Britische Musikszene am Abgrund

Nach der Coronakrise kommt die Brexitkrise

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Ein Mann steht an einer U-Bahnstation in London und spielt Gitarre.
Bei den Verhandlungen mit der EU hat die britische Regierung keine Ausnahmen für Musiker und Musikerinnen erwirkt. © www.imago-images.de PietroxRecchiax
Robert Rotifer im Gespräch mit Vivian Perkovic · 05.01.2021
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In Großbritannien grassiert eine Corona-Mutation, der Brexit sorgt für Unsicherheit. Die britische Musikszene wird beidseitig schwer getroffen. Auf Bands, die künftig auf dem europäischen Festland spielen wollen, wartet ein bürokratischer Albtraum.
Die britische Musikwelt muss derzeit jede Menge Rückgrat beweisen: Corona und der Brexit macht ihr das Leben sehr schwer.

Für die erste Jahreshälfte sieht es schlecht aus

Im Herbst habe es noch Hoffnung auf Auftritte in Londoner Klubs mit Social Distancing und limitiertem Publikum gegeben, im November seien dann alle anstehenden Gigs abgesagt worden, berichtet der Musiker und Journalist Robert Rotifer. Für Musikerinnen und Musiker sehe es derzeit nach einer sehr mageren ersten Jahreshälfte aus.
Selbst Glastonbury steht auf dem Spiel - dabei musste das 50-jährige Jubiläum im vergangenen Jahr bereits abgeblasen werden. Theoretisch solle Glastonbury zum gewohnten Termin am letzten Juni-Wochenende stattfinden, so Rotifer. Doch die News auf der Website des Festivals seien seit der Absage nicht erneuert worden.
Auch in Großbritannien werden Musikerinnen und Musiker staatlicherseits in der Coronakrise unterstützt. Doch längst nicht alle in der Musikszene seien bedacht worden, berichtet Rotifer. So drohe besonders den Licht- und Tontechnikern und den Roadies nun zum zweiten Mal ein Frühling und potenziell auch ein Sommer ohne Einnahmen.

Petition an die britische Regierung

Was die Situation noch problematischer macht: Nach Corona lauert auf die britische Musikszene schon die Brexitkrise. Das wahre böse Erwachen für die Szene werde erst kommen, wenn die Covid-Krise vorbei sei, sagt Rotifer.
Eine Petition an die britische Regierung, die visumfreie Arbeitsgenehmigungen für britische Musikerinnen und Musiker in Europa fordert, sei schon von 228.000 Menschen unterschrieben worden. Doch sie komme viel zu spät, sagt Rotifer. "Selbst wenn die britische Regierung sie sich zu Herzen nimmt, bräuchte es erst einmal Verhandlungen mit der EU, und die sind ja jetzt fürs Erste gelaufen."

Temporäre Arbeitserlaubnis für jedes Land

Die britische Regierung habe keine Ausnahmen für Musikerinnen erwirkt. Tatsächlich müssen britische Bands oder Solokünstler nun in Zukunft, wenn sie in die EU fahren, eine temporäre Arbeitserlaubnis in jedem europäischen Land erwerben.
Auch jedes einzelne Instrument, das sie ein- und wieder ausführen, müsse detailgenau deklariert werden, berichtet Rotifer. Die offene Frage sei nun, wie viel Mehrkosten und -aufwand europäische Konzerthallen und Festivals künftig eingehen wollen, um britische Bands zu buchen.
(ahe)
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