"Brésil Indien"
Frankreich startet im Monat März offiziell sein "Brasilien-Kultur-Jahr". Gezeigt wird ein kreatives Brasilien, Brasilien als Modell der Vielseitigkeit und kultureller Begegnungen. Höhepunkt des Kulturjahres ist eine Ausstellung im Pariser Grand Palais. Unter der Überschrift: "Brésil Indien" werden erstmals die Künste der Ureinwohner Brasiliens in vollem Umfang gezeigt: von prähistorischen Malereien bis zu heutigen Kunstformen.
Gesänge gehören bei den Ureinwohnern Brasiliens zum Leben wie Fischfang, die Jagd oder Riten. Kunst ist überall und nirgendwo. Es existiert kein eigener Ort oder keine spezielle gesellschaftliche Sphäre, in der oder für die Kunst gemacht wird: Egal ob es sich um einen geflochtenen Korb handelt, einen bemalten Körper oder einen Keramiktopf, überall ist eine Suche nach Ästhetik spürbar. Ausstellungen über Ureinwohner gab es bereits viele, solch eine Ausstellung noch nie, versichert Christiana Baretto, Archäologin an der britischen Oxford-University und eine der insgesamt drei Ausstellungsleiter:
"Die einzigartige Seite dieser Ausstellung besteht in dem Versuch, dass die Menschen sich dieser indianischen Kultur Brasiliens nähern sollen, anhand ästhetischer Ausdrucksformen, anhand ihrer Kunst, die sehr verschieden ist von unserer Kunstkonzeption. Bei ihnen ist Kunst nicht isoliert, sondern für sie ist alles Kunst. Anhand dieser ästhetischen Erfahrung, die sie in ihrer Kultur immer wieder neu erleben, neu erzeugen und in ihrer Kultur umwandeln. Es wurde bisher noch nie eine Ausstellung über die Ureinwohner Brasiliens zu diesem Thema gemacht."
Die ältesten Zeugnisse dieser "totalen Kunst" gehen bis in das Jahr 10.000 vor unserer Zeitrechnung zurück: blutrote Felsenmalereien: wir sehen eine menschliche Figur - alle Glieder von sich gestreckt - inklusive Penis. Im Hintergrund nehmen wir galoppierende Tiere wahr. Etwas weiter entfernt eine geheimnisvolle Figur, die mit ihren kurzen Beinen und ihrem fast im Hals versunkenen Kopf wie eine Furcht einflössende Comicfigur aussieht. Sie stammt aus der präkolumbianischen Kultur des Amazonas-Tieflandes. Eine Region, die 500 vor Christi Geburt zu einer regelrechten Kreuzung unterschiedlichster Kulturen geworden ist.
"(...) Wir sehen hier eine Graburne aus dem Amazonas-Gebiet. Diese Kulturen pflegten die Tradition einer zweiten Bestattung: sie nahmen die Knochen der Toten und steckten sie in Urnen, die als heilige Stätte angesehen wurden. ... Was mir sehr gefällt: diese Skulptur zeigt eine Tradition des Amazonasgebietes, nämlich die Körpermalerei. Die Figur vor uns hat alle, aber auch wirklich alle Körperteile bemalt."
500.000 Ureinwohner leben schätzungsweise noch in Brasilien, ein Grossteil der heute 220 Stämme hat sich im Amazonas-Gebiet niedergelassen. Ihre betont ästhetischen Gegenstände, die sie im Alltag und bei Ritualen verwenden, wurden bislang immer als primitive und vergängliche Kunst präsentiert. Hier wird die Betonung nun auf ihre magische Verwandlungskraft gelegt. Gezeigt werden drei Meter große Photographien nackter, bemalter Körper auf Seidenpapier, bunt geschmückte Totenpfähle oder eine kunstvoll angefertigte, zehn Meter lange traditionelle Fischfalle aus Bambus-Stäben:
"(...) Beispielsweise die Masken. Sobald die Masken in einem Ritual aufgesetzt werden, dann bedeutet das nicht, dass man ein Tier darstellen möchte, sondern dieses Tier oder dieses Wesen selbst ist dann bei diesem Ritual anwesend. Ihre Kunst verwandelt die Dinge und die Individuen in einer äußerst extremen Art und Weise. Es handelt sich um eine identitäre Kunst, bei welcher der Autor genau identifizierbar ist. Die Körpermalereien und selbst die Sprache des Federschmucks identifizieren die Individuen in Bezug auf ihre Gruppe oder Gemeinschaft. Diese beiden Aspekte: Identität und Verwandlung machen diese Kunst einzigartig."
Im Louvre-Museum hat vor einigen Jahren bereits die Kunst von Ureinwohner aus verschiedenen Weltregionen Einzug gehalten im Ehrentempel der abendländischen Kunstgeschichte. Auch hier im Grand Palais werden die Objekte individuell - unter Glasglocken und mit aufwendiger Einzelbeleuchtung, unnahbar und mysteriös - präsentiert; eingepflanzt in eine raffinierte, westliche Ausstellungslandschaft mit ihren eigenen Gesetzen der Inszenierung, Betrachtung und Bewunderung.
" Im Louvre sind vor allem Skulpturen zu sehen, also eben keine vergänglichen Kunstwerke. Diese werden dort als Kunstwerke in einem sehr herkömmlichen Sinne unserer abendländischen Kunst ausgestellt. In unserer Ausstellung präsentieren wir die Gegenstände niemals allein, sondern immer innerhalb eines Ensembles: um über eine Sprache zu reden, über einen Stil, eine Technik, ein Volk oder ein Ritual. Das ist also sehr unterschiedlich zum Louvre. Ich sehe hier keine Mona Lisa."
Erstmals ist die bislang auf Frankreich und Brasilien verteilte Sammlung des legendären Anthropologen Claude Lévi-Strauss vereint zu sehen. Seine Kollektion von Ohrringen, Klöppeln, Kürbisschalen oder Federn ist zwar bemerkenswert, verblasst jedoch gegenüber den Meisterwerken, die die Kuratoren in der Ausstellung zusammen getragen haben. Ein Zeichen dafür, dass das Leben und damit die Kunst der Ureinwohner Brasiliens in die Zukunft gerichtet ist. Ausstellungsleiterin Regina Polo Müller von der Sao Paolo-Universität:
"Ich hoffe, dass die in dieser Ausstellung gezeigten Objekte wirklich als Kunstobjekte betrachtet werden, Objekte mit einem künstlerischen Anspruch. Und dass die Herstellung solcher Gegenstände als Kunsthandwerk für diese Völker vielleicht einmal auch wirtschaftliche Vorteile bringen wird, wie dies bei den Aborigines in Australien der Fall ist, die mittlerweile Bestandteil des Internationalen Kunstmarktes geworden sind. Damit auch diese Ureinwohner in Brasilien mit Hilfe solcher Gegenstände Projekte finanzieren und davon leben können."
"Die einzigartige Seite dieser Ausstellung besteht in dem Versuch, dass die Menschen sich dieser indianischen Kultur Brasiliens nähern sollen, anhand ästhetischer Ausdrucksformen, anhand ihrer Kunst, die sehr verschieden ist von unserer Kunstkonzeption. Bei ihnen ist Kunst nicht isoliert, sondern für sie ist alles Kunst. Anhand dieser ästhetischen Erfahrung, die sie in ihrer Kultur immer wieder neu erleben, neu erzeugen und in ihrer Kultur umwandeln. Es wurde bisher noch nie eine Ausstellung über die Ureinwohner Brasiliens zu diesem Thema gemacht."
Die ältesten Zeugnisse dieser "totalen Kunst" gehen bis in das Jahr 10.000 vor unserer Zeitrechnung zurück: blutrote Felsenmalereien: wir sehen eine menschliche Figur - alle Glieder von sich gestreckt - inklusive Penis. Im Hintergrund nehmen wir galoppierende Tiere wahr. Etwas weiter entfernt eine geheimnisvolle Figur, die mit ihren kurzen Beinen und ihrem fast im Hals versunkenen Kopf wie eine Furcht einflössende Comicfigur aussieht. Sie stammt aus der präkolumbianischen Kultur des Amazonas-Tieflandes. Eine Region, die 500 vor Christi Geburt zu einer regelrechten Kreuzung unterschiedlichster Kulturen geworden ist.
"(...) Wir sehen hier eine Graburne aus dem Amazonas-Gebiet. Diese Kulturen pflegten die Tradition einer zweiten Bestattung: sie nahmen die Knochen der Toten und steckten sie in Urnen, die als heilige Stätte angesehen wurden. ... Was mir sehr gefällt: diese Skulptur zeigt eine Tradition des Amazonasgebietes, nämlich die Körpermalerei. Die Figur vor uns hat alle, aber auch wirklich alle Körperteile bemalt."
500.000 Ureinwohner leben schätzungsweise noch in Brasilien, ein Grossteil der heute 220 Stämme hat sich im Amazonas-Gebiet niedergelassen. Ihre betont ästhetischen Gegenstände, die sie im Alltag und bei Ritualen verwenden, wurden bislang immer als primitive und vergängliche Kunst präsentiert. Hier wird die Betonung nun auf ihre magische Verwandlungskraft gelegt. Gezeigt werden drei Meter große Photographien nackter, bemalter Körper auf Seidenpapier, bunt geschmückte Totenpfähle oder eine kunstvoll angefertigte, zehn Meter lange traditionelle Fischfalle aus Bambus-Stäben:
"(...) Beispielsweise die Masken. Sobald die Masken in einem Ritual aufgesetzt werden, dann bedeutet das nicht, dass man ein Tier darstellen möchte, sondern dieses Tier oder dieses Wesen selbst ist dann bei diesem Ritual anwesend. Ihre Kunst verwandelt die Dinge und die Individuen in einer äußerst extremen Art und Weise. Es handelt sich um eine identitäre Kunst, bei welcher der Autor genau identifizierbar ist. Die Körpermalereien und selbst die Sprache des Federschmucks identifizieren die Individuen in Bezug auf ihre Gruppe oder Gemeinschaft. Diese beiden Aspekte: Identität und Verwandlung machen diese Kunst einzigartig."
Im Louvre-Museum hat vor einigen Jahren bereits die Kunst von Ureinwohner aus verschiedenen Weltregionen Einzug gehalten im Ehrentempel der abendländischen Kunstgeschichte. Auch hier im Grand Palais werden die Objekte individuell - unter Glasglocken und mit aufwendiger Einzelbeleuchtung, unnahbar und mysteriös - präsentiert; eingepflanzt in eine raffinierte, westliche Ausstellungslandschaft mit ihren eigenen Gesetzen der Inszenierung, Betrachtung und Bewunderung.
" Im Louvre sind vor allem Skulpturen zu sehen, also eben keine vergänglichen Kunstwerke. Diese werden dort als Kunstwerke in einem sehr herkömmlichen Sinne unserer abendländischen Kunst ausgestellt. In unserer Ausstellung präsentieren wir die Gegenstände niemals allein, sondern immer innerhalb eines Ensembles: um über eine Sprache zu reden, über einen Stil, eine Technik, ein Volk oder ein Ritual. Das ist also sehr unterschiedlich zum Louvre. Ich sehe hier keine Mona Lisa."
Erstmals ist die bislang auf Frankreich und Brasilien verteilte Sammlung des legendären Anthropologen Claude Lévi-Strauss vereint zu sehen. Seine Kollektion von Ohrringen, Klöppeln, Kürbisschalen oder Federn ist zwar bemerkenswert, verblasst jedoch gegenüber den Meisterwerken, die die Kuratoren in der Ausstellung zusammen getragen haben. Ein Zeichen dafür, dass das Leben und damit die Kunst der Ureinwohner Brasiliens in die Zukunft gerichtet ist. Ausstellungsleiterin Regina Polo Müller von der Sao Paolo-Universität:
"Ich hoffe, dass die in dieser Ausstellung gezeigten Objekte wirklich als Kunstobjekte betrachtet werden, Objekte mit einem künstlerischen Anspruch. Und dass die Herstellung solcher Gegenstände als Kunsthandwerk für diese Völker vielleicht einmal auch wirtschaftliche Vorteile bringen wird, wie dies bei den Aborigines in Australien der Fall ist, die mittlerweile Bestandteil des Internationalen Kunstmarktes geworden sind. Damit auch diese Ureinwohner in Brasilien mit Hilfe solcher Gegenstände Projekte finanzieren und davon leben können."