Budapester Szigetfestival

Eine Insel der Freiheit

Besucher des Sziget haben sichtlich Spaß.
Besucher des Sziget haben sichtlich Spaß. © picture alliance / dpa / Janos Marjai
Von Jörg Taszman · 16.08.2015
Das Budapester Szigetfestival gilt als "Insel der Freiheit" im Lande des Viktor Orbáns. Als Überraschungscoup gab es in diesem Jahr einen Auftritt der russischen Punk-Band Pussy Riot.
Sziget, das steht in erster Linie für Party und Musik. Jeden Sommer wieder treffen sich täglich weit über 50.000 Niederländer Franzosen, Italiener, Spanier, Deutsche mit etwa gleich so vielen Ungarn, Tschechen, Ukrainern und Russen. Wenn dann die deutsche La Brass Banda aus Bayern dem internationalen Publikum einheizt, findet auch so etwas wie Völkerverständigung ohne die große Politik statt.
Den Sziget-Machern gelingt dabei immer wieder der Spagat, ganz unterschiedliche Musikstile zu verbinden. Nachdem zu Beginn der Headliner Robbie Williams etwa 80.000 Besucher anzog, gehörte vor allem das Konzert von Florence and the Machine zu den Highlights. Das überraschte auch András Berta, der für die internationalen Kontakte beim Festival zuständig ist:
"Den größten Erfolg feierte natürlich Robbie Williams, aber auch Florence and the Machine kamen hier sehr gut an. Das freut uns sehr, weil Florence and the Machine in Ungarn keine Stars sind so wie in Westeuropa. Und doch kamen sehr viele Ungarn zu ihrem Auftritt. Das ist ja auch unsere Mission. Wir wollen ein Türöffner sein für die Bands. Nicht nur für Ungarn, sondern auch für die Nachbarländer aus Osteuropa. Diese Rolle nehmen wir sehr ernst."
Es ist nicht nur die musikalische Vielfalt, die Sziget immer noch so einmalig in der Open Air Festivalsaison macht. Obwohl es weit mehr Konkurrenz und Festivals in den Nachbarländern gibt, bricht Sziget seit dem Vorjahr alle Rekorde. Warum das so ist, erklärt Christian Holl Buhl, der aus Dänemark stammende Geschäftsführer der Hamburger Musikagentur Factory92, die Sziget in Deutschland vermarktet:
"Sziget ist ein Wald und ein Abenteuer. Du hast überall merkwürdige Kunstinstallationen in den Bäumen, kleine merkwürdige Koffer, die Sofas sind, wo man sich verstecken kann. Art-Zonen, Zirkus und so weiter. Man sieht es ja auch nicht in Skandinavien oder Deutschland, dass es erlaubt ist, zu campen hinter der Hauptbühne. Das würde auch nicht erlaubt sein. Das gibt auch Entspannung rein. Alle sind ja auch zu Gast und weil es so viele Gäste gibt, gibt es auch ein kollektives Bewusstsein, dass man Respekt zeigt. Ich finde es auch sehr freundlich vergleichsweise, obwohl die Leute auch Party machen."
Medienwirksamer Auftritt der russischen Band Pussy Riot
Zu Party und Spaß gehören aber nicht nur Bands aus Amerika oder England. Man holt ganz bewusst auch Popbands wie Balthazar aus Belgien. Begibt man sich tagsüber von der Wohlfühlinsel in die Innenstadt sieht man viele Realitäten. Die aggressive Politik Viktor Orbáns gegen die sogenannten "illegalen Einwanderer" füllt das Sommerloch in Ungarns staatlich kontrollierter rechten Presse.
Mitten in Budapest am Keleti Bahnhof hat man eine Transitzone eingerichtet, wo viele Gestrandete aus Syrien und Afghanistan meist unter freiem Himmel campieren. Aber es gibt auch Ungarn und NGOs, die helfen und die immer noch existierende freie Presse berichtet differenzierter über die Not der Transitflüchtlinge.
Überraschungsgast beim Budapester Szigetfestival: die russische Punk-Band Pussy Riot.
Überraschungsgast beim Budapester Szigetfestival: die russische Punk-Band Pussy Riot.© picture alliance / dpa / Balazs Mohai
Einen medienwirksamen Auftritt hatte die Band Pussy Riot. Neben Nadja Tolochonnikowa und Mascha Aljochina warnte vor allem das männliche Pussy Riot-Mitglied Pjotr Wersilow vor einer neuen russisch-ungarischen Freundschaft.
Eine Insel der Freiheit
Alle, die sich in Ungarn politisch engagieren, sollten auch Putins Politik aktiv verfolgen, da er Viktor Orbán ja als Vorbild diene, meinte Pjotr in fließendem Englisch. Nadja stellte dann eine Frage, die ihr keiner in Ungarn beantwortet. Warum wählen auch Mädchen ultrarechte Männerparteien wie Jobbik.
Der Pussy-Riot-Auftritt war ein Überraschungscoup der Veranstalter. Leider kamen viel mehr Journalisten als Sziget-Besucher in das Magic Mirror Zelt. Es war dort viel zu heiß und die Akustik mangelhaft.
Es ist schön, dass Sziget so erfolgreich ist, aber auch das beste Festival kann nicht immer nur wachsen. Nächstes Jahr sollte darauf geachtet werden, mehr Abstand zwischen den Bühnen zu lassen, damit die Musik uneingeschränkt hör- und genießbar bleibt. Den meisten Szitizens wie sie liebevoll genannt werden, scheint das bisher egal zu sein. Die Stimmung war jedenfalls großartig. Budapest bleibt im Sommer bei allen Widersprüchen eine Insel der Freiheit für Besucher aus Ost und West.
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