Annika Brockschmidt: "Die Brandstifter"
Treu ergeben: Trump-Fan in South Carolina. © IMAGO / SOPA Images / Sean Rayford
Trump fiel nicht vom Himmel
06:50 Minuten
Donald Trump beherrscht die Republikanische Partei fast nach Belieben. Wie konnte das passieren? Annika Brockschmidt zeigt in ihrem neuen Buch, dass die Radikalisierung der Republikaner lange vor Trump begann. Und der fand ein gemachtes Nest vor.
Der Afroamerikaner Jackie Robinson war entsetzt. Gerade hatte er den Nominierungsparteitag seiner Republikaner zur Präsidentenwahl 1964 miterlebt. Die Partei hatte den erzkonservativen Senator Barry Goldwater zum Kandidaten erhoben. Robinson notierte:
„Eine neue Sorte Republikaner hat die GOP übernommen. Sie will Amerikanern eine Doktrin verkaufen, die so alt ist wie die Menschheit selbst – die Doktrin von rassistischen Vorurteilen, die Doktrin von White Supremacy. Ich würde sagen, ich weiß jetzt, wie es sich anfühlte, ein Jude in Hitlers Deutschland zu sein.“
Die Partei hat Trump den Weg bereitet
Dies ist nur einer von unzähligen Belegen, die Annika Brockschmidt zusammenträgt für ihre These: Trump fiel nicht vom Himmel, die Partei hat ihm den Weg bereitet. Eingesetzt habe die Radikalisierung vor 90 Jahren – im Kampf gegen Roosevelts New Deal. Radikal-Konservative verbündeten sich mit Antikommunisten und Rassisten.
Eine Fehlkonstruktion des politischen Systems machte es ihnen leicht, schreibt Brockschmidt: „Die Radikalisierung kann einen nur überraschen, wenn man von der Prämisse ausgeht, dass die USA eine seit 250 Jahren funktionierende Demokratie sind. Sie war lange Zeit nur für weiße, christliche, Land besitzende Männer eine Demokratie."
Die religiöse Rechte lebt nicht christlich
Wobei das Christentum eine zwiespältige Rolle bei den Republikanern spielt. So lebt die religiöse Rechte nicht unbedingt christliche Kernbotschaften wie Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit. Und für Donald Trump und seine Anhänger ist Demut ein Fremdwort.
Annika Brockschmidt führt aus, dass die republikanische Parteiführung immer wieder versuchte, radikalisierte Bevölkerungsgruppen vor ihren Karren zu spannen. Sie glaubte, deren urwüchsige Kraft unter Kontrolle halten zu können.
Aber das spülte immer radikalere Politikerinnen und Politiker nach oben – und sie drängten die Partei weiter und weiter nach rechts. Unter ihnen war Newt Gingrich, Sprecher des Repräsentantenhauses in der Ära Clinton.
Über ihn schreibt Brockschmidt: „Gingrichs Strategie war simpel: Angreifen, wieder und wieder den politischen Gegner als korrupten Feind darstellen und keinerlei Kompromisse eingehen – niemals. Die Folgen sind bis heute zu spüren. Persönliche Angriffe waren nun legitim, geltende politische Normen wurden geopfert, wenn es der eigenen Partei einen Vorteil brachte.“
Gingrich nennt die Autorin als einen von vielen: Man hat hier ein veritables Panoptikum politischer Geisterfahrer vor sich, deren Hass und Machtgier mitunter einzig übertroffen werden von ihrer Scheinheiligkeit. Die Autorin wirft ihnen vor, die politische Kultur bewusst zerstört zu haben.
Natürlich haben auch die Demokraten zu den Problemen beigetragen. Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bekam die Quittung dafür, dass ihre Partei sich von Wählern ohne College-Abschluss entfernt hatte.
Brockschmidts Thema sind jedoch die Republikaner. Und die hätten die entscheidenden Pflöcke eingeschlagen in Richtung Radikalisierung und Spaltung, indem sie etwa 1987 die elektronischen Massenmedien gezielt für politische Einseitigkeit und Indoktrination öffneten. Das habe die politische Debattenkultur ruiniert.
Antidemokratischer Griff nach der Macht
Wohl konnten die Demokraten weiterhin Erfolge erzielen. Aber aus Brockschmidts Sicht hat das radikale Republikaner eher noch beflügelt:
Obamas Sieg 2008 war für viele rechte Aktivist*innen eine katastrophale Niederlage gewesen. Schlimmer konnte es nicht kommen. Um die Republikanische Partei von Moderaten zu säubern, war der Tea Party jedes Mittel recht – auch ein Schnitt ins eigene Fleisch.“
So habe die erzkonservative "Tea Party"-Bewegung sogar den Wahlkampf gemäßigter Republikaner torpediert und damit demokratische Siege ermöglicht – nur um zu zeigen, dass ihnen, den Radikalen, die Zukunft gehörte.
So fand Donald Trump ein gemachtes Nest vor, zeigt Annika Brockschmidt und skizziert ein düsteres Szenario:
„Trumps Wunsch, als autoritärer Herrscher zu regieren, ist nichts Neues. Neu ist jedoch die Bereitschaft des republikanischen Establishments, diesen antidemokratischen Griff nach Macht offen zu unterstützen.“
Vor solch einer Entwicklung haben Liberale schon vor 70 Jahren gewarnt. Was seither geschehen ist, fächert Annika Brockschmidt faktengesättigt auf, zumeist personenzentriert-journalistisch.
Eine Analyse von Strukturen hätte das Buch bereichert: Blicke auf die destruktive Rolle des kommerziellen Mediensystems etwa oder auf den Einfluss der Politikberatung, die Wähler gezielt manipulieren will.
Keine Elite mit moralischer Selbstständigkeit
Oder ein Schuss politische Soziologie: Schon 1950 vermisste der Historiker Richard Hofstadter in den USA eine – so wörtlich – Elite mit politischer und moralischer Selbstständigkeit. Ohne diese Elite, so Hofstadter damals, könne selbst eine Minderheit ein Klima erzeugen, in dem vernünftige Politik unmöglich werde. Solange Teile der liberalen Mehrheit weiter schweigen und sich nicht zur Wahlurne bewegen, möchte man hinzufügen.
Auch wenn dieses Buch jene US-Wähler nicht erreichen wird, kann man es als eine Art Weckruf verstehen. Denn es schildert plakativ, wie sich die Republikanische Partei radikalisierte – und wie das auch andernorts passieren kann. Eine anregende Lektüre in den Wirren des US-Präsidentschaftswahlkampfs.
Annika Brockschmidt: "Die Brandstifter. Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen"
Rowohlt, Berlin, 2024
366 Seiten, 24 Euro