Broken-Heart-Syndrom

Wenn Gefühle das Herz krank machen

05:32 Minuten
Gebrochenes Herz
Das "gebrochene Herz" kann sich auch physisch bemerkbar machen. Nicht selten schweben Menschen dann in Lebensgefahr. © Unsplash / Kelly Sikkema
Jelena Templin-Ghadri im Gespräch mit Ute Welty · 30.03.2019
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Der Herzmuskel pumpt nicht mehr, die Herzwand wird starr: Mobbing, Stress oder der Tod einer geliebten Person gelten als Ursache des so genannten Broken-Heart-Syndroms. Kardiologin Jelena Templin-Ghadri sagt, in akuten Phasen kann es tödlich sein.
Ute Welty: Jemandem das Herz brechen, diese Umschreibung für Liebeskummer wirkt zugegeben etwas antiquiert, aber tatsächlich kann das Herz als Organ durch Stress Schaden nehmen, und zwar auch, wenn es durch ein freudiges Ereignis gestresst wird. Jelena Templin-Ghadri aus der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich hat mit ihrem Mann zusammen dazu geforscht, und sie hat untersucht, wie Emotionen, Gehirn und Herz zusammenhängen. Wie macht sich das Gebrochene-Herz-Syndrom bemerkbar?.
Jelena Templin-Ghadri: Beim sogenannten gebrochenen Herz, wir nennen es auch Tako-Tsubo-Syndrom, ist es so, dass die Patienten Herzschmerzen verspüren oder Luftnot und sich dann meistens in der Notaufnahme vorstellen. Und dort wird dann ein EKG geschrieben und auch Blutwerte abgenommen, und vom klinischen Erscheinungsbild sieht das genauso aus wie ein klassischer Herzinfarkt. Und dann werden diese Patienten einer Herzkatheter-Untersuchung zugeführt. Aber anders als beim Herzinfarkt ist eben kein Herzkranzgefäß verschlossen bei diesen Patienten, sondern es besteht eine akute Pumpfunktionsstörung und Wandbewegungsstörung des Herzmuskels.
Welty: Wie gefährlich kann ein GHS sein?
Templin-Ghadri: Das kann im akuten Fall sehr gefährlich sein – es kann bis zum Tod führen.
Welty: Wodurch kommt das dann, was ist daran so lebensgefährlich?
Templin-Ghadri: Es kommt zu einem Herzversagen, das Herz pumpt nicht mehr, das kann zu einem kardiogenen Schock führen, zu Herzrhythmusstörungen, und die Patienten können in akuten Phasen sogar versterben.

Ursache wird im Gehirm vermutet

Welty: Sie haben diesen anderen Namen schon angesprochen, der aus dem Japanischen kommt, nämlich Tako-Tsubo, das ist ein Krug mit kurzem Hals, der in Japan eben verwendet wird, um Tintenfische zu fangen. Was genau haben Sie bei Ihrer Forschung dazu herausgefunden?
Templin-Ghadri: Beim Tako-Tsubo-Syndrom ist es so, dass die Patienten meistens vorgängig ein emotionales Ereignis haben. Also zum Beispiel der Tod einer geliebten Person, der führt oft zu dieser Erkrankung, oder Mobbing am Arbeitsplatz. Und deshalb haben wir gedacht, dass eine Hirn-Herz-Assoziation besteht. Wir haben die Gehirne der Patienten untersucht mit funktioneller Magnetresonanztomografie und haben das verglichen zu gesunden Probanden. Und dabei zeigte sich, dass bei den Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom die Aktivität zwischen den Hirnregionen, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist, reduziert war.
Und wir haben speziell die Amygdala – also den Mandelkern – untersucht, den Hippocampus, den Gyrus cinguli, die sind für die Emotionskontrolle verantwortlich und für die Motivation, für das Gehirn und das Gedächtnis. Und hier zeigte sich eine reduzierte Funktion, ein reduziertes Zusammenspiel zwischen diesen Regionen des Gehirns. Und wir nehmen an, dass eben das Tako-Tsubo-Syndrom quasi vom Gehirn ausgeht.
Welty: Frauen sind viel häufiger betroffen als Männer, und vor allem Frauen zwischen 62 und 75 Jahren. Welche Erklärung kann es dafür geben?
Templin-Ghadri: Ja, das ist ganz schwierig zu sagen. Warum eben die älteren Frauen betroffen sind, das haben wir auch festgestellt, dass eben vordergründig postmenopausale Frauen betroffen sind, nur zehn Prozent sind ungefähr Männer. Dafür haben wir keine Erklärung bislang, wir nehmen aber an, dass Hormone eine Rolle bei der Erkrankung spielen, die weiblichen Hormone. Es ist allerdings so, dass nicht nur die weiblichen Hormone eine Rolle spielen, es gibt auch Patienten, die extrem jung sind. Sogar Babys können ein Tako-Tsubo bekommen oder auch eben Männer, sodass das nicht die einzige Erklärung ist.

Behandlung mit Herzinsuffizienz-Medikamenten

Welty: Was kann man tun, um all dem vorzubeugen, um sich das Herz eben nicht brechen zu lassen?
Templin-Ghadri: Das ist sehr, sehr schwierig. Also bislang weiß man nicht, wie man dieser Erkrankung vorbeugen kann. Bislang ist es so, dass das Tako-Tsubo-Syndrom behandelt wird, supportiv. Es gibt keine evidenzbasierte Therapieform. Man weiß aber während der akuten Phase, dass es lebensbedrohlich ist und, wie schon gesagt, mit einer ähnlichen Sterberate einhergeht wie beim Herzinfarkt und dass diese Patienten überwacht werden müssen und wie man vorbeugen kann. Da gibt es noch keine evidenzbasierte Therapieform. Vielleicht könnte man Stress vermeiden, das wäre vielleicht ein guter Ratschlag, aber wir können nicht sagen, wer ist der nächste Patient und wie man dem eben vorbeugen kann. Jeder geht ja auch mit Stress anders um – das, was für den einen Stress bedeutet, ist vielleicht für den anderen kein Stress.
Welty: Wenn es keine Therapie gibt, die man vorbeugend einsetzen kann, gibt es denn eine therapeutische Behandlung danach oder heilt ein gebrochenes Herz im Prinzip von alleine?
Templin-Ghadri: Ja, und zwar ist es so, dass in den meisten Fällen nach vier bis acht Wochen das Herz sich wieder erholt, dass es eben zu einer normalen Pumpfunktion kommt und dass auch die Wandbewegungsstörung sich wieder normalisiert. Meistens behandeln wir das Herz supportiv mit Herzinsuffizienz-Medikamenten, bis das Herz wieder stabil ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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