Britische Museumswissenschaftlerin

Sharon Macdonald erhält Humboldt-Professur

Außenansicht der Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden
Die Sozialanthropologin Sharon Macdonald wird in den nächsten fünf Jahren an der Berliner Humboldt-Universität unterrichten. © picture-alliance/ ZB
Von Daniela Siebert · 12.05.2015
Eine Alexander-von-Humboldt-Professur ist für Akademiker, die in Deutschland arbeiten wollen, wie ein Sechser im Lotto. Mit einem Preisgeld in Höhe von 3,5 Millionen Euro ist auch die britische Museumsforscherin Sharon Macdonald unter den Ausgewählten.
"Also ich mag Whiskey – lacht – ich trinke jeden Morgen Yorkshire-Tee, weil das ist das Beste. Ziemlich stark, man trinkt es mit Milch, weil es so schwarz und herb ist."
Mehr Britisches oder gar Schottisches gibt Sharon Macdonald nicht von sich preis. Heute Abend wurde ihr der höchstdotierte internationale Forschungspreis in Deutschland verliehen: eine Alexander-von-Humboldt-Professur. Diese Forschungsprofessur wird die 54-jährige Sozialanthropologin für die nächsten fünf Jahre an die Berliner Humboldt-Universität führen, der sie auch darüber hinaus als reguläre Professorin für Europäische Ethnologie erhalten bleiben soll. Die Stadt Berlin kennt die Spitzenforscherin durch zahlreiche Aufenthalte auch als Gastdozentin schon bestens. Ihre Lieblingsecken:
"Ah viele! Ich wohne in Prenzlauer Berg, natürlich das liebe ich. Jaaa ich soll sagen, das Museumsinsel als Ort, also die Museen, wirklich, die interessieren mich sehr."
Sharon Macdonald hat sich auf Museumswissenschaft spezialisiert und schon diverse Bücher zur Museumstheorie und –praxis veröffentlicht. Sie tragen Titel wie "Memorylands" oder "Exhibition Experiments". Zu ihrem Handwerkszeug gehören ein wacher neugieriger Blick auf die Welt und Fremdsprachen. Gälisch und Chinesisch hat sie sich schon für ihre Forschungsprojekte angeeignet. Auch Deutsch. Die Einladung der Reporterin, Fragen auf Englisch zu beantworten, ignoriert sie.
"Ich mag Deutsch! Die Sprache – es gefällt mir! Ich habe es ein bisschen in der Schule gemacht und dann ich habe eine Forschung in Nürnberg gemacht und danach war ich ab und zu hier, also ich habe ungefähr zwei Jahre in Deutschland gewohnt."
Deutsche Kolonialgeschichte müsste mehr beleuchtet werden
In Nürnberg hat sie um die Jahrtausendwende als Feldforscherin gearbeitet und sich mit den Hinterlassenschaften der Nazizeit beschäftigt. Wie Nationen mit ihrer dunklen Vergangenheit umgehen ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. Wir Deutschen schneiden garnicht so schlecht ab.
"Ich denke im Vergleich mit anderen Ländern, dass Deutschland mehr macht als die Mehrheit."
Die deutsche Kolonialgeschichte müßte ihrer Meinung nach aber noch intensiver beleuchtet werden. Und wieviel Geld man in den Erhalt von Nazibauwerken wie die Zeppelintribüne auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg investiere, das müsse man sich auch gut überlegen.
Als Anthropologin hat sie sich von Hause aus vor allem für lebende Menschen zu interessieren. Inzwischen konzentriert sie sich jedoch auf Museen. Also eher auf tote Objekte in Vitrinen. Darin sieht sie keinen Widerspruch.
"Es interessiert mich, dass Leute finden Objekten so wertvoll. Und also die Menschen können denken, dass das Welt nicht nur ein Welt von schnell, Konsumerismus ist, aber es gibt Dinge, die dauerhaft sind, die wertvoll sind, und die sind Sachen, die mit Identitäten zu tun haben, also sie sind nicht einfach Sachen, aber sie sind unsere Sachen, sie sind uns vielleicht."
Was in Museen und Ausstellungen überhaupt gezeigt wird, ist ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit. Einige ihrer Erkenntnisse dazu:
"Sogar in einem Museum für Naturwissenschaft, diese sind auch soziale und kulturelle Entscheidungen. Sie sind nicht rein wissenschaftlich. Und man macht Entscheidungen über: welche Sozialschicht kommt? Und nicht? Oder soll kommen oder nicht? Und oft auch einfach von Kuratoren, die bestimmte Sachen lieben."
Geld ist kein Allheilmittel
Grundsätzlich gelte aber für alle Museen oder Sammlungen dieser Welt, dass nur etwa fünf Prozent der Bestände gezeigt werden so Sharon Macdonald. Der Rest schlummere in den Archiven. Ein anderes Problem ist das, was gezeigt wird, obwohl es eigentlich garnicht dorthin gehört: Raubkunst. Schade wäre es, wenn solche Objekte durch die Restitution an die Besitzer für die Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen sind findet sie.
"Es gibt auch andere Möglichkeiten: man kann sagen Okay jetzt der Besitz ist so und so, aber wir lassen es im Museum, und das passiert oft denke ich."
Eine goldene Regel, was ein Museum erfolgreich mache – egal ob groß, klein, öffentlich oder privat, naturwissenschaftlich oder kunstorientiert – solche eine Regel gebe es nicht, so die Wissenschaftlerin.
Geld, sprich die Finanzierung von Museen, sei kein Allheilmittel, betont sie. Man könne auch gut finanziert schlechte Ausstellungen machen.
In Berlin will die Anthropologin ihre mit 3,5 Millionen Euro dotierte Professur unter anderm dafür nutzen ein „Center for anthropological research on museums and heritage" aufzubauen. Hier will sie vor allem Forscher mit internationaler Erfahrung versammeln. Ein Ziel:
"Könnte man hier vielleicht probieren, was sie in Australien dort gemacht haben und wir möchten auch forschen, wie Historiker forschen was Vergangenheit mit Kultur passiert hat?"
Neil MacGregor – Berlins anderen Neuzugang aus Großbritannien – kennt Sharon Macdonald noch nicht persönlich. Er soll im Herbst Gründungsintendant des Museumsgroßprojektes Humboldtforum werden. Die Professorin freut sich aber darauf mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Zum Abschied frage ich, was denn wohl von uns, vom Jahr 2015, mal im Museum landen könnte?
"Bestimmt also Laptops und andere Geräte und vielleicht diese Google-Brille!?"
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