Brittany Howard: "Jaime"

Solo-Debüt eines kommenden Stars

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Profilansicht von Brittany Howard mit umgehangener Gitarre singend auf der Bühne.
Brittany Howard singt auch darüber, wie ihre Eltern Rassismus in Alabama erfahren haben. © Getty Images / Arroyo Seco Weekend / Kevin Winter
Von Andreas Dewald · 19.09.2019
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Als Frontfrau der Alabama Shakes mischt Brittany Howard Stax-Soul mir Garagen-Rock. Ihr Solo-Debut klingt anders – kühner, fantasievoller, mehrdimensionaler. Der Charme dieser persönlichen Platte liegt im Unfertigen.
Brittany Howard ist Sängerin und Gitarristin der Alabama Shakes. Nur zwei Alben hat die Band veröffentlicht, aber sie hat schon vier Grammys gewonnen und auch im Weißen Haus vor Barack Obama gespielt.
Jetzt bringt Brittany Howard mit "Jaime" ihr erstes Album unter eigenem Namen heraus. Für ihr erstes Soloalbum habe sie genau die Musik aufnehmen wollen, die sie in ihrem Kopf hörte, sagt Brittany Howard.
Und die klingt anders als der Soul-Rock, den sie bisher mit den Alabama Shakes präsentiert hat: kühner, fantasievoller, mehrdimensionaler.

In den Fußspuren der ganz Großen

Brittany Howard überrascht auf "Jaime" mit psychedelischem Synth-Funk, klassischen Soul-Balladen, Hip-Hop-Loops, Gospel und Anlehnungen an den Afrofuturismus der 1970er Jahre. Das alles in einem rauen, ungeschliffenen Klangdesign. Da drängen sich Vergleiche mit ganz Großen auf, mit Curtis Mayfield etwa, oder mit Erykah Badu, vor allem aber mit Prince.
"Prince ist sicher eine Inspiration für mich gewesen. Denn meine musikalische Bildung beruht auf allem, was ich in meinem Leben gehört habe", bekennt Howard. "All diese Musik hat mich beeinflusst. Dass manches auf dem Album vielleicht nach Prince klingt, ist einfach so geschehen."
Brittany Howard stammt aus Athens, Alabama, einer Kleinstadt im Süden der USA. Sie ist die Tochter einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters. In den Songs auf "Jaime" spricht sie so offen und unverblümt wie nie zuvor über ihre persönliche Geschichte und berührt dabei große Themen wie Rassismus, Sexualität, Politik und Religion.
"Das sind Themen, die uns als menschlichen Wesen auf dieser Erde am Herzen liegen. Ich spreche von Erfahrungen aus meinem Leben, über die ich etwas zu sagen habe. Ich versuche nicht, mich als politische Person aufzuspielen. Aber es ist wohl unmöglich, nicht politisch zu sein, wenn man in der Gesellschaft zu einer Art Minderheit gehört. Ich habe ganz allgemein viel zu sagen, aber über Politik will ich eigentlich nicht reden."

Bekenntnis, eine Frau zu lieben

Brittany Howard hat ihr Album nach ihrer älteren Schwester Jaime benannt, die an Krebs starb, als beide noch Teenager waren. Von ihr habe sie alles über Musik und Kunst gelernt, sagt sie: Wie sie ihre Kreativität und ihre Fantasie nutzen kann. So habe sie heute auch den Mut gefunden, sich mit dem Song "Georgia" über die Liebe zu einer anderen Frau zu outen. Damit will sie versuchen, ins Radio zu kommen, sagt Howard, denn solche Songs gäbe es dort allzu selten.
Eine bewegende Geschichte aus ihrer eigenen Familie erzählt Brittanny Howard auch in "Goat Head", einem Lied über eine Erfahrung, die Menschen schwarzer Herkunft heute im Amerika von Donald Trump wohl immer noch machen müssen.
"Ich wollte einen Song darüber schreiben, wie es ist, im Süden der USA aufzuwachsen. Welche Rolle die Hautfarbe spielte, dort wo ich lebte. Der Text basiert auf einer wahren Geschichte: Jemand hatte einen abgeschlagenen Ziegenkopf in das Auto meines Vaters gelegt, um ihn davon abzuhalten, sich mit meiner Mutter zu treffen, die weiß war. Das war Rassismus."
Ihre Seelenschau ist Brittany Howard auf "Jaime" textlich wie musikalisch schneidend intensiv geraten. So ehrlich und ungefiltert sie sich hier zu ihren Emotionen bekennt, so befreit, spontan und inspiriert wirkt die Musik. "Jaime" ist ein aufregend innovativ klingendes Black-Music-Album, dessen Reiz und Charme nicht zuletzt im Unfertigen liegt. Es zeigt Brittany Howard als stimmgewaltige Sängerin, aufrichtige Songschreiberin und Musikerin mit ungewöhnlichen Klangvorstellungen, als kommenden Star.

Spiritualität und die Liebe Gottes

In dem Song "He Loves You" erklärt sie, Gott liebe sie, auch wenn sie zuviel Alkohol trinke und Gras rauche. "Meine Erfahrungen mit dem Christentum hatten mit Angst und Schande und Schuld zu tun. Ich begann, mit acht oder neun Jahren zur Kirche zu gehen. Und dann begann die Suche nach meiner eigenen Spiritualität und nach meinem Schöpfer, wer immer das sein mag. Ich bin froh, dass das geschehen ist. Ich fand heraus: Folge der Goldenen Regel und versuche, niemandem zu schaden. Dann geht es dir gut."
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