Brillante Bonmots

Er lobte die Faulheit und hatte vor niemandem Respekt. Antoine de Rivarol wurde 1784 mit seinem "Diskurs über die Universalität der französischen Sprache" bekannt. Jetzt sind seine ironischen und kritischen Bonmots erstmals auf Deutsch erschienen.
1784 wurde Antoine de Rivarol auf einen Schlag bekannt, als die Preußische Akademie der Wissenschaften seinen "Diskurs über die Universalität der französischen Sprache" auszeichnete. Die damalige "Lingua franca" der europäischen Adligen und Diplomaten sei "sicher, sozial, vernünftig", vor allem aber "für die Konversation gemacht". Und gerade die Konversation war es, die dem jungen Provinzler aus kleinen Verhältnissen die Türen der Pariser Salons öffnete, als er 1777, kaum 24-jährig, in die Hauptstadt kam.

Das Adelsprädikat und den Grafentitel legte Antoine de Rivarol sich mit der gleichen Freiheit zu, mit der er gegen alles und beinahe jeden polemisierte, vor allem aber seine Gesprächspartner entzückte. Seine Überlegungen zu verschiedensten Sujets, seine Maxime, vor allem aber die brillanten Bonmots, die seinen Ruhm begründeten, hat er selbst nie gesammelt veröffentlicht, was sicher nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass dieser Ruhm ein flüchtiger war.

Doch wurde er immer wieder neu 'entdeckt', so von Ernst Jünger, und nun liegen seine "Gedanken und Maximen, Porträts und Bonmots" zum ersten Mal gesammelt auf Deutsch vor, wodurch die heutigen Leser in den Genuss der funkelnden Miniaturen Rivarols kommen. Seine ebenso scharfsinnigen wie spitzen Bemerkungen über Männer, Frauen, Leidenschaften, Religion und Gesellschaft haben zum größten Teil bis heute nichts an Aktualität, zumindest aber nichts an Esprit verloren.

Die diversen kleinen Szenen aus dem gesellschaftlichen Leben der Zeit lassen uns eine derart geistesgegenwärtige, wenngleich mitunter boshafte Gesprächskultur schmerzlich vermissen. So zeichnet sich der Abschnitt "Von den Frauen" nicht gerade durch Galanterie aus, und ebenso wenig schmeichelhaft sind die Porträts einiger bedeutender Männer seiner Zeit. Mögen die Porträtierten uns heute vielleicht nicht mehr viel sagen, so bleiben Rivarols Pointen dennoch amüsant: "Für Geld ist Mirabeau zu allem fähig, selbst zu einer guten Tat."

Das kurze Kapitel "Von Deutschland und den Deutschen" ist vermutlich primär dem Zielpublikum dieser Ausgabe geschuldet und nicht wirklich das interessanteste, doch insgesamt kommt die übersichtliche Struktur, die Ulrich Kunzmann dem Band gegeben hat, dem Lesevergnügen sehr zugute, da sie es ermöglicht, bei der Lektüre nach thematischen Vorlieben hin- und herzuspringen. Dem Thema angemessen, ist der letzte Abschnitt, "Lob der Faulheit" der kürzeste; er endet mit der Grabschrift, die Rivarol im Berliner Exil am 11. April 1801, dem Tag seines frühen Todes, verfasste:

Hier ruht
Antoine, Graf de Rivarol.
Die Faulheit
raubt ihn uns
vor seinem Tod.


Ob die Inschrift tatsächlich angebracht wurde, wissen wir nicht, denn das Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof war bereits verschwunden, als Varnhagen von Ense es 1856 besuchen wollte, aber Rivarols Esprit ist bis heute lebendig und nun auf Deutsch zugänglich.

Besprochen von Carolin Fischer

Antoine de Rivarol: "Vom Menschen. Gedanken und Maximen, Porträts und Bonmots"
Übersetzt von Ulrich Kunzmann
Matthes & Seitz, Berlin 2012
498 Seiten, 39 Euro