Brenner ermittelt wieder
"Der Brenner und der liebe Gott", so heißt der neue, von den Fans heftig herbeigesehnte Roman des österreichischen Kultautors Wolf Haas. Es geht in diesem Krimi um Kindesentführung und Bauspekulation, um ein skandalumwittertes Stadtentwicklungsprojekt im Wiener Prater und um neureiche Halbkriminelle, die sich in Kitzbühel ein schönes Leben machen.
Was denn, wie denn? Hat Wolf Haas nicht vor sechs Jahren postuliert, er wolle nie mehr wieder einen Brenner-Krimi schreiben? Klar, hat er. Seinen Kultdetektiv Simon Brenner allerdings hat der österreichische Erfolgsautor 2003 keineswegs sterben lassen, wie manche Rezensenten von "Das ewige Leben" damals fälschlich postulierten. Nicht seinen Detektiv habe er im letzten Brenner-Krimi 2003 über den Jordan gehen lassen, betont der Autor, sondern seinen mysteriösen Ich-Erzähler.
Haas: "Also, hochoffiziell wiederhole ich: Der Brenner ist nie gestorben, der Erzähler ist gestorben im sechsten Brenner-Roman. Und irgendwann ist mir der schöne Satz aus der Umgangssprache in den Sinn gekommen: Wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen. Man sagt das, wenn jemand besonders viel redet. Und ich dachte mir: Sollte ich jemals wieder Lust haben, einen Brenner-Roman zu schreiben, dann fange ich einfach damit den neuen Roman an. Der Erzähler ist zwar tot, aber sein Maul habe ich zu erschlagen vergessen. Und das plappert munter weiter."
Und wie es plappert. Der neue Brenner-Krimi ist vielleicht noch lustiger, noch abgründiger und makaberer als die früheren Bände der Serie. Simon Brenner, so erfahren wir zu Beginn, hat als Chauffeur und Bodyguard bei einem Münchner Baulöwen angeheuert. Brenners Job: Die zweijährige Tochter des Beton-Tycoons zwischen München, Kitzbühel und Wien hin und her zu kutschieren. In Wien, so lässt das munter drauflos plappernde Erzähler-Ich uns wissen, betreibt die Mutter der Kleinen eine gutgehende Abtreibungsklinik, und wenn die gestressten Eltern einmal richtig gemütlich Familienleben spielen wollen, treffen sie sich alle drei in "Kitz". Helene, das Töchterchen, scheint unter den vielen Autofahrten nicht weiter zu leiden. Versteht sich die Zweijährige doch bestens mit ihrem "Personal Driver".
Auch Simon Brenner, der Chauffeur, ist ganz vernarrt in die Kleine. Umso größer seine Bestürzung, als Helene eines Tages auf einer Autobahn-Raststätte entführt wird, während er, der für das Kindeswohl Verantwortliche, einen schnellen Espresso im Tankstellen-Shop runterkippt. Brenner dreht fast durch vor Verzweiflung, frage nicht. Wer kann die Kleine entführt haben? Da gibt's viele, zu viele Möglichkeiten. Der Vater ein stinkreicher Baumafioso, die Mutter eine erfolgreiche Medizinerin, der Abtreibungsgegner das Leben zur Hölle machen: Also, Feinde hätten die Eltern genug. Simon Brenner beginnt zu ermitteln, und wendet sich zuerst den militanten Abtreibungsgegnern zu.
"Mich hat das interessiert, diese Form der Drohung, dass dieser Oberabtreibungsgegner der Ärztin droht, wir werden dir dein Kind auch wegnehmen, weil du dem lieben Gott auch so viele Kinder wegnimmst. Das ist mir als so eine fiese Drohung erschienen, der ich einfach nachgehen wollte."
Bald wird klar: Die Abtreibungsgegner stecken nicht hinter der Entführung. Dafür scheint der Papa der Kleinen eine Menge Dreck am Stecken zu haben. Zusammen mit einem korrupten Baubeamten und einem salbungsvollen katholischen Banker, offenbar aus dem Raiffeisen-Milieu, betreibt Helenes Vater ein sogenanntes "Stadtentwicklungsprojekt" im Wiener Prater - ein mehr als anrüchiges Geschäft. Genauso anrüchig wie die Senkgrube in der Kitzbüheler Almhütte des Baulöwen, in der im Lauf der rasanten Handlung eine Reihe von Leichen entsorgt werden. Am Ende stehen sieben Tote, und Kitzbühel wird zur rustikalen Nekropole, zur Totenstadt mit Kuhglockengeläut und Alpenblick.
"Gegen Kitzbühel als Ort hab ich gar nichts, gegen Kitzbühel als Idee hab ich auch nichts, aber es ist ein sehr interessantes Szenario für einen Kriminalroman, wenn sich an einem Ort die Reichen eines Landes oder eines Kontinents treffen, unter dem Vorzeichen, sich die Natürlichkeit und Bäuerlichkeit eines Ortes anzueignen und dort ihre Millionen zu genießen. Das gibt einfach was her für einen Kriminalroman."
Wolf Haas pflegt eine listige Form des Erzählens, bei dem sich die Umwege als die eigentlichen Hauptwege erweisen. Dabei geht's diesmal noch um einiges makaberer zur Sache als in früheren Haas-Büchern, des Autors Lust an Brutalitäten scheint nicht minder ausgeprägt als die an Sprachspiel und gepflegtem Wortwitz. Da spritzt das Blut, da schmurgeln Leichen in einem Meer aus Kot, da wird in der Senkgrube herumgegatscht, dass einem richtig schlecht wird beim Lesen. Warum so grauslich, Herr Haas?
"Warum ich's mach, hat, glaube ich, am ehesten darin seinen Grund, dass Humor dann am interessantesten ist, wenn er sich mit eigentlich traurigen Dingen befasst. Wenn etwas nur lustig ist, dann ist es wahrscheinlich nicht mehr als ein dröger Schenkelklopfwitz."
Und darum kann es einem wie Wolf Haas natürlich nicht gehen. Dennoch, man unterhält sich prächtig bei der Lektüre seines neuen Romans, manchmal auch etwas unter seinem Niveau, aber das darf man wohl nicht so eng sehen. Feinziselierter, manchmal auch kunstvoll infantiler Sprachwitz und melancholische Gesellschaftskritik von hinterfotziger Gemeinheit verbinden sich in diesem 240-Seiten-Roman zu einer unwiderstehlichen österreichischen Mischung.
Haas: "Also, hochoffiziell wiederhole ich: Der Brenner ist nie gestorben, der Erzähler ist gestorben im sechsten Brenner-Roman. Und irgendwann ist mir der schöne Satz aus der Umgangssprache in den Sinn gekommen: Wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen. Man sagt das, wenn jemand besonders viel redet. Und ich dachte mir: Sollte ich jemals wieder Lust haben, einen Brenner-Roman zu schreiben, dann fange ich einfach damit den neuen Roman an. Der Erzähler ist zwar tot, aber sein Maul habe ich zu erschlagen vergessen. Und das plappert munter weiter."
Und wie es plappert. Der neue Brenner-Krimi ist vielleicht noch lustiger, noch abgründiger und makaberer als die früheren Bände der Serie. Simon Brenner, so erfahren wir zu Beginn, hat als Chauffeur und Bodyguard bei einem Münchner Baulöwen angeheuert. Brenners Job: Die zweijährige Tochter des Beton-Tycoons zwischen München, Kitzbühel und Wien hin und her zu kutschieren. In Wien, so lässt das munter drauflos plappernde Erzähler-Ich uns wissen, betreibt die Mutter der Kleinen eine gutgehende Abtreibungsklinik, und wenn die gestressten Eltern einmal richtig gemütlich Familienleben spielen wollen, treffen sie sich alle drei in "Kitz". Helene, das Töchterchen, scheint unter den vielen Autofahrten nicht weiter zu leiden. Versteht sich die Zweijährige doch bestens mit ihrem "Personal Driver".
Auch Simon Brenner, der Chauffeur, ist ganz vernarrt in die Kleine. Umso größer seine Bestürzung, als Helene eines Tages auf einer Autobahn-Raststätte entführt wird, während er, der für das Kindeswohl Verantwortliche, einen schnellen Espresso im Tankstellen-Shop runterkippt. Brenner dreht fast durch vor Verzweiflung, frage nicht. Wer kann die Kleine entführt haben? Da gibt's viele, zu viele Möglichkeiten. Der Vater ein stinkreicher Baumafioso, die Mutter eine erfolgreiche Medizinerin, der Abtreibungsgegner das Leben zur Hölle machen: Also, Feinde hätten die Eltern genug. Simon Brenner beginnt zu ermitteln, und wendet sich zuerst den militanten Abtreibungsgegnern zu.
"Mich hat das interessiert, diese Form der Drohung, dass dieser Oberabtreibungsgegner der Ärztin droht, wir werden dir dein Kind auch wegnehmen, weil du dem lieben Gott auch so viele Kinder wegnimmst. Das ist mir als so eine fiese Drohung erschienen, der ich einfach nachgehen wollte."
Bald wird klar: Die Abtreibungsgegner stecken nicht hinter der Entführung. Dafür scheint der Papa der Kleinen eine Menge Dreck am Stecken zu haben. Zusammen mit einem korrupten Baubeamten und einem salbungsvollen katholischen Banker, offenbar aus dem Raiffeisen-Milieu, betreibt Helenes Vater ein sogenanntes "Stadtentwicklungsprojekt" im Wiener Prater - ein mehr als anrüchiges Geschäft. Genauso anrüchig wie die Senkgrube in der Kitzbüheler Almhütte des Baulöwen, in der im Lauf der rasanten Handlung eine Reihe von Leichen entsorgt werden. Am Ende stehen sieben Tote, und Kitzbühel wird zur rustikalen Nekropole, zur Totenstadt mit Kuhglockengeläut und Alpenblick.
"Gegen Kitzbühel als Ort hab ich gar nichts, gegen Kitzbühel als Idee hab ich auch nichts, aber es ist ein sehr interessantes Szenario für einen Kriminalroman, wenn sich an einem Ort die Reichen eines Landes oder eines Kontinents treffen, unter dem Vorzeichen, sich die Natürlichkeit und Bäuerlichkeit eines Ortes anzueignen und dort ihre Millionen zu genießen. Das gibt einfach was her für einen Kriminalroman."
Wolf Haas pflegt eine listige Form des Erzählens, bei dem sich die Umwege als die eigentlichen Hauptwege erweisen. Dabei geht's diesmal noch um einiges makaberer zur Sache als in früheren Haas-Büchern, des Autors Lust an Brutalitäten scheint nicht minder ausgeprägt als die an Sprachspiel und gepflegtem Wortwitz. Da spritzt das Blut, da schmurgeln Leichen in einem Meer aus Kot, da wird in der Senkgrube herumgegatscht, dass einem richtig schlecht wird beim Lesen. Warum so grauslich, Herr Haas?
"Warum ich's mach, hat, glaube ich, am ehesten darin seinen Grund, dass Humor dann am interessantesten ist, wenn er sich mit eigentlich traurigen Dingen befasst. Wenn etwas nur lustig ist, dann ist es wahrscheinlich nicht mehr als ein dröger Schenkelklopfwitz."
Und darum kann es einem wie Wolf Haas natürlich nicht gehen. Dennoch, man unterhält sich prächtig bei der Lektüre seines neuen Romans, manchmal auch etwas unter seinem Niveau, aber das darf man wohl nicht so eng sehen. Feinziselierter, manchmal auch kunstvoll infantiler Sprachwitz und melancholische Gesellschaftskritik von hinterfotziger Gemeinheit verbinden sich in diesem 240-Seiten-Roman zu einer unwiderstehlichen österreichischen Mischung.