BSE - dem Erreger auf der Spur

Eine neue Entdeckung. Eine amerikanische Wissenschaftlerin hat erstmals im Hirn von BSE-kranken Rindern virusähnliche Körper entdeckt und fotografiert, die hochgradig infektiös sind. Die Veröffentlichung erfolgt in Kürze in der Fachpresse. (Manuelidis L: A 25 nm virion is the likely cause of transmissible spongiform encephalopathies. Journal of Cell Biochemistry). Damit gerät eine der umstrittensten und dubiosesten Theorien auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten ins Abseits.
Hintergrund: Hinter den Kulissen wird seit vielen Jahren erbittert über das infektiöse Prinzip gestritten: Sind Viren schuld oder Prionen? Die Frage ist deshalb von praktischer Bedeutung, weil man Viren ein wenig anders bekämpfen muss als irgendwelche Eiweiße. Das ist sowohl bei der Verhinderung einer Übertragung wichtig als auch entscheidend für die Therapie von Krankheiten wie Creutzfeld-Jacob.

Bei den geheimnisvollen Prionen handelt es sich nach der nobelpreisgekürten Theorie von Stanley B. Prusiner um Eiweißpartikel, die nach einer Änderung ihrer Struktur "infektiös" werden und "gesunde" Prionen dazu veranlassen, sich ebenfalls umzufalten. Diese Veränderung mache sie unbrauchbar und zerstöre letztlich die Nerven.

Prionen sind völlig normale Bestandteile des Gehirns. Sie kommen in vielen Lebewesen vor - von der Hefe über Fische bis zum Menschen. Derzeit wird über die Rolle der "gesunden" Prionen noch spekuliert. Nach den vorliegenden Ergebnissen sind sie sowohl für einen geregelten Schlaf, fürs Langzeit-Gedächtnis sowie das Immunsystem notwendig.

Argumente für die Prionentheorie
- Für die Prionentheorie spricht die extreme Widerstandsfähigkeit der Erreger von BSE, Scrapie oder Creutzfeld-Jacob - gegenüber Enzymen, Strahlen oder Hitze. Problem: alle diese Eigenschaften sind auch von Viren bekannt, insbesondere von den Slow Viruses, also Viren des Nervensystems, die sich lange Zeit lassen, bis sie "zuschlagen".

- Es heißt, man habe bisher auch mit den empfindlichsten Methoden keine Viren gefunden. Doch auch das beweist herzlich wenig. Empfindliche Methoden wie die PCR setzen voraus, dass man das Virus bereits kennt. Solange das Virus nicht identifiziert ist, gibt’s auch mit "empfindlichen Methoden" nichts zu entdecken. Außerdem tarnt sich der Erreger mit Cholesterin und ähnlichem.

- Für die Prionentheorie spricht weiter, dass Tiere, denen man das Gen zur Prionenbildung entfernt hat, nicht am "Wahnsinn" erkranken. Doch das will nicht allzu viel heißen. Aufgrund seiner biochemischen Eigenschaften handelt es sich bei den Prionen um eine Andockstelle für das Virus.

- Als "ultimativer" Beweis galt ein Experiment Prusiners. Dabei stellte er auf gentechnischem Wege Prionen her, mit denen er dann bei Mäusen eine spongiforme Enzephalopathie hervorrief. Kritiker spotteten, dies sei kein Wunder, schließlich habe er als Ausgangsmaterial infiziertes Mäusehirn verwendet. Zudem war die Wirkung seiner Gentec-Prionen verschwindend gering im Vergleich zu echtem infektiösen Material. So mehrte das zunächst viel bejubelte Experiment schließlich die Zweifel an seiner These.

Belege für die Viren- bzw. Virionentheorie (die hat ursprünglich ein deutscher Wissenschaftler am Bundesgesundheitsamt vor vielen Jahren aufgestellt)
Viele Merkmale spongiformer Encephalopathien sind typisch für Viren. So kann Scrapie im Tierversuch mit Medikamenten verhindert werden, die die Vermehrung von Viren bremsen.
Infiziert man Mäuse im Labor, dann werden alle krank, aber nur ein Teil entwickelt krankhaft veränderte Prionen. Wenn es die Krankheit auch ohne krankhafte Prionen gibt, dann ist die Prionen-Theorie nur heiße Luft.

Wenn man infiziertes Gehirn über mehrere Generationen von Mäusen überimpft, findet man bei allen Tieren auch krankhafte Prionen. Folglich sind die Prionen eine Anpassung des Körpers an den bisher unbekannten Erreger.

Lösung: Inzwischen stieß die Arbeitsgruppe von Laura Manuelidis (Yale Medical School, New Haven, USA) bei der Suche nach dem Erreger auf ein interessantes Fundstück. (Schon lange geistern allerlei mehr oder weniger bekannte Keime als "BSE-Erreger" durch die Fachpresse. Doch bisher ließen sich die Resultate nicht bestätigen.) Es hat gute Chancen, als Auslöser von BSE in die Geschichte einzugehen. Ihr Extrakt enthält im Gegensatz zu Prusiners Experiment keine Prionen und ist aber dafür hochinfektiös. Es handelt sich um Partikel mit einem Durchmesser von etwa 30 Nanometern. Darin hätte ein virales Genom hinreichend Platz. Wir dürfen gespannt sein.

Folge: Wenn ein Infektionserreger die Ursache ist, lässt sich endlich erklären, warum die Krankheit in freier Wildbahn zum Beispiel bei Hirschen recht häufig vorkommt. Denn die kriegen kein Tiermehl zu fressen. Dann müssen wir uns wohl nach Zecken und Blutsaugenden Milben umsehen. Dies könnte auch die Ursache dafür sein, dass an BSE in Deutschland vorzugsweise Rinder aus Freilandhaltung betroffen waren, aber kaum Tiere aus der Massentierhaltung. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen lassen, besteht auch Hoffung Krankheiten wie Creutzfeldt-Jacob behandeln zu können.