Brückentage in Dresden

Von Daniela Kahls |
Es sieht so aus, als wäre im Streit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke das letzte Wort gesprochen: Das Oberverwaltungsgericht hat angeordnet, dass die Stadt einem Bürgerentscheid Folge leisten und unverzüglich die Bauaufträge für die neue Elbbrücke vergeben muss. Doch viele Bürger haben sich inzwischen anders entschieden, weil mit dem Brückenbau der UNESCO-Titel "Weltkulturerbe" in Gefahr ist.
Der Himmel ist grau, und es pfeift ein eisiger Wind über die Elbwiesen. Die rund 400 Dresdner, die hier, wo bald die neue Waldschlösschenbrücke gebaut werden soll, eng beieinander stehen, sind wirklich aus Überzeugung gekommen. Ja, zum Teil sogar aus Wut. Wie diese rund 50-jährige Frau im eleganten schwarzen Mantel. Sie würde sich notfalls sogar vor die Bagger auf die Erde schmeißen, meint sie, während der Wind ihr zerzaust:

"Es ist Zeit jetzt radikal zu werden. Wir haben so lange geredet, jetzt hilft nur noch das. Soll die Polizei doch kommen und mich wegholen, vielleicht kommen ja noch mehr, die sich vor die Bagger setzen."

Keiner hier kann verstehen, dass einige Politiker, wie beispielsweise Sachsens Ministerpräsident Milbradt, den Titel Weltkulturerbe für abkömmlich halten. Auch der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist an diesem Sonntagnachmittag an die Elbe gekommen. Und Schorlemmer, der auch Mitglied in der deutschen UNESCO-Kommission ist, spart nicht an deutlichen Worten:

"Ja, das sind alles Betonköpfe. Vor allen Dingen, wenn ein Ministerpräsident sagt, darauf können wir verzichten, dann müssen die Dresdner sagen: Wir können auf ihn verzichten."

Das SPD-Mitglied Schorlemmer wird sichtbar erregt bei der Vorstellung, dass an dieser Stelle, wo er gerade steht, bald eine Betonbrücke die Landschaft zerschneiden soll. Auch wenn das vor zwei Jahren die Dresdner in einem Bürgerentscheid so entschieden hätten. Damals hätten sie jedoch noch nicht gewusst, was das für Konsequenzen habe:

"Das ist eine Betonmegalomalie von vorvorgestern. Das müssen wir dann ausbaden, dass so was dann da steht. Also ich muss sagen, ich kann mich richtig in die Empörung hineinreden, wenn ich mich vorstelle, dass so was dann hier steht."

Schorlemmer ist schnell umringt von Dresdnern, denen es sichtbar wohl tut, durch den Prominenten in ihrer Empörung unterstützt zu werden. Der Dresdner Kabarettist Olaf Böhme, der diese Protestaktion innerhalb von zwei Tagen mitorganisiert hat, versucht die Demonstranten auf dem Weg zu halten. Denn das Grünflächenamt der Stadt hat aus Naturschutzgründen das Betreten der Wiese verboten. Ein Fakt, der hier nur Hohn hervorruft.

Am Vormittag hat Böhme den Protesttag mit einer kleinen Ansprache im Kulturrathaus eröffnet:

"Im Grunde genommen geht es letztendlich nicht um den formalen Titel, sondern es geht um die Landschaft, für die der Titel verliehen wurde. Denn immerhin war es eine prominente Organisation der Weltstaatengemeinschaft, die gesagt hat, dass dieses Fleckchen Erde so besonders ist, dass es nicht nur dieser Stadt, sondern der Welt erhalten werden muss. Und um dem gerecht zu werden, sind wir heute hier."

Jetzt sei die Bürgerstadt gefragt, meint der Kabarettist Olaf Böhme. Die Dresdner müssten jetzt zeigen, dass sie den Welterbetitel nicht verlieren wollen. Und deshalb soll am nächsten Sonntag auch von den Elbwiesen aus eine Großdemonstration starten. Der Musiker Thomas Friedländer wird einer der Organisatoren sein:

"Natürlich hofft man immer auf die Einsicht der Verantwortlichen, aber es ist unser aller Land. Und wenn die Politiker falsche Entscheidungen treffen, wird das eben von uns korrigiert. Diese Blamage wird sich Dresden nicht leisten."

Der Kampfgeist scheint in Dresden wiedererwacht, kurz bevor die Bagger losrollen sollen. Und die Feindbilder sind am diesem heutigen Tage unter den Demonstranten schnell ausgemacht: die vehementen Brückenbefürworter innerhalb der CDU.

Sie kritisiert auch der Dresdner Autor Thomas Rosenlöcher:

"Goethe hätte von den retardierenden Dämonen der Geschichte gesprochen. Aber diese Dämonen haben Namen: Milbradt oder Vaatz. Nicht zum Teufel mit diesem Elbtal, sondern ich muss das Wort Deutschland aussprechen. Helft uns doch, bitte helft uns, es muss ein Sturm kommen, ihr dürft euch das nicht gefallen lassen, deutschlandweit."

Bundesweite Hilferufe, den Weg vor den sächsischen Verfassungsgerichtshof, und eine breite Protestbewegung aus der Dresdner Bevölkerung – das sind die Mittel, mit denen die Brückengegner versuchen wollen, den Welterbetitel doch noch zu erhalten.