Brutal blutrünstig, aber routiniert

Von Christoph Leibold · 05.07.2013
Regisseur Christian Stückl hat sich Moses vorgenommen. Und weil er zu dieser biblischen Figur keine taugliche Romanvorlage fand, beauftragte er den deutsch-türkischen Schriftsteller Feridun Zaimoglu und dessen Kompagnon Günter Senkel, ein Moses-Stück für die Bühne in Oberammergau zu schreiben.
Der brennende Dornbusch ist in der "Moses"-Uraufführung von Christian Stückl ein Flammenkreis, der rings um die runde Plattform emporzüngelt, die Ausstatter Stefan Hageneiner auf die riesige Cinemascope-Bühne des Oberammergauer Passionstheaters gebaut hat, um ihr so ein Zentrum zu geben. Flankiert wird sie von zwei enormen Bildtafeln, die ein wüstenkarg zerklüftetes Felsengebirge in glutrotem Abendlicht zeigen. Äußeres Abbild der inneren Seelenlandschaft dieses Moses‘, der in Oberammergau – mit Zornesfuror gespielt vom erfahrenen Passionsspieler Carsten Lück – ein Hitzkopf ist, der sich zerreibt zwischen den Forderungen seines anspruchsvollen Gottes und den Zweifeln seines Volkes.

Feridun Zaimoglu und Günter Senkel haben ihm und seinen Israeliten eine Sprache gegeben, die – durchaus mit Erfolg – biblischen Duktus imitiert. Keine Kraftmeiereien also, keine Verbalzoten, die das Autoren-Duo ja durchaus auch im Repertoire hat. Dafür geht es auf der Handlungseben heftig zur Sache. Zaimoglu und Senkel haben nicht nur die Bibel als Quelle genutzt, sondern sich auch bei jüdischen Legenden bedient, die den Plot um etliche Episoden ergänzen, die teils so brutal blutrünstig sind, dass das als so grausam geltende Alte Testament dagegen wie eine Sammlung harmloser Gutenachtgeschichten wirkt. Auch Moses tritt auf der Oberammergauer Passionsbühne wiederholt als Schlächter auf, der in Raserei Menschen niedermetzelt, die sich seiner Mission in den Weg stellen. Schwer zu sagen, wie weit dieser "Moses unchained" eine bewusste Schöpfung ist im Dienste einer Interpretation, die die Figur als religiösen Fanatiker liest. Oder ob nicht schlicht auch die eigene Lust am Blutrausch mit dem Autoren-Duo beim Schreiben durchgegangen ist.

Die Inszenierung von Christian Stückl geht einigermaßen diskret mit den Gewaltszenen um. Bühnenblut ist hier nur ein Mittel von vielen, um Eindruck zu machen. Die große Passionsbühne verlangt nach Spektakel. Also kommt wiederholt Pyrotechnik zum Einsatz, ägyptische Heerscharen marschieren auf, die Israeliten drängen herein – Stückl versteht es trefflich, solche Hundertschaften zu choreografiere – und aus dem Orchestergraben dringt monumental die eigens von Markus Zwink komponierte sandalenfilmtaugliche Musik.

Kurzum: Das alles ist so eindrucksvoll und professionell wie von Christian Stückls Oberammergauer Arbeiten längst gewohnt und im Laientheater sonst kaum wo zu finden, hat aber inzwischen auch etwas Routiniertes. Daran vermochte auch Feridun Zaimoglu nichts zu ändern.

"Mehr Ringparabel geht kaum", hat Christian Stückl treffend über die Konstellation gesagt, dass ein katholisches Dorf ein Stück über einen jüdischen Propheten spielt, das ein Autor mit muslimischen Wurzeln geschrieben hat. Das ist zweifelsohne bemerkenswert, hat die Auseinandersetzung mit dem biblischen Stoff letztlich aber doch nur begrenzt befeuert. Weshalb der Funke trotz brennendem Dornbusch und anderen Brandherden nicht wirklich überspringen wollte.
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