Buddeln und Laubsägearbeiten

Von Nino Ketschagmadse |
Mit seinen vielen unabhängigen Kindertheaterbühnen, die ihren Zuschauern ganzjährig ein abwechslungsreiches Programm bieten, gilt Nürnberg bundesweit als beispielhaft. Dazu kommt das europäische Festival "Panoptikum", das die Frankenmetropole regelmäßig gemeinsam mit Augsburg austrägt. Heute ist die fünfte Auflage zu Ende gegangen, gut zwanzig Theater aus dem In- und Ausland haben nicht nur den jüngsten Zuschauern ihre aktuellen Produktionen gezeigt.
In der Mitte des Saals steht ein langer schwarzer Tisch, zwei Männer mit Fliege und Krawatte haben an den jeweiligen Enden Platz genommen. Sie erzählen ein Märchen über einen Jungen, den seine Familie für dumm hält, aber auch über eine goldene Gans und eine traurige Prinzessin. Aus seinem Koffer zaubert der Ältere nach und nach diverse filigrane Holzfigürchen. Am Anfang scheint alles für einen kurzweiligen Märchenabend bereit - doch was passiert, wenn jeder der Herren glaubt, dass seine eigene Version der Geschichte die einzig richtige sei?

"Die goldene Gans" ist eine Produktion des Puppentheaters Halle. Die Erzähler Nils Dreschke und Uwe Steinbach korrigieren die Geschichte immer wieder, gehen wenig zimperlich miteinander um, schlagen sich gegenseitig Schnippchen ganz zur Freude ihrer kleinen wie großen Zuhörer. Und gleichzeitig erwecken die beiden Männer mit erstaunlicher Leichtigkeit Figuren, Schlösser und andere Laubsägearbeiten zum Leben. Auch deshalb sind sie gern gesehene Gäste des Europäischen Kindertheaterfestivals "Panoptikum", das heute in Nürnberg zu Ende gegangen ist.

Andrea Maria Erl: "Das Puppentheater Halle ist ein Theater, das extrem viel reist, weil sie einen extrem guten Ruf haben und sich sehr toll immer wieder neu mit Puppen und Figurentheater für Kinder auseinandersetzen."

Andrea Maria Erl ist die künstlerische Leiterin des Nürnberger Kindertheaters Mumpitz und damit auch die Organisatorin des Festivals, das seit dem Jahr 2000 nun zum fünften Mal stattfand. Die fränkische Metropole ist stolz auf die eigene Kindertheaterszene mit ihren insgesamt neun Bühnen. Die Mischung von ernsthaft bis verspielt und nicht nur die Quantität des Angebots ist dafür verantwortlich, dass die Stadt bundesweit als DIE Hochburg für Kindertheater gilt.

Angefangen hat alles in den 80er Jahren, als Nürnberg gezielt Kulturläden förderte. Im Unterschied zu vielen Bühnen für Erwachsene haben Spielstätten für die Kleinen überlebt. Und so präsentieren sie sich im Rahmen des auch in Augsburg ausgetragenen Festivals seit dem 13. Februar mit einigen ihrer beliebtesten Stücke.

Während sich das Programm im Südwesten Bayerns auf die regionale Theaterszene beschränkte, reisten an die Hauptspielorte in Nürnberg Kindertheatermacher aus neun europäischen Ländern - darunter Liechtenstein, die Niederlande, Kroatien, Schweden oder die Schweiz. Das Programm war nach Zielgruppen ab drei, sechs oder elf Jahren unterteilt, reichte inhaltlich von verspielt bis hin zu sozialen Themen, vom Einmannstück bis hin zur aufwändigen Produktion, vom Papiertheater bis zum Hörspiel...

Aus Belgien holten die Organisatoren zum Beispiel das Stück "Lawa - eine Bodenuntersuchung".

Andrea Maria Erl: "Das ist ein Outdoor-Draußen-Theater, wo Kinder in einer kleinen Gruppe in ein kleines Zelt mitgenommen werden und sie in ein Geheimnis der Unter-Erde-Welt eingeweiht werden, mit einer kleinen Kamera unter die Erde gegangen wird, und man guckt, ob es da ein neues, anderes Leben gibt. Das war schon die Suche nach neuen spannenderen Formen, anderen Formen, aber wir wollen natürlich auch die klassischen Formen, wie das Puppentheater, das Erzähltheater, das Tanztheater, das klassische Schauspieltheater anbieten, weil es immer wieder ein Punkt von uns ist, die Vielfalt, den Reichtum dieser Theatergattung zu zeigen."

Eine Mischung aus Clownerie, Pantomime und Varieté bot denn das schwedische Teater Tre mit dem äußerst lebendigen Stück "Sailor & Pekka", nach gleichnamigen Kinderbüchern seiner Heimat. Im Mittelpunkt: ein fröhlicher Seemann, der eines Tages beschließt, in die Stadt zu fahren, um sich einen neuen Pullover zu kaufen. Sein melancholischer Hund Pekka und die sing- und tanzwütige Nachbarin Frau Jackson begleiten ihn auf seinem Weg.

Ganz besonders schön anzusehen war auch eine Tanztheaterproduktion aus Holland: "Qué Pasa? (Was ist los?)". In einem mit Büchern vollgestopften Glashaus versuchen zwei Männer sehr abenteuerlich, Holzregale zusammenzubauen. In den Arbeitspausen werden auch mal Wörter hin und her übersetzt.

"Flickje"
"Flickje? Bastille!"
"Schokoladenplätzchen!"
"Schokoladenplätzchen?! Paella?"
"Bratkartoffel"
"Paella valenciansich Reisgericht. Bratkartoffel!"
"Du sagtest brasilianisch?"
"Valencianio!"

Während die Kinder und ihre erwachsenen Begleiter beim fünftägigen Panoptikum-Programm die Qual der Wahl hatten, welches Stück sie sich als nächstes ansehen, diskutierten Fachleute im Rahmen des Begleitsymposiums über das Zusammenspiel von Theater und Theaterpädagogik.