Bredekamp widerspricht Savoys Empfehlungen

"Ich lehne diese Argumentation der Gleichsetzerei ab“

Blick in die zukünftige Ausstellungsgestaltung der neuen Bootshalle mit Schaudepot, Ethnologisches Museum
Die zukünftige Ausstellungsgestaltung im Ethnologischen Museum in Berlin. © Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum, Ausstellungsgestaltung: Ralph Appelbaum Associates / malsyteufel
Moderation: Eckhard Roelcke · 26.11.2018
Die Debatte um den Umgang mit Kunstobjekten aus den französischen Kolonialgebieten sorgt auch in Deutschland für Diskussionen. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp fordert, dass für deutsche Museen die Prägung durch aufklärerische Ideen beachtet werden müsse.
In Reaktion auf die Forderung der französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, Kunst- und Kultobjekte, die in kolonialen Kontexten aus Afrika nach Europa gelangten, an die ehemaligen Kolonialstaaten zurückzugeben, rät der deutsche Kunsthistoriker Horst Bredekamp, Gründungsintendant des Humboldt Forums bis Juni 2018, zu einem differenzierten Umgang mit den Sammlungsobjekten in Deutschland. "Es gibt eklatante Unterschiede zwischen den Sammlungen in Berlin, in Deutschland überhaupt, und den Sammlungen in den großen kolonialen Mächten", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.

Viele der Sammlungen der großen deutschen ethnologischen Museen seien in einem aufklärerischen Geist entstanden, der koloniale Bestrebungen ablehnte. Diese aufklärerischen Ideen der großen deutschen Sammlungen, würden in der Debatte geradezu "eliminiert".
Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp
Für den Kunsthistoriker Horst Bredekamp muss ein sehr klarer Unterschied gemacht werden zwischen den Sammlungen deutscher Häuser und denen in Frankreich oder Großbritannien. © dpa / Tim Brakemeier
"Und damit auch die Begründung und Rahmenstellung der Sammlungen, die sich in Dahlem befinden von ihrem Ursprung her und die [mit Objekten] angereichert wurden natürlich um 1900 in großer Zahl. Aber die Bedingungen des Sammelns lagen Generationen zuvor und die sind mit der besten deutschen Tradition überhaupt zu verbinden, das sind Leibniz, Georg Forster, die Brüder Humboldt, Adolf Bastian und eine große Zahl weiterer Forscher."

Sammlungen geprägt von kritischer Haltung zum Kolonialismus

Die Deutschen hätten einen anderen Erfahrungshorizont besessen bis tief in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, so Bredekamp: "In Deutschland gab es keinen Nationalstaat und das ist der fundamentale Unterschied gegenüber Frankreich, das seit dem 17. Jahrhundert, seit dem Sonnenkönig, eben alle Macht in Paris konzentriert hat. In Deutschland ist jeder Bewohner, der über etwa 100 Kilometer gereist ist, in eine neue Nation gekommen, in eine neue Gemeinschaft, er musste sich umorientieren, er musste seinen eigenen Standpunkt relativieren, das ist der entscheidende Erfahrungsunterschied, der in den deutschsprachigen Diskussionen und Reflexionen sehr früh, und früher als in anderen Regionen, einen Universalismus hat entstehen lassen, der mit Leibniz zu verbinden ist."
Auch während des Deutschen Kaiserreichs habe in den Museen kein kolonialer Geist geherrscht. Bredekamp spricht hier von einem "linksliberalen Drang, viele Objekte in eine Sammlung zu überführen": "Das stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert, als überlegt wurde, nicht die Hochkunst, sondern die Gebrauchsgegenstände [zu sammeln]. Kleidungsstücke und Musikinstrumente, alles, was wir als niedere Kunst bezeichnen, ist eigentlich die höhere Kunst, wenn man eine Gemeinschaft im Innersten verstehen will." Dies würde auch erklären, warum die Sammlungen in deutschen Museen umfangreicher seien als etwa in Frankreich oder Großbritannien.

Forderung nach differenzierter Betrachtung

Bredekamp fordert für den Umgang mit den Sammlungen in Deutschland ein "Ende der Gleichsetzerei" und er ruft seine Kollegen dazu auf, ihre Einschätzung zum Umgang mit den historischen Funden in den deutschen Museen in einen richtigen Rahmen zu stellen: "Die Wissenschaft muss zunächst einmal sich selbst jenseits von Zeitgeisten dieser Frage grundlegend stellen."


Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hatte bereits im vergangenen Jahr als Mitglied des Beirats des Humboldt Forums für Schlagzeilen gesorgt. Sie hatte dem Humboldt Forum, in das auch das Ethnologische Museum Dahlem mit seinen Sammlungen zieht, vorgeworfen, die Geschichte seiner Objekte nicht offenlegen zu wollen. Angesprochen auf die Empfehlungen Savoys an Macron, findet Bredekamp diese "sehr verdienstvoll in der nach Ländern und Regionen geordneten Auflistung der Objekte, die effektiv geraubt wurden, in den Vorschlägen zur Inventarisierung und einer mittelfristigen Strategie, um zu Lösungen von Fällen zu kommen und auch vielleicht der Gesamtheit [des Umgangs mit dem kolonialen Erbe]."
Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy
Die Thesen der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy sorgen für heiße Debatten auch über Frankreich hinaus. © AFP / Patrik Stollarz

Rückgabeforderung fußt auf falscher Grundannahme

Savoys Forderung, dass Sammlungsobjekte zurückzugeben seien, für die es keine klar nicht-kolonialen Herkunftsnachweise gebe, lehnt Bredekamp ab. Die Grundannahme, dass Objekte also nahezu immer geraubt wurden, wenn es nicht anders dokumentiert sei, sei eine "Umkehrung der Unschuldsvermutung, die mit einem modernen oder aufgeklärten Rechtssystem wenig zu tun hat".

(str)
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