Brief zum EU-Klimagipfel

Vom Saulus zum Paulus?

In einem Eisbärenkostüm in Lebensgröße stehen am 23.03.2013 Greenpeace-Aktivisten vor einer Shell-Tankstelle in Hannover. Greenpeace macht mit Aktionen auf einen bundesweiten Protest gegen Ölbohrungen in der Arktis aufmerksam.
Greenpeace machte 2013 mit Aktionen auf einen Protest gegen Ölbohrungen in der Arktis aufmerksam. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
21.10.2014
Kurz vor dem EU-Klimagipfel haben 57 Unternehmen in einem offenen Brief ihre Sorge über verzögertes Handeln gegen den Klimawandel ausgedrückt. Shell, Coca-Cola, Ikea und Co als Vorreiter in der Umweltpolitik?
Sprecher: "Liebe Staatsführer und Regierung der Europäischen Union, wir würden gerne beitragen zu einem modernen, Ressourcen-effizienten, Kohlenstoff-armen Wachstum. Hochachtungsvoll Ikea."
Über sein Klimaschutzengagement schreibt Ikea auf seiner Homepage … direkt erst mal nichts. Aber indirekt: Das Bundesumweltministerium hat die Schweden im März in den erlauchten Kreis der "Klimaschutzunternehmen" aufgenommen meldet die Seite. Ikea will bis 2020 mehr erneuerbare Energie produzieren als verbrauchen, schreibt Ikeas Nachhaltigkeitsmanager Ulf Wenzig.
Ein paar Klicks weiter, der Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2013.
Aha. Auch LED soll wohl die Bilanz zum Strahlen bringen: "Mit dem Kauf einer Ledare-Lampe spart der Kunde bei seiner jährlichen Stromrechnung nennenswert Geld und entlastet gleichzeitig die Umwelt durch weniger verbrauchten Strom." Außerdem: Ein Drittel vom verwendeten Holz sei FSC-zertifiziert oder stamme aus Recycling. In den nächsten drei Jahren solle der Anteil auf 50 Prozent steigen.
Woher die anderen zwei Drittel Holz kommen erfährt man aber leider nicht, außer dass dafür Ikea eigene Anforderungen stellt.
Nachfrage bei Stefan Krug von Greenpeace. Ja, sagt er, Ikea habe sich schon Ende der 90er-Jahre verpflichtet, kein Holz aus Raubbau zu verwenden.
"Man kann insgesamt sagen, dass Ikea sich Mühe gibt, nicht nur darüber zu reden und sich ein grünes Mäntelchen umzulegen, sondern auch real in der Beschaffungspolitik, in der Produktpolitik umzusteuern. Allerdings auch hier müssen wir sagen: man muss sehr genau hinschauen, aufs Detail."
Shells Klimaschutzambitionen sind fragwürdig
Sprecher: "Liebe Staatsführer und Regierung der Europäischen Union, wir würden gerne beitragen zu einem modernen, Ressourcen-effizienten, Kohlenstoff-armen Wachstum." Hochachtungsvoll Shell
Auf shell.de muss ich erst mal Cookies akzeptieren. Erst danach erfahre ich was unter dem Stichwort Umwelt steht. "Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine vordringliche Aufgabe", schreibt das Unternehmen. Deshalb produziere Shell mehr Erdgas und unterstütze die Entwicklung von Technologien zur CO2-Speicherung.
Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe wundert sich dennoch, dass Shell den Klimaschutz-Brief mitunterzeichnet hat.
"Wir haben vor einiger Zeit Gespräche mit Shell gehabt, die eben auch zugegeben haben, dass sie 98 Prozent ihres Umsatzes mit Öl machen, da verstehe ich es nicht, da könnte ich es am ehesten unter das Label 'greenwashing' sortieren, weil ich einfach das Geschäftsmodell für ein Ölunternehmen dort nicht sehe. Das Geschäftsmodell ist Ressourcen und fossile Energien verschleudern."
Auch Stefan Krug von Greenpeace findet Shells Klimaschutzambitionen fragwürdig. Allein schon weil der Konzern sogar Ölförderung aus der Arktis plane:
"Sie ist deswegen schlimmer als andere Ölbohrungen, weil dort bisher keine Eingriffe in Ressourcenförderung stattgefunden haben und das natürlich ein Extremwettergebiet ist, das heißt wenn es dort zu Unfällen kommt – und es kommt regelmäßig zu Unfällen bei Ölförderung – dann werden die Folgen dort schlicht unbeherrschbar sein."
Bei Coca Cola gibt es noch viele Widersprüche
Sprecher: "Liebe Staatsführer und Regierung der Europäischen Union, wir würden gerne beitragen zu einem modernen, Ressourcen-effizienten, Kohlenstoff-armen Wachstum." Hochachtungsvoll Coca-Cola
Cola verkauft ja vor allem Wasser. Mit Geschmack und ohne.
Global gesehen ist Wasser allerdings ein knappes Gut. Wer kein Trinkwasser hat muss weit laufen oder Geld ausgeben, um welches zu bekommen. Eine Pflanze ohne Wasser wird verdorren und kein CO2 mehr speichern.
Auf seiner internationalen Homepage behauptet Coca-Cola, es ersetze das Wasser, das es in seine Flaschen füllt, bereits zu 68 Prozent. Im Nachhaltigkeitsbericht von Coca-Cola Deutschland für 2013 nennt das Unternehmen folgende Klimaschutzansätze: Effizientere Kühlgeräte, verbesserte Produktionsabläufe, umweltschonenderen Transport. Dazu gehöre die Produktion in der Region ebenso wie etwa der Gabelstapler mit Elektroantrieb.
Dass Coca-Cola solche Ziele formuliert und gemeinsam mit anderen Konzernen den Brief an die EU-Regierenden unterzeichnet hat, findet Stefan Krug von Greenpeace gut und richtig. Aber es gebe noch viele Widersprüche. Das gelte bei Coca-Cola beispielsweise auch für die Kühlgeräte. Dort könnte der Konzern schon längst ganz weg sein vom klimaschädlichen Fluorkohlenwasserstoff FKW in den Leitungen:
"Die Unternehmen haben unserer Meinung nach – auch Coca-Cola – bisher zu wenig Druck gemacht, um diese Substitution gefährlicher Substanzen in dem Zeitmaß durchzusetzen, in dem es möglich wäre. Wir könnten heute schon weltweit komplett ohne FKW kühlen."
Fazit: In Sachen Klimaschutz hätten schon längst alle 57 Briefunterzeichner mehr tun können – und zwar freiwillig. Aber es gibt bemerkenswerte Ansätze.

Selbst bei Coca-Cola, Ikea und Co wächst das Umweltbewusstsein.
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