umsatzes in Deutschland aus, das sind alles Dinge, die werden in der Folge unter Beschuss geraten und da habe ich das Gefühl, dass es entweder niemand so richtig auf dem Schirm hat - oder es wird ängstlich verschwiegen in den Veröffentlichungen."

Interaktive Bücher mit Notiz-Spalte, in denen Leser online über Textstellen diskutieren oder Nachfragen an den Autoren stellen können, solche Möglichkeiten werden bisher zu wenig genutzt.

Für ganz normalen, linearen Buchkonsum bieten eBook-Lesegeräte heutzutage ein komfortables Lese-Erlebnis zu finanzierbaren Preisen, die Entwicklung ist jedoch noch längst nicht am Ende angelangt.
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