Brecht-Kenner und gefürchteter Theater-Kritiker

Von Michael Opitz |
Ernst Schumacher ist 28 Jahre alt, als er Bertolt Brecht zum ersten Mal begegnet. 1949 stehen sich in Brechts Haus in Berlin-Weißensee zwei Bayern gegenüber. Der Augsburger Stückeschreiber, der 1933 vor seinen Landsleuten fliehen musste, trifft auf einen ehemaligen Wehrmachtssoldaten. Schumacher will seine Doktorarbeit über dessen frühe Stücke schreiben.
Allerdings wird die Dissertation nicht in München, sondern in Leipzig von Hans Mayer betreut werden. Als Externer vertieft sich Schumacher in Brechts Schriften, aber er arbeitet auch als Korrespondent des Ostberliner Rundfunks in Oberbayern. 1953 promoviert er mit der Arbeit Die dramatischen Versuche Bertolt Brechts 1918-1933 in Leipzig und legt das Rigorosum bei Hans Mayer und Ernst Bloch ab. Heute eine Vita nach Maß, damals in Ost wie West ein eher fragwürdiger Abschluss über einen problematischen Autor.

Als er schließlich nach dem Mauerbau in die DDR übersiedelt, ist Brecht bereits fünf Jahre tot und Hans Mayer und Ernst Bloch lehren im Westen. Der Schritt ist eine Demonstration, was auch so verstanden wird.

Schumacher wird Professor an der Humboldt-Universität. Er macht sich einen Namen als Brecht-Kenner und schreibt Theaterkritiken für die Berliner Zeitung. Als Kritiker ist er eine Instanz - eine Art Friedrich Luft des Ostens. Seine Vergleiche sind gefürchtet, denn er hat die großen Mimen in den berühmten Brecht-Rollen gesehen: Hans Albers als Mackie Messer, die Weigel als Mutter Courage, Ernst Busch als Galilei.

Die Hoffnungen, die Schumacher in das Gesellschaftsmodell DDR setzt, gehen nicht auf. Nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft wird er 1993 aus der Akademie der Künste herausgewählt - eine Kränkung, die tief sitzt. Doch die Fronten bleiben nicht verhärtet - 2003 wird der Vorlass von Ernst Schumacher in die Bestände der Akademie der Künste aufgenommen.