Brücken bauen in Südafrika

Von Antje Borchers |
Noch heute schickt die evangelische Kirche Pfarrer und Pfarrerinnen aus Deutschland nach Südafrika. Dort sollen sie vor allem die rund um Johannesburg wohnenden Bundesbürger betreuen. Doch ihre Aufgaben reichen viel weiter - sie müssen verschiedene Kulturen verbinden und bei den aktuellen Problemen wie Aids und Kriminalität helfen und Stellung beziehen.
"Von mir speziell erwarten sie, dass ich Aufbauarbeit mache, also, dass ich es schaffe - oder versuche, die verschiedenen Kulturen, die sich in einer Gemeinde finden, und die Leute, die aus unterschiedlichem sozialen Hintergrund kommen, dass die wirklich zusammen bleiben. Also, wir haben ganz arme Leute, wir haben ganz, ganz reiche Leute in der Gemeinde - und das ist nicht immer ganz einfach, zusammen zu sein, wenn man aus so einer verschiedenen Erfahrungswelt kommt. Es wird erwartet, dass ich sozusagen Brücken baue und versuche, das theologisch und sozial zusammenzuhalten."

Hier in Südafrika ist jetzt Sommer. Die Pfarrerin Kornelia Schauf sitzt auf der Terrasse und macht bei einer Tasse Rooibostee eine kleine Pause vom Brückenbauen. Vor ihr liegt ein neues Jahr Gemeindearbeit mit vollen Kirchen am Sonntag:

"Wir sind nur 100 Familien. Das sind dann vielleicht so 300, 400 Mitglieder, und Sonntag sind wir aber 100 Leute im Gottesdienst. Während man in Deutschland ja manchmal 2000 registrierte Menschen hat und dann sind vielleicht 60, 70 Leute im Gottesdienst."

Die Gemeinde von Kornelia Schauf ist in Midrand. Die Stadt gehört zu Johannesburg und ist eine der schnellst wachsenden Städte Südafrikas, darum ist in der ursprünglich deutschen Gemeinde mittlerweile Englisch die Hauptsprache, und es gehören mehr Schwarze als Weiße zu ihr. Die überschaubare Größe der Gemeinden fördert die Verbundenheit und das Engagement.

"Wenn hier jemand stirbt, das ist nicht Sache der Pastorin, dass die sich nur darum kümmert, sondern die ganze Gemeinde macht das. Und das wird dann konkret so: Jemand sagt, es ist ein Trauerfall in der Familie, und dann gehen wir mindestens ein Mal vor der Beerdigung, wenn nicht zwei Mal zu der Familie nach Hause und feiern da einen Hausgottesdienst, und da kommen manchmal zehn, manchmal fünfzehn Leute mit. Dass zum Ausdruck gebracht wird, die Leute sind nicht allein, das ist der Gemeinde sehr, sehr wichtig."

Die Beerdigung dauert etwa vier Stunden, nicht nur die Pfarrerin redet, auch Familienangehörige des Toten, Freunde, Arbeitskollegen. Obwohl getrauert wird, wird auch gelacht.

"Wenn ein alter Mensch stirbt, wo man das Gefühl hat, dieser Mensch hat lange gelebt und hat ein gutes Leben gehabt und stirbt jetzt, dann ist es nicht nur traurig. Sondern dann freut man sich, dass dieser Mensch es geschafft hat, jetzt auch weiterzureisen. So wird das auch ausgedrückt. Der ist nicht nur tot, sondern der geht jetzt dahin, wo er wieder neu anfangen kann. Und das ist so tief im Bewusstsein, dass es nicht nur traurig ist."

In Südafrika sterben viele junge Menschen - an Aids. Kornelia Schauf nutzt ihre deutschen Kontakte darum auch, um lebensrettende Projekte zu entwickeln.

"Das Projekt heißt 'Kirche und Wirtschaft - zusammen gegen Aids'. Es ist ein deutsch-südafrikanisches Projekt, ziemlich einmalig. Es ist ein Projekt der Westfälischen Kirche, der Rheinischen Kirche und der Lippischen Landeskirche und die Idee war, dass man Kirche und Wirtschaft, die Beziehungen zusammen bringt, Synergie-Effekte schafft. Und wir haben angefangen zu gucken, wo gibt es in Nordrhein-Westfalen Firmen, die auch in Südafrika tätig sind, und dann haben wir versucht, durch die nordrhein-westfälischen Firmen, die wir kannten und angesprochen haben, hier Kontakte zu kriegen in Südafrika."

Mit dem Projekt gehen sie in die Firmen hinein und versuchen, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, damit sie an dem "Freiwilligen Test-und-Beratungs-Programm" teilnehmen. Menschen mit Aids werden in Südafrika noch immer stigmatisiert, darum ist es schwierig, offen zu sagen "Ich habe Aids". Viele wollen also gar nicht erst wissen, wie ihr Status ist: infiziert oder nicht? Obwohl so ein Test der erste Schritt wäre, um sich angemessen zu verhalten. Das Projekt "Kirche und Wirtschaft gegen Aids" bindet nun die Institutionen ein, wo die Menschen sind, nämlich auf der Arbeit und in der Kirchengemeinde.

"Mit dem Projekt sind wir sehr erfolgreich. Wir hatten eine Firma, da war drei Jahre lang eine Krankenschwester gewesen und sieben Leute von 800 hatten sich testen lassen, und wir waren mit unserem Projekt da. Und da haben sich 90 Prozent der Belegschaft testen lassen."

Ein Grund für den Erfolg hat mit der Kirche zu tun, denn die Projekt-Mitarbeitenden sind sehr engagiert.

"Die Art der Beratung, die wir anbieten, ist so gut, dass Leute sich danach testen lassen. Die Berater sind immer christliche Berater, die sozusagen aus den Kirchen kommen und gut mit Menschen umgehen können und schnell das Vertrauen gewinnen."

Ein anderes Thema, mit dem Südafrika immer wieder in Verbindung gebracht wird, ist die hohe Kriminalität, vor allem in den Städten.

"Die Statistiken sagen, dass in den letzten drei Jahren die Kriminalität gesunken ist. Man selber aber empfindet immer:Jede Geschichte, die du neu hörst, summiert sich zu den anderen Geschichten, die du schon kennst. Die Gewalt in den letzten fünf Jahren ist weniger geworden in dem Sinn, wenn zum Beispiel sonst Autos gestohlen wurden und man in dem Auto saß, wurde man eigentlich umgebracht. Das ist jetzt nicht mehr so. Meistens kommt man mit dem Leben davon, das ist ein Fortschritt. Hört sich vielleicht bisschen makaber an, aber es ist ein Fortschritt."

Von der Regierung wird die Kriminalität oft als Problem der Weißen bezeichnet. Und in den Medien wird gesagt: "Die können ja auswandern."

"Aber inzwischen ist eben auch eine Mehrheit der schwarzen Bevölkerung so, dass die sich offen beschweren, dass nicht genug gemacht wird von der Regierung. Und es kann nicht einfach ein Problem der Weißen sein. Es ist auch kein Problem der Weißen. Es sind nicht 'Schwarze, die Weiße überfallen', sondern meistens 'Arme, die Reiche überfallen'."

Immerhin: In der Kirche sitzen Arme und Reiche nebeneinander und reden miteinander. Aber natürlich gibt es Neid, und den thematisiert Kornelia Schauf, zum Beispiel in der Konfirmandengruppe, wenn einer das neueste Handymodell mitbringt.

"Wie kann man damit umgehen und wie kann man darüber reden, was ist nun wichtig im Leben und woher kommt das, dass der eine das hat, und der andere das nicht hat? Das sind manchmal schwierige Themen, aber es sind Themen, die man ansprechen kann. Je größer dann die Gruppe wird, ist es natürlich ein Sprengstoff in der Gesellschaft und es ist eine Frage, wie lange es gut geht."

Rund 80 Prozent der Menschen in Südafrika sind Christen - aber oft nur am Sonntag. Ein Problem für die Gesellschaft.

"Es gibt bei vielen eine Spaltung im Leben: Es gibt einen Sonntagsmenschen und einen Alltagsmenschen. Also, Glaube ist private Sache: Ich bete für ein spirituelles Gefühl und ein gutes spirituelles Erlebnis, aber dass das Auswirkungen haben sollte darauf, wie ich mich in der Wirtschaft verhalte und auf wirtschaftliche Gerechtigkeit, das sind Themen, die in den Kirchen ausgeblendet wurden bisher."

Kornelia Schauf sieht aber genau das als Aufgabe der Christen an: sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Darum hinterfragt sie das Verhalten der Leute.

"Ich versuche, das Thema überall reinzubringen: Also, Leute aufmerksam zu machen, im Konfirmandenunterricht zu fragen, Projekte zu machen, Kinder in die Townships zu bringen, zu gucken, woher kommt das. Fragen zu stellen, einfach: Fragen zu stellen! Und durch die Fragen entsteht eine neue Wahrnehmung und neues Bewusstsein dann auch."