Brücke zwischen Flamenco und Jazz

Die Klangsprache der Grenzgänger

Chicuello und Marco Mezquida
Chicuello (l) und Marco Mezquida © Carlos Moreno
Von Katrin Wilke · 20.06.2017
Die musikalische Allianz zwischen Jazz und Flamenco lebt weiter: unter anderem dank des Gitarristen Chicuelo und dem Pianisten Marco Mezquida. Der in der Szene gefragte Mezquida ist zudem in diversen Band-Konstellationen und auch solo unterwegs.
Mezquida: "Beim Aufnehmen befanden wir drei uns in jeweils verschiedenen Kabinen. Dabei sahen wir uns und spielten auch alle live miteinander. Richtig live mag es je nach Örtlichkeit energetischer, intensiver sein, aber ich denke, das Album hat seine sehr warmen, sehr entspannten, wie auch sehr kraftvollen Momente, in denen es den Zuhörer packt."
So wie vom Pianisten Marco Mezquida beschrieben, geschah es auch bei der Jazzahead in Bremen im April. Bei jenem Konzert auf der weltgrößten Jazzmesse sprang der Funke spürbar über. Es war die deutsche Feuertaufe dieses Projekts. Drei exzellente Instrumentalisten – neben Chicuelo und Mezquida der Perkussionist Paco de Mode – begegnen sich auf Augenhöhe, ohne Imponiergehabe, interagieren in entspannter, blinder Vertrautheit. Dabei machen sie noch nicht mal seit so langer Zeit gemeinsame Sache.
Chicuelo, Paco de Mode, Marco Mezquida (v.l.n.r.)
Chicuelo, Paco de Mode, Marco Mezquida (v.l.n.r.)© Carlos Moreno
Erstmals wirklich zusammengekommen – und offenbar einander auf Anhieb sympathisch waren der Flamenco-Gitarrist und der Pianist 2013 bei einem Konzert mit dem ebenfalls in Barcelona lebenden Jazz-Trompeter Raynald Colom, beim renommierten Jazzfestival im französischen Marciac, wo damals Paco de Lucía gleich nach ihnen auftrat. Nochmal zwei bis drei Konzertbegegnungen später kam dann in Sachen Chicuelo-Mezquida der entscheidende Verkupplungsimpuls vom Taller de Músics. An dieser geschichtsträchtigen Barcelonaer Musikschule, assoziiert mit Label, Club, und Management, sind beide Musiker auch als Dozenten tätig.
Chicuelo: "Es gibt ein menschliches und musikalisches Verständnis zwischen uns - ein globales, totales! Nicht, dass das so selbstverständlich wäre. Ich hab ein paar Jährchen auf dem Buckel und weiß: Nicht immer triffst du so angenehme Leute wie ihn, mit denen du dich identifizieren kannst – noch dazu musikalisch! Das ist nicht einfach!"

Grenzgänger des Flamencos

Der Flamencogitarrist Juan Gómez "Chicuelo" wurde 1968 nahe Barcelona geboren, fast zwanzig Jahre vor seinem aus Menorca stammenden Kollegen. Doch weder der Altersunterschied noch die nur teilweise deckungsgleichen Betätigungsfelder scheinen in irgendeiner Weise hinderlich zu sein für ihre Allianz. Beide biografisch im katalanischen Sprach- und Kulturraum verwurzelt, empfinden sie ihre Verbindung – darüber hinaus – eher als eine gesamtmediterrane. Von dort, vom Mittelmeer aus begeben sie sich – der eine mit dem Vokabular des Flamenco, der andere vom Jazz aus – seit langem recht erfolgreich in verschiedene musikalische Gefilde.
Chicuelo kollaborierte mit vielen namhaften, wie er grenzgängerischen Flamenco-Künstlern sowie Kollegen anderer Genres wie dem Liedermacher Joan Manuel Serrat. Zuletzt nahm er ein Album auf mit der Sängerin der Flamenco-HipHopband Ojos de Brujo und schrieb Musik für den Film Blancavieves. Der in der Szene ebenfalls sehr gefragte Marco Mezquida, ist in diversen Band-Konstellationen sowie solo unterwegs. Schon früh verlegte sich der Dreißigjährige auf den Jazz, wuchs aber auch mit Popmusik und heimischer Folklore auf.
Die spanische Gruppe Ojos de Brujo mit ihrer Sängerin Marina "La Canillas" Abad, (2005). 
Die spanische Gruppe Ojos de Brujo mit ihrer Sängerin Marina "La Canillas" Abad, (2005). © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Mezquida: "Das jetzt war praktisch meine Premiere in dieser Welt des Flamenco Obwohl es auch kein reiner, geschlossener Flamenco ist, es sind vielmehr Lieder, die alle einen Weg, eine Entwicklung haben. Unsere Arbeit war, es an nichts fehlen zu lassen zwischen uns dreien: an Perkussion, Gitarre und Piano. Nicht etwa einen Kontrabass oder Gesang vermissen zu lassen. Nein, wir drei schufen ein Ganzes und dies ist, wie denke, diese schöne Conexión. Ich hatte schon Flamenco-Sachen gehört. Mich hat tatsächlich stets der rhythmische und harmonische Herangehensweise fasziniert – spannend!
Conexión, das letzte Lied auf dem Album, ist das erste, das wir zusammen spielten. Ein Stück im Flamenco-Rhythmus der Bulería. Es zeigt etwas von der Intensität, die in unseren Soli liegen, auch denen von Paco - das Brodelnde unserer Trio-Verbindung. Conexión ist ja auch sowas wie das Leitmotiv des Albums."

Schwärmen in alle Musikrichtungen aus

Die sieben Instrumentalstücke des Albums nehmen sich Zeit, schwärmen in verschiedene Stilrichtungen und Stimmungen aus. Mal mehr gen Flamenco, mal stärker gen Jazz, zumeist irgendwo dazwischen. Man findet eine Klangsprache, die sich von vielen bisherigen Flamenco-Jazz-Produktionen unterscheidet. Es scheint und wird so auch hörbar: den Musikern ging es nicht vordergründig um ausgetüftelten Genre-Kreuzungen sondern um die Musikalisierung menschlicher Begegnung und damit verbundener Emotionen und Eindrücke. Ein Vergnügen, das – wie Chicuelo weiß - auch Arbeit macht – klar!
Chicuelo: "Ich lerne enorm viel dabei! Ich hab zwar schon viel gemacht, auch improvisiert, aber eben auf andere Art. Die Jazzer sind die wahren Meister der Improvisation. Wir Flamencos machen das anders. In diesem Falle schleiche ich mich ein wenig in Marcos Territorium, improvisiere ein wenig auf meine Art. Und er umgekehrt auch etwas in unser Terrain, was das Rhythmische und das Begleiten angeht. Man lernt viel dabei, weil man sich loslöst, sich - wie man bei uns sagt - in die Stierkampfarena traut, aufs Ganze geht - wo dir keiner helfen kann. Es ist ein Risiko und wenn du nicht vollends die Kenntnisse besitzt, musst du eben dafür arbeiten und reifen. Aber es ist sehr beglückend."
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