Britische Sängerin Vera Lynn

"Das Schätzchen der Truppen"

Sängerin Vera Lynn an Bord der "Queen Mary" im Jahr 1951.
Sängerin Vera Lynn an Bord der "Queen Mary" im Jahr 1951. © imago
Von Robert Rotifer  · 20.03.2017
Die Sängerin Vera Lynn besuchte die britischen Truppen in allen Kriegsgebieten, um die Moral der Truppen im Zweiten Weltkrieg zu stärken. Das brachte ihr den Spitznamen "Das Schätzchen der Truppen" ein. Heute feiert Vera Lynn ihren 100. Geburtstag.
Erinnert sich hier irgendwer an Vera Lynn? Erinnert ihr euch, wie sie sagte, dass wir uns eines sonnigen Tages wieder treffen würden?", das fragten Pink Floyd 1979 auf ihrem Album "The Wall” und riefen damit in der Generation der britischen Baby Boomer tief sitzende Kindheitserinnerungen wach. "Vera, Vera, was ist aus dir geworden?", sang der 1943 geborene Roger Waters. Waters' eigener Vater kam aus dem Zweiten Weltkrieg nie zurück. Vera Lynns Lied vom Wiedersehen muss für ihn also einen besonders bitteren Nachklang haben.

"We’ll Meet Again"

Von seiner in dieser Erstaufnahme aus dem Jahr 1939 besonders deutlich hörbaren Schwermut her ähnelt "We'll Meet Again" Lale Andersens "Lili Marleen", aber während dass die deutsche Propaganda Andersens Hit bloß missbilligend duldete, bot die BBC Vera Lynn eine wirkungsvolle Plattform. Anfang 1940 war die damals 21-jährige in einer Zeitungsumfrage unter britischen Soldaten zur beliebtesten Sängerin gewählt worden und erhielt dafür den Titel "The Forces' Sweetheart". Als solches sang sie in ihrer Radiosendung nicht nur Lieder, sie verlas auch Grüße von Soldaten an die Heimat und von deren Frauen an die Front, so wie in dieser historischen Aufnahme:
"Liebe Jungs, dieser Brief von mir wird zu einer Art Rendezvous, wo Ehemänner und ihre Frauen, zerrissen durch den Krieg, durch Melodien zusammengeführt werden. Auf den Flügeln dieser Melodien reisen diese Gefühle von mir zu euch beiden, von dir zu ihr."

Das von Ross Parker und Hughie Charles geschriebene "We'll Meet Again" war stets die Schlussnummer von Vera Lynns Radiosendung. Wie sie Jahrzehnte später in einer Dokumentation der BBC erzählte, hatte sie sich das Lied selbst ausgesucht.

"Ich fragte mich, womit ich die Sendung beenden sollte, und da fiel mir We'll Meet Again ein, das ich in den Theatern gesungen hatte. Ich suchte ich mir das Lied als Schlusssong aus, und es hat mich seither nie verlassen."

Die britische Marlene Dietrich

Als im Verlauf des Krieges klar wurde, dass das Wiedersehen doch kein so baldiges sein würde, waren Radiosendungen bald nicht mehr genug. Im Dienst der Entertainment National Service Association ging Vera Lynn auf eine Konzerttournee und besuchte Kriegsschauplätze von Ägypten, dem Irak, Iran und Indien bis ins damalige Burma. Fotos jener Zeit zeigen sie, wie sie gesellig zwischen Soldaten sitzt und im Lazarett Verwundete besucht.
"Auf Wiedersehen, Sweetheart"
Marlene Dietrich bezahlte für ihr Engagement gegen Nazi-Deutschland mit Bombendrohungen und öffentlichen Anfeindungen, als sie 1960 auf Tournee in ihre alte Heimat zurückkehrte. Aber sie erhielt auch viel Anerkennung, unter anderem vom Staat Israel. Die Andrews Sisters wiederum, gerieten nach Ende des Kriegs in ein künstlerisches Tief und persönliche Konflikte, aus denen sie nie wieder herausfanden.
Auch Vera Lynn ist ihre Rolle bis heute nicht losgeworden. Obwohl ihr größter Nachkriegs-Hit "Auf Wiedersehen, Sweetheart" hieß, haftet ihr der alte Beiname auch im Alter von 100 Jahren noch an. Anders als Dietrich hatte Lynn nie einen politischen Zugang zu ihrer Rolle als Kriegsteilnehmerin. Ohne ihr eigenes Zutun mutierte ihr größter Hit aber zum Statement gegen das nukleare Wettrüsten des kalten Kriegs.
In seinem Film "Dr Strangelove" unterlegte Stanley Kubrick 1964 die Schlusssequenz der atomaren Weltvernichtung sarkastisch mit "We'll Meet Again", und zu Vera Lynns Beschwörungen des Wiedersehes wuchsen die Atompilze hoch ins Firmament.