Branchentreffen unabhängiger Musiklabels

Wie auf YouTube ein neuer Musikmarkt entsteht

07:26 Minuten
Zuschauer filmen ein Konzert.
"YouTube-Labels pflegen oft enge Beziehungen mit Influencern", sagt Sarah Stam, die in den Niederlanden YouTube-Labels berät. © Unsplash / Noiseporn
Christoph Reimann im Gespräch mit Martin Böttcher · 20.06.2019
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Eine steile Musikkarriere dank YouTube? Weil die Konkurrenz dort immer größer wird, hat die Videoplattform inzwischen Musiklabels geschaffen, die für mehr Sichtbarkeit sorgen. So entsteht ein neuer Geschäftszweig, vorbei am alten Musikmarkt.
Auf der "A2IM Indie Week" in New York, dem weltweit größten Branchentreffen unabhängiger Musiklabels, wird diese Woche ausgiebig über die Frage diskutiert, wie kleine Labels im Internet Erfolg haben könne. Denn: "Künstlerinnen, die ein junges Publikum erreichen wollen, sind heute im Internet unterwegs", sagt der Musikjournalist Christoph Reimann, der von der "Indie Week" berichtet. Es seien die 14-Jährigen, die die Musikwelt bewegen, nicht die 40-Jährigen. Die jungen Musikfans würden vor allem auf YouTube Musik hören. Das Problem für Musikerinnen und Musiker: Die Konkurrenz auf der Plattform ist groß, die Erlöse gering.

Musiklabels auf YouTube

Aus der Not haben die Künstlerinnen und Künstler eine Tugend gemacht: Sie haben sich an YouTube gewandt und mehr Sichtbarkeit gefordert. "Das hat wirklich etwas bewegt", sagt Reimann. Aus YouTube-Kanälen seien YouTube-Labels geworden. Sarah Stam betreibt in den Niederlanden die Firma "Set The Tone" und berät diese Labels:
"Wir erleben gerade, wie einzelne Promo-Plattformen zu Musiklabels werden. Die Strukturen sind oft sehr einfach, die Deals sind oft 50-50-Deals, also ehrliche Deals. Meistens geht es nur um einzelne Songs. Das ist vor allem für junge Musikerinnen und Musiker interessant, die einen Vertag über zwei Singles abschließen – und dann weiterziehen, zu Major-Labels oder zu größeren Projekten."

Ein neuer Musikmarkt entsteht

So entsteht ein neuer Geschäftszweig, vorbei am alten Musikmarkt. "Das sind neue Geschäftsbeziehungen, die da aufgebaut werden, bei denen die alten Gatekeeper, etwa Journalistinnen, die entscheiden, was gut oder schlecht ist, nichts mehr zu melden haben", sagt Reimann. Problematisch sei, dass auf YouTube aber alles nur auf einer Plattform passiert und Influencer wichtig sind. Im Interview mit ihm habe Sarah Stam das so beschrieben:
"YouTube-Labels pflegen oft enge Beziehungen mit Influencern. Das unterscheidet sich aber nicht besonders von traditioneller Pressearbeit. Früher hat man versucht, Beziehungen zu Radiomoderatoren aufzubauen, zu Leuten vom Fernsehen, von Printmedien oder Blogs. Heute macht man das eben mit Influencern."

Ein kritisches Bewusstsein ist wichtig

Christoph Reimann sieht diese Aussage kritisch, denn im Musikjournalismus gebe es "ein geschultes Bewusstsein, wie viel Nähe zu PR-Agenturen okay ist". Influencer hingegen würden nicht unbedingt nach einem Regelwerk arbeiten. Sie seien anfällig, sich kaufen zu lassen. Reimann ist skeptisch, ob die Verträge, die Musikerinnen mit YouTube-Labels abschließen, wirklich besser seien als bei herkömmlichen Labels. Musikberaterin Sarah Stam sagt, man brauche einen langen Atem:
"Langfristig produzieren Streaming-Dienste eine ganze Menge unverfälschte Daten, die man nutzen kann, um zu wachsen. Und auch Geld. Es dauert nur länger. Über Streamingdienste und soziale Menschen kann man heute mehr Menschen als je zuvor erreichen."
Werden Musikjournalismus und der Plattenläden dann in Zukunft komplett überflüssig? Noch nicht, sagt Christoph Reimann, der deutsche Musikmarkt sei eher konservativ. Das werde gestützt von einer Studie, die auf der "A2IM Indie Week" vorgestellt wurde, so Reimann. Radio etwa spiele in Deutschland immer noch eine sehr große Rolle.
(chm)
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