Braune Häuser

Von Daniela Kahls |
Einen ihrer größten politischen Erfolge landete die NPD in Sachsen mit dem Einzug in den Landtag nach den Wahlen im September 2004. Wobei sich zeigte, dass die Rechtsextremisten vielerorts bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen waren. Indizien dafür gab es schon früher: beispielsweise der Erwerb von Immobilien wie das Verlagshaus der „Deutschen Stimme“ in Riesa, von wo aus die NPD ihren Siegeszug in Sachsen antrat.
Auch anderswo waren Parteiaktivisten oder Mittelsmänner aktiv: in Borna im Leipziger Land oder in Gränitz bei Freiberg im Erzgebirge, wo Parteiaktivisten beziehungsweise ihre Mittelsmänner Immobilien ersteigerten mit dem Ziel, „braune“ Denkmäler oder Schulungszentren zu errichten. Hier allerdings wehren sich Kommunen und Landkreise dagegen. Ihre praktischen und rechtlichen Möglichkeiten dazu sind jedoch eher begrenzt.

Ein kleines Gewerbegebiet am Rande vom Riesa, einer mittelgroßen Stadt mitten in Sachsen. Das Gewerbegebiet besteht eigentlich nur aus einer Straße, grenzt an hügelige Felder und die Einfamilienhaus-Siedlung „An der Obstplantage“. Eine handvoll kleiner Bauunternehmen hat sich hier mit Lagerhallen angesiedelt. Dazwischen unscheinbar, ganz in weiß gehalten, das Verlagshaus der Deutschen Stimme, der monatlichen Parteizeitung der NPD. Nur die kleine Aufschrift „Deutsche Stimme“ über dem LKW-Rolltor lässt von außen ahnen, wes Geistes Kind die Fuhren sind, die von hier aus in die ganze Republik rollen. Konkreter wird’s, wenn man den kleinen Laden neben dem Rolltor betritt.

In dem vielleicht 25 Quadratmeter großen Laden gibt es T-Shirts mit dem Aufdruck Nationaler Widerstand, germanischen Trinkhörnern und messing-bronze patinierten Reichsadlern auf Marmorsockel, außerdem DVDs über Hitlerdeutschland in Farbe. Alles in allem eine Auswahl dessen, was das rechte Herz begehrt. Eigentlich alle denkbaren rechten Devotionalien sind über den Versandhandel der Deutschen Stimme zu beziehen. Der Versandhandel ist nach Auskunft von Holger Apfel, dem sächsischen NPD-Vorsitzenden, eines der marktführenden Versandhäuser im nationalen Lager und das wirtschaftliche Rückgrat der Partei. Das Logistikzentrum ist hier im Gewerbegebiet in Riesa, in der riesigen Lagerhalle, in die man über die Ladentheke hinweg blicken kann. Hinter der Theke steht ein hilfsbereiter junger Mann, einen portablen Telefonhörer am Ohr installiert. Hier bitte, der Katalog, der da, in Hochglanz, auf dem steht: Staatsformen und Regierungen kommen und gehen doch das Reich bleibt ewig bestehen. Und liefern können wir so in drei Tagen

„Gut alles klar, wenn Sie wollen, können Sie auch ne neue Zeitung mitnehmen, die ist vorgestern gekommen. Jo alles klar, tschüssi ...“

Versandhandel, Zeitung und Parteiarbeit – hier in Riesa läuft alles zusammen. Die Bedeutung des Standortes für die rechtsextreme Partei ist also nicht zu unterschätzen. Das bestätigt auch Holger Apfel, der lange Jahre Verlagsleiter der Deutschen Stimme war und nun wegen übermäßiger Ämterbelastung nur noch als Chefredakteur fungiert:

„Der Verlag Deutsche Stimme hat sich zu einem der maßgeblichen Logistikzentren der Partei entwickelt. Wir haben die Logistik des Verlages genutzt, um den Landtagswahlkampf 2004 zu organisieren, vieles, was im Freistaat gelaufen ist, wäre ohne Rückdeckung des Verlages in personeller, finanzieller und logistischer Natur nicht möglich gewesen.“

Das Ganze nahm vor sechs Jahren seinen Anfang. Damals kaufte die NPD das Grundstück samt Gebäude bei einer Zwangsversteigerung. Der vorherige Eigentümer war der NPD-Stadtrat aus Riesa Jürgen Günz. Er war mit seiner Heizungs- und Sanitärfirma in Insolvenz gegangen. Die Volksbank Riesa als Schuldner war damals zufrieden über den guten Versteigerungspreis und der insolvente NPD-Mann Günz war auch zufrieden. In der regionalen Presse verkündete er, dass er froh sei, dass alles in nationaler Hand bliebe. Der Umzug der NPD aus Oberbayern nach Sachsen ging unproblematisch über die Bühne, es gab nur eine Gegendemonstration und das war’s dann auch mehr oder weniger mit den Protesten vor Ort. Und heute hat man sich längst dran gewöhnt, an die NPD in der Nachbarschaft:

Umfrage:
Frau: „Na gut, am Anfang haben wir gedacht, wer weiß was hier losgeht. Aber eigentlich ganz ruhig, passiert nichts weiter. Selbst wo jetzt Geburtstag war von Adolf Hitler war auch nichts. Alles ganz ruhig.“
Mann: " Man merkt eigentlich nichts davon, ich denke, dass sie ihr eigenes Nest nicht beschmutzen wollen. Nur ganz selten mal hört man sie hintenrum, wenn sie ne Feier haben oder so, aber ansonsten merkt man nix, ganz ruhig und friedlich.“

Ortswechsel nach Zittau. Eine Kleinstadt rund 200 Kilometer südöstlich von Riesa, am Rande von Deutschland, im Dreiländereck zwischen Polen und Tschechien. Hier in der Oberlausitz existiert eine der ältesten Kameradschaften Sachsens, der Nationale Jugendblock Zittau, kurz NJB. 1992 gründeten Angehörige der extrem rechten Szene den NJB, in einer Zeit, in der Angriffe auf Aussiedler und deren Unterkünfte in Zittau nicht selten waren. Fast zehn Jahre lang konnte der NJB das städtische Haus in der Südstraße 8 nutzen. Ein Sozialarbeiter sollte die Rechten kontrollieren. Das hat aber nicht so ganz funktioniert: Von der Südstraße 8 aus wurden Skinheadaufmärsche organisiert, es fanden Konzerte statt und der Sozialarbeiter hatte nur zu einigen von den Jugendlichen ausgewählten Räumen Zugang. Wie sich später bei einer Polizeirazzia herausstellte, hatten die NJBler sich in aller Ruhe einen Schießstand unter dem Dach eingerichtet. Da wurde man in der Stadt dann doch hellhörig. 2002 stand in Zittau die Frage im Raum: Wie geht es weiter mit dem NJB und der Südstraße 8? Die CDU brachte einen Antrag in den Stadtrat ein, dass für das Haus mit dem rechtsextremistischen Verein ein Erbpachtvertrag abgeschlossen werden sollte. Anfangs wurde die örtliche CDU darin durch den parteilosen Oberbürgermeister Arnd Voigt unterstützt:

„Ich bin schon mit der Amtsübernahme davon ausgegangen, dass der NJB gleichgestellt werden sollte mit jedem anderen Verein in der Stadt Zittau, die anderen besitzen mehrheitlich Grundstücke im Erbpachtverhältnis. Im Zuge des Erkenntnisprozess war natürlich klar, dass der NJB nicht so einfach gleichzustellen ist mit den anderen Vereinen der Stadt Zittau.“

Der CDU-Antrag ging zunächst durch den Stadtrat, was die Rechten jubeln ließ und für einen bundesweiten Eklat sorgte. Doch der Oberbürgermeister hatte mittlerweile erkannt, dass ein Erbpachtvertrag über eine städtische Immobilie mit einem durch den Verfassungsbericht als rechtsextrem eingestuften Verein vielleicht doch nicht der klügste Schachzug sei. Und so wurde der städtische Vertragsabschluss mit den Rechtsextremen noch verhindert. Zu spät, lautet trotzdem die verheerende Kritik des Verfassungsschutzes. Durch die jahrelange Nutzung der Südstraße 8 hat sich die rechtsextreme Szene in Ostsachsen fest etabliert, so Alrik Bauer vom sächsischen Verfassungsschutz:

„Wir hatten da mehrere Beispiele in Sachsen, unter anderem beim NJB in Zittau. Hier fanden mehrere Veranstaltungen, Konzerte, Skinheadpartys statt, die auch von Rechtsextremisten aus anderen Bundesländern genutzt wurden. Das führte dazu, dass sich das Objekt überregional etabliert hat und dass sich die Szene eines Zuwachses erfreuen konnte.“

Zurzeit ist der Nationale Jugendblock in Zittau gerade mit dem Ausbau einer Doppelhaushälfte beschäftigt. Die Rechten haben dabei aus den Problemen der letzten Jahre ihre Schlüsse gezogen: Das neue Objekt ist von einem Unterstützer in einer Versteigerung gekauft worden, jetzt müssen sie mit der Stadt keine Vertragsverhandlungen mehr führen.

Riesa und Zittau – zwei ganz unterschiedliche Beispiele dafür, welche Bedeutung eine entsprechende Immobilie für den Ausbau von rechtsextremen Strukturen vor Ort hat. Volker Lange, der ehemalige Referatsleiter Rechtsextremismus vom sächsischen Verfassungsschutz fasst die Erfahrungen zusammen:

„Zum einen natürlich ist im Umfeld so eines Objektes generell mit einem Ansteigen der rechtsextremen Aktivitäten zu rechnen. Und zum anderen, das ist meiner Meinung nach die größere Gefahr, das zieht gerade Jugendliche an, die schon früh mit der rechtsextremen Ideologie in Berührung kommen. Die ziehen sich aus der normalen Sozialarbeit zurück und gehen in dieses rechte Zentrum. Und das ist vor allem eine langfristige Gefahr.“

In Sachsen, scheint es, hat man diese Gefahr mittlerweile erkannt, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Zumindest in einigen Städten und Kommunen:

Dezember letzten Jahres in Borna, einer von der Braunkohle geprägten Kleinstadt mit 22.000 Einwohnern südlich von Leipzig. Die Verantwortlichen von Stadt und Landkreis haben zu einer Demonstration aufgerufen. Denn es ist durch Zeitungsveröffentlichungen bekannt geworden, dass eine der exponierten Immobilien Bornas, das gutsähnliche ehemalige Verwaltungsgebäude der Braunkohle, über einen Mittelsmann gekauft, hinter dem Holocaust-Leugner stehen. Wieder über eine anonyme Grundstücksauktion. Und die aus Nordrhein-Westfalen kommenden Eigentümer wollen hier in Borna anscheinend eine Gedächtnisstätte für deutsche Kriegsopfer errichten. Schaut man sich die Protagonisten im Hintergrund genauer an, da finden sich unter anderen Horst Mahler und auch wegen Volksverhetzung verurteilte Alt-Nazis. Es lässt sich unschwer erahnen, was für eine Art Zentrum hier entstehen soll. Deshalb also der Aufruf zur Demonstration. Hunderte Bornaer waren gekommen, trotz Schneeregens. Der Präsident des Regierungspräsidiums, Christian Steinbach, war einer der Redner:

„Wir werden alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten nutzen, damit dieses Projekt in Borna nicht gelingen kann.“

Das Problem nur: der neue Eigentümer aus Meerbusch ist bereits im Grundbuch eingetragen. Insofern ist der Handlungsspielraum von städtischer Seite eingeschränkt. Die Verantwortlichen vor Ort haben also eigentlich zu spät davon erfahren, wer sich hier bei ihnen ansiedeln will. Von den Käufern sei das bewusst so eingefädelt worden, meint Bernd Merbitz, der Leiter der Polizeidirektion Westsachsen:

„Wir haben es hier mit Leuten zu tun, die sehr intelligent sind, die man von sehr äußerst rechts bezeichnen kann. Wir haben es nicht mit Leuten zu tun, die hier ein Skinheadkonzert machen wollen, die haben andere Ziele. Das sind hochprofessionelle rechte Leute, die die Situation beim Kauf dieser Häuser so wunderschön verpackt haben, dass man es beim ersten Blick wirklich nicht erkennen kann.“

Für Kommunen eine schwierige Situation, zumal in Ostdeutschland, wo man ja zunächst einmal froh ist, wenn sich für leer stehende Gebäude Käufer finden. Aber gerade das Beispiel Borna zeige, wie wachsam Kommunen dennoch sein müssen, so die Schlussfolgerung von Grit Hanneforth. Sie ist die Leiterin des Kulturbüros Sachsen und beobachtet die rechte Szene im Freistaat seit langem:

„Also wie krieg ich ein paar Prüfmechanismen rein, wer ist derjenige. Dass man guckt, find ich den wo. Gibt Internet, kann gucken, ob der in Zusammenhängen auftaucht. Wenn’s halt Strohmänner sind, hat man keine Chance, dann muss man schauen, dass man über Auflagen noch verhindert, dass da etwas entsteht, was die Kommune dauerhaft zu einem Walfahrtsort für Rechtsextreme macht.“

Und genau das versucht man nun in Borna. Hier hat man dem Eigentümer Anfang des Jahres die Baugenehmigung für die geplante Gedenkstätte entzogen. Die Begründung: das Areal sei vorher Verwaltungsgebäude gewesen, nur eine ähnliche Nutzung komme jetzt in Frage. Der Eigentümer prüft jetzt, ob er sich gegen diese Auflage vor Gericht wehrt.

Wohin das führen kann, sieht man in Gränitz bei Freiberg. Das sind ein paar Häuser entlang einer kleinen Landstraße Richtung Chemnitz. Idyllisch gelegen in den Ausläufern des Erzgebirges. Geschäfte gibt es hier nicht, nur eine kleine Kirche samt Friedhof. Der ehemalige Gasthof liegt direkt daneben, er ist schon seit gut 15 Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Die Fenster sind mit Brettern verrammelt, im verwilderten Gras steht ein Schild: Privatgrundstück, betreten verboten. Das Grundstück gehört Günther Deckert, dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden, der unter anderem wegen Volksverhetzung im Gefängnis saß. Vor über fünf Jahren hat Deckert das ehemalige „Deutsche Haus“ für 25.000 Mark von der Treuhand gekauft. Der aus Weinheim bei Heidelberg stammende Rechtsextreme fühlt sich wohl im Erzgebirge, eine deutsch-nationale Heimstatt, ein Schulungszentrum will er hier errichten:

„Ich habe heute morgen eine Schulklasse gesehen, die gewandert ist. Ich habe nur deutsche Gesichter gesehen. Wenn ich mir das in Weinheim anschaue, da sind nur Exoten. Das ist meine Vorliebe für Sachsen, hier bin ich unter Deutschen, noch.“

Solche Aussagen von Günther Deckert sind den Verantwortlichen vor Ort ein Dorn im Auge. Seit vier Jahren schon setzt sich das Landratsamt vor Gericht mit Deckert auseinander. Man will ihm aus formalen Gründen die nötige Baugenehmigung nicht erteilen. Die einzige Handlungsmöglichkeit, die es gibt, so Dietmar Lubos, der Leiter des Rechtsamtes:

„Es stimmt natürlich, dass politisch, das was wir befürchten, dass Deckert ein Schulungszentrum errichten möchte, nicht gewünscht ist. Aber das ist eine andere Sache. Wir sind als Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Wir können nur über Verwaltungs- und Baurecht auf einen Bürger, ob er nun Deckert heißt oder nicht, einwirken, wie uns das Gesetz diese Möglichkeit gibt.“

Offiziell hat Deckert einen Bauantrag auf Errichtung eines Wohn- und Wochenendhauses eingereicht. Dem stehen jedoch seine mehrfach vor der Presse wiederholten Äußerungen gegenüber, ein Schulungszentrum errichten zu wollen und das gleichermaßen beantragte 200 Quadratmeter große Stuhllager, drei Damen- und Herrentoiletten, zusätzliche Duschen und vieles mehr. Aus diesem Grund verweigert das Landratsamt ihm die Baugenehmigung. Gerichte in mehreren Instanzen jedoch haben bisher Günther Deckert Recht gegeben. Doch Landrat Volker Uhlig gibt auch nach vier Jahren noch nicht auf, er will bis zur letztmöglichen Instanz gehen, jeweils unter Ausnutzung aller Fristen bis zum letzten Tag:

„Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass das Verfahren zum Nulltarif zu haben wäre. Verwaltungskraft kostet Geld, die Frage ist zu bejahen, es kostet uns Geld.“

Aber, so Uhlig, jeder Tag ohne Deckert in der Region sei ein gewonnener Tag. Und so sind hier in Freiberg die langsamen Mühlen der Bürokratie für die Demokratie im Einsatz.