Buchmesse

Großes Hallo

Ein Schild mit der Aufschrift "Frankfurter Hof" hält Hotelpage Alexander Vorderwisch am 21.5.2003 vor dem zur Steigenberger Hotels AG gehörendem Frankfurter Luxushotel hoch.
Eingangshalle, Flure, Treppenhäuser des Hotels dienen eine Woche lang als Treffpunkt der Büchermenschen. © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Ludger Fittkau  · 08.10.2014
Im prächtigen Hotel Frankfurter Hof geben sich Verleger, Autoren und Literaturagenten während der Messe ein Stelldichein. In der "Autorenbar" und in den Gängen werden Buchgeschäfte gemacht. Die Hotelmanagerin hütet wie jedes Jahr ein Geheimnis.
Menschentrauben gestern Abend schon auf dem Bürgersteig vor dem Frankfurter Hof. Lautstarke Gespräche in vielen Weltsprachen. Zu spüren ist schon am Eingang und auf der bereits ziemlich herbstkühlen Terrasse des prächtigen Hotels aus dem 19. Jahrhundert die Freude der Autoren, Literaturagenten und Autoren, die Kollegen aus der Branche nach einem Jahr wiederzutreffen.
"Hier trifft man die Kollegen und Freunde, die man über die Jahre gewonnen hat. Die trifft man hier dann hier zum ersten Mal für die nächsten fünf Tage. Und das ist dann immer ein großes Hallo und sehr schön. Also ich komme immer gerne hier dienstags her."
Extremer Konditionstest
Doch zum reinen Vergnügen ist Annette Weber gemeinsam mit ihrem Kollegen Steffen Hasselbach am Eröffnungsabend der Buchmesse nicht im Frankfurter Hof. Im Gegenteil. An diesem Abend beginnt für die beiden Lektoren des Münchener Verlages Droemer Knaur ein regelrechter Marathon. Ein extremer Konditionstest bestehend aus Einkaufgesprächen für Krimis und historische Romane, der erst am kommenden Wochenende endet. Jedes Gespräch mit Literaturagenten aus aller Welt dauert 30 Minuten:
Weber: "Ich glaube ich habe irgendwas zwischen 30 und 40."
Hasselbach:"Ich glaube, es werden so 60, 70 oder 75 sein bis zum Ende. Und es sind dann tatsächlich diese 30 Minuten Taktung. Komischerweise ohne Übergangszeit, wie geplant in der Regel. Das heißt, Übergangszeiten fallen da schon unter den Tisch. Trotzdem erstaunlich, wie selten ein Termin ausfällt. Also irgendwie schafft man es dann doch, in diesen Legebatterien nachher, gerade auch in den Messehallen, zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein."
Zwei Tage früher, noch herrscht Ruhe im "Frankfurter Hof. Nadine Menzl, Mitarbeiterin des Hotelmanagements, steigt eine breite Treppe bis zum ersten Absatz hinauf:
"Fünf Stockwerke. Zwei Meter breite Treppe, würde ich schätzen oder vielleicht sogar ein bisschen breiter. Und hier finden sie dann die Herrschaften in ihren Gesprächen. Da werden dann auch schon mal Stühle aus den Fluren entwendet oder aus den Zimmern rausgeräumt, da werden kleine Grüppchen in den Fluren zusammengestellt, da wird eine gute Flasche Rotwein geteilt und dabei werden die Geschäfte besprochen."
Wolfgang Paar: "Ich habe schon die seltsamsten Ecken gesehen, wo Gäste saßen und ich dachte: Hallo, da habe ich bisher ja noch nie jemanden gesehen. Genauso ist es, da werden die Geschäfte gemacht."
"Inneres Leuchten"
Wolfram Paar ist sein fast drei Jahrzehnten Concierge im dem verwinkelten Hotel mit mehr als 300 Zimmern. Die Buchmesse sorge beim Hotelpersonal für eine Hochstimmung wie bei keinem anderen Ereignis, das im Laufe eines Jahres im Frankfurter Hof stattfindet. Das versichert der Concierge in der "Autorenbar":
"Ja, es ist so ein inneres Leuchten, man fühlt sich sehr, sehr wohl an dieser Buchmesse."
Barbara Hecker: "Das ist so. Schwer zu beschreiben. Aber jeder läuft auf Hochtouren. Es ist schwer zu beschreiben. Keine Messe ruft so etwas hervor wie die Buchmesse."
Who's who im Hotel
Barbara Hecker ist sei seit 16 Jahren "die Telefonzentrale" des Hotels. So beschreibt sie ihr Arbeitsfeld. Doch für die Buchmesse wird Barbara Hecker selbst zur Autorin: Sie hat ein eigenhändig gebundenes Buch mit mehr als 100 Seiten zum Gespräch auf dem bequemen Sofa der "Autorenbar" mitgebracht. Barbara Hecker blättert dieses selbstgefertigte Buch schnell durch: Es besteht aus Texten und Fotos zu den Gästen, die im Jahr 2010 während der Buchmesse im Frankfurter Hof logierten. Joachim Gauck war darunter, auch Wolf Biermann. Zu genau soll die Öffentlichkeit jedoch nicht wissen, wer hier zu Gast war. Diskretion geht über alles:
"Das ist ja kein aktuelles Buch, das Aktuelle könnte ich ihnen nicht zeigen. Denn wir sprechen natürlich nicht darüber, wer da wohnt."
Ihr Buch mit den Bücherfreunden, die in diesem Jahr während der Buchmesse hier übernachten, verteilt Barbara Hecker in größerer Auflage in jeder Abteilung des Hotels. Das Personal soll im Gegensatz zur Presse schon wissen, wer da ist - vor allem aus der Verlagsbranche. Möglicherweise befinden sich auch Porträts der Lektoren Steffen Hasselbach und Annette Weber in diesem geheimen Buch. Sie würden sich sicher darüber freuen, denn für sie ist der Frankfurter Hof das Herzstück der Buchmesse:
"Ja, das hat natürlich Tradition. Auch die Bar dann am Abend ist ja stark bevölkert, wo sich dann auch Autoren einfinden, alle Verlagsvertreter, Agenturen und so weiter. Und mit jedem Jahr kommt ein Stück Tradition dazu. Und das zeichnet den Ort auch irgendwo aus. Schwer vorstellbar, dass die ganzen Geschichten, die hier geschrieben wurde, dass man das so umheben könnte an einen anderen Ort."
100 Bücher in vier Wochen lesen
Die Geschichten, die die Lektoren von Droemer Knaur in diesem Jahr im Frankfurter Hof zum Verkauf angeboten bekommen, müssen sie alle lesen – unmittelbar nach dem Ende der Buchmesse am kommenden Wochenende:
"Uns erreichen dann ja Hunderte von Manuskripten und statistisch gesehen liest jeder Deutsche im Jahr – ich weiß gar nicht – sagen wir sieben Bücher. Da kann man sich vorstellen, was es bedeutet, wenn jeder von uns in den nächsten vier Wochen an die hundert Bücher durchlesen muss. Also das ist schon eine Herausforderung. Wenn man Glück hat, kriegt man eine Grippe, das passiert vielen gleich nach der Messe, dann kann man das zu Hause tun im Bett, bei einem schönen Tee."
Mehr zum Thema