Breites Repertoire

Von Kerstin Ruskowski · 09.10.2009
Vor 15 Jahren wurde der Frauenchor "ex-semble" im pfälzischen Münchweiler gegründet. Sein Repertoire deckt über 500 Jahre Musikgeschichte ab. Mal singen die Frauen Popsongs, mal Volkslieder oder sie interpretieren geistliche Musik.
"Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein"


Der Legende nach saß die Loreley auf einem Felsen bei St. Goarshausen über dem Rhein. Mit ihrem Gesang brachte sie die Seeleute vom Kurs ab. 150 Kilometer südlich davon, in der Südwestpfalz, liegt Münchweiler an der Rodalb in einem bewaldeten Tal. Auch in Münchweiler wird gesungen: Im letzten Jahr hat hier der ortsansässige Frauenchor "ex-semble" eine CD mit deutschen Volksliedern aufgenommen.

Ein Mal pro Woche, am Samstag, treffen sich die Sängerinnen mit ihrem Chorleiter zu einer sechsstündigen Probe. Andrea Kästner singt im Alt. Sie ist heute nur für eine knappe Stunde vorbeigekommen, denn die 36-Jährige ist gerade Mutter von Zwillingen geworden.

Andrea Kästner: "Ich hab schon nen Sohn, der ist zwei Jahre alt. Und bei dem war ich eigentlich bis ganz zum Schluss dabei – das ging ganz gut. Aber mit zweien ist es doch schon ein bissl anstrengender. Und da hab ich jetzt gegen Ende dann pausiert und will jetzt dann wieder so langsam einsteigen – mal so stundenweise. Aber es ist halt schon anstrengend mit zwei Kindern oder mit drei Kindern dann, die unterzukriegen, ne. Mal so für vier Stunden oder länger dann. Ist halt nicht so einfach."

Mit 36 Jahren ist Andrea Kästner die Älteste im Ensemble von "ex-semble". Das Repertoire des Frauenchors erschöpft sich nicht nur in Volksliedern. Nach Stimmlagen geordnet sitzen die knapp 30 Sängerinnen im Halbkreis vor dem Chorleiter Christoph Haßler. 1990 hat er zum ersten Mal einen Chor dirigiert – einen Kinderchor. Damals musste er kurzfristig für seinen Vater einspringen.

Christoph Hassler: "Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, weil ich gemerkt hab, wenn ich die Hand heb, fangen die an zu singen. Das ist, man hat's da in der Hand. Das ist wie so ein Kutscher auf der Kutsche, wenn man loslegt, fangen die an zu singen."

Schnell übertrug ihm sein Vater die Leitung des Kinderchores. Und als 1994 die ersten Mädchen zu alt für den Kinderchor wurden, entstand die Idee für einen Frauenchor. Denn das Singen wollte keines der Mädchen aufgeben. Eine von ihnen ist die inzwischen 33-jährige Altistin Tanja Ehrhart:

"Ich hab auch nen Teil meiner beruflichen Planung danach ausgerichtet. Sprich: Ich hab in Landau studiert, damit ich nicht allzu weit weg bin und da am Wochenende auf jeden Fall da sein kann. Und ... Also, spielt schon ne große Rolle. Würd ich mir auch nicht nehmen lassen wollen."

Mit nur neun Sängerinnen gründete Christoph Haßler vor 15 Jahren den Frauenchor:

"Und der Name war, der entstand auch kurios. Ich musste damals dauernd pendeln - vom Studienplatz zu der Chorprobe – und stand häufig im Stau. Und hatte ein kleines Wörterbuch im Auto und blätterte im Wörterbuch und war beim Buchstaben "e" und hab "Ensemble" gelesen und "Experiment" und dann hab ich auf der Chorprobe gesagt, so aus Witz eigentlich, 'Ich hab nen Namen für uns, wir heißen "ex-semble".' – also Experiment und Ensemble."

An die Rückenlehne eines Stuhls gelehnt, steht Christoph Haßler vor den Frauen. Mit der rechten Hand gibt er auf dem Klavier die Töne vor, mit der linken dirigiert er. Dabei achtet er sehr genau auf Feinheiten und Zwischentöne:

"Feras et tyrannum – und dann hoch! Mortem feras et tyrannum! Noch mal der Alt, bitte. Alt. Zwei, drei, vier."

Franziska Russ und Theresa Brechtel sind mit 15 und 17 Jahren die jüngsten Mitglieder von "ex-semble":

"Für mich ist das Singen oder Musizieren allgemein sehr wichtig, weil einfach ... es macht Spaß und man ist mit anderen zusammen und lernt sehr viel."

"Ich sing in noch nem Chor in meinem Heimatdorf und ... also, ich sing echt gern. Und so von den Liedern her sing ich eigentlich Volkslieder viel lieber."

Bei der langen sechsstündigen Probe gibt es immer auch Gelegenheit, gemeinsam herumzualbern. Die Musik und das Singen sind für alle wichtig. So auch für die 20-jährige Sonja Doniat aus dem Sopran:

"Ich wollt auch ursprünglich Gesang studieren und fang jetzt mit Musikwissenschaft an. Also, das ist jetzt nicht nur irgendein Hobby wie jetzt Fußballspielen, Klavierspielen oder so, sondern es ist halt schon mehr. Und ich kenn die Leute hier echt schon eigentlich mein ganzes Leben lang. Deswegen ist es eigentlich wie eine Familie."

Es ist diese besondere Vertrautheit, die die Mitglieder von "ex-semble" zusammenschweißt. Manche sind sogar mit Christoph Haßler gemeinsam zur Schule gegangen.

Hassler: "Da ist man sehr persönlich. Also auch der Umgangston, für nen Außenstehenden, da denkt man 'Mann, die gehen mit dem Chorleiter um' oder auch 'Wie geht denn der mit seinen Sängerinnen um'. Das ist aber auch das einzigartig Schöne in dem Chor, dass man so direkt ist. Da wird nicht um den heißen Brei geredet. Manchmal knallt's und die Luft ist danach wieder sauber und das ist sehr direkt."

Pflichten wie Studium, Arbeit und Familie drängen den Gesang zunehmend an den Rand. Doch nur an den Rand der Woche: Denn ein Leben ohne "ex-semble" ist für die meisten nur schwer vorstellbar.


Service:
Sein erstes Weihnachtskonzert gibt der Chor aus Münchweiler an der Rodalb am 29. November in Michelstadt an.


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