Bt - riskanter als vermutet

Von Udo Pollmer · 16.12.2006
Hinter dem Kürzel Bt verbirgt sich ein populäres und gemeinhin als völlig harmlos angesehenes Pestizid. Bt steht für Bazillus thuringiensis. Diese Bazille tötet Insekten. Zu diesem Zweck bildet es einen Eiweißkristall, der den Darm jener Insekten durchlöchert, die es beim Fressen aufnehmen. Aus diesem Grund wird Bt gezüchtet, die Kristalle gewonnen und in großem Stil auf Nutzpflanzen - vor allem Gemüse und Obst, aber auch im Vorratsschutz - ausgebracht, um Schädlinge zu bekämpfen.
Da sich die Eiweißkristalle im Sonnenlicht in kurzer Zeit zersetzen, wird es in ökologischer Hinsicht als wesentlich besser eingestuft als chemische Mittel. Aus diesem Grund ist Bt auch für den biologischen Landbau zugelassen, ja ohne Bt-Präparate wäre er gar nicht möglich. Daneben wird das Mittel gleichermaßen von Hobbygärtnern geschätzt.

Aktueller Anlass
Eine dänische Forschergruppe kommt nach der Analyse von Obst und Gemüse auf Bt-Rückstände zu dem Ergebnis, das davon wohl doch Risiken ausgehen.

Zunächst: Das Pestizid wird - weil als harmlos angesehen - offenbar nicht immer sachgerecht verwendet. Eigentlich sollten Bt-Präparate keinerlei lebende Sporen mehr enthalten. Das ist aber offenbar nicht so. Davon zeugen die teilweise hohen Keimzahlen auf Obst und Gemüse. Dabei gäbe es eine zuverlässige Möglichkeit die Präparate vor der Anwendung von Sporen zu befreien: die Lebensmittelbestrahlung.

Zudem besaß fast die Hälfte der 50 identifizierten Bt-Stämme die Fähigkeit, hämolytisches und nichthämolytisches Enterotoxin sowie Cytotoxin K zu bilden - also Stoffe, die bekanntermaßen vom Lebensmittelvergifter Bacillus cereus produziert werden und von Durchfällen bis hin zum Tode führen können. Weil in der Vergangenheit bei den Untersuchungen gewöhnlich nicht zwischen B. cereus und seinem Verwandten B. thuringiensis unterschieden wird, ist davon auszugehen, dass Vergiftungsfälle durch Bt-Rückstände bis dato auf B. cereus zurückgeführt und damit unterschätzt wurden. Umso mehr, als gerade die kommerziellen Bt-Stämme das selbe Potenzial zur Enterotoxinbildung besitzen wie B. cereus.

Fazit der Autoren: "Since all commercial strains harbour genes for all of the three known enterotoxins ... there is a risk that high levels of these organisms may cause human disease", folgern die Autoren. Besonders hohe Mengen der verdächtigen Bt-Keime fanden sich auf Tomaten, Gurken, Paprika und Salat.

Nur die Spitze des Eisbergsalats
Bisher hieß es doch immer, der Keim sei nur für Insekten gefährlich? Das sagte man von den "alten", das heißt chemischen Insektenvernichtungsmitteln auch. Inzwischen weiß man aus Tierversuchen, dass manche Varianten des B. thuringiensis beispielsweise bei Immungeschwächten Mäusen heftige Infekte auslösen können. Bei Landwirten wurden beispielsweise Anzeichen für Allergien beobachtet.

Wie kann Bazillus thuringiensis die gleichen Effekte haben wie der Lebensmittelvergifter Bazillus cereus? Einfach deshalb, weil die beiden Keime ganz eng verwandt sind. Der nächste Verwandte der beiden ist der Erreger von Anthrax! Der Unterschied besteht nur darin, dass Anthrax ein Plasmid, also ein kleines Stück Geninformation mehr hat, als B. cereus oder B. thuringiensis. Wenn das Biopestizid dieses Teilchen im Rahmen einer allfälligen Mutation verliert - was bei Plasmiden völlig normal ist, haben wir Anthrax, also Milzbrand, eine Seuche, die Tier und Mensch töten kann. Da sieht man, wie nahe biologischer Landbau und biologische Waffen beieinander liegen können.

Fazit: Das ist brisanter als Vogelgrippe, Cumarin und Acrylamid zusammen genommen! Da es aber ein "gutes" Pestizid betrifft, schweigen die Experten betreten... Ich persönlich werde mir weiter mein Gemüse kaufen, egal ob Bio oder nicht - aber es ist notwendig, dass sich die Fachwelt dieser Risiken annimmt und sie nicht aufgrund politischer Vorgaben leugnet oder in Hinblick auf den scharfen Wind des Zeitgeistes opfert und schweigt. Es zeigt uns auch, dass Risiken, die in den Medien aufgeblasen werden, manchmal den Effekt haben, dass reale Gefahren nicht mehr gesehen werden.