Brainfood

Pommes sorgen für ein straffes Hirn

Pappteller mit Currywurst mit Pommes Frites steht auf einem Tisch in Konnopke's Imbiss in Berlin. Angeblich wurde die Currywurst 1949 in Berlin erfunden.
Wer an gesundes Brainfood denkt, denkt natürlich wie Udo Pollmer sofort an die Currywurst © picture alliance / dpa / Federico Gambarini
Von Udo Pollmer |
Viel Wasser trinken, Brokkoli und Heidelbeeren verzehren, das ist für körperbewusste Menschen "Brainfood". Damit liegen sie aber leider etwas falsch, meint Udo Pollmer - wer seinem Gehirn etwas Gutes tun will, sollte eher zu fettiger Currywurst und Pommes greifen.
Körperbewusste Menschen widmen sich gern ihren Problemzonen als da bisher waren: Bauch, Beine, Po. Das stete Gejammer ging unlängst einer Autorin auf den Geist, sie spottete genervt, die wichtigste "Problemzone" sei wohl doch das "Hirn". Zum Glück wissen Ernährungsberaterinnen Rat: Was zur Straffung von Bauch, Beinen und Po recht ist, sei fürs faltige Hirn nur billig: viel Brokkoli, fettarme Kost, und reichlich Wasser lautet der Tenor in den Onlinemedien.
Unser Gehirn ist auch nicht mehr das, was einmal war: Früher wurde es zum Zwecke des Denkens mit Traubenzucker betrieben, heute genügt Wasserkraft. Mit 78 Prozent sei Wasser schließlich der Hauptbestandteil, betonen Experten und folgern daraus, zur artgerechten Bewässerung seien zwei Liter am Tag erforderlich. Damit ließe sich das Blut verdünnen, und schon sind, wie die Apothekenumschau weiß, "die grauen Zellen gut durchblutet und (bekommen) so genügend Sauerstoff und Nährstoffe". Man sollte annehmen, Apotheker wüssten, was Blutverdünner sind. Falls sie wirklich Sauerstoff brauchen, bitte einmal tief durchatmen und den Rest den roten Blutkörperchen überlassen.

Fischöl statt Butter fürs Gehirn?

Während Wasser das neue Brainfood ist, wird vor echter Nervennahrung gewarnt: "Das Hirn leidet unter zu viel Fett". Seltsam: Die Lipide sind – nach Wasser - die wichtigsten Inhaltsstoffe der grauen Eminenz. Ihr exorbitanter Gehalt an Cholesterin wird nicht mal erwähnt, obwohl dieses für Intelligenz und psychische Stabilität benötigt wird. Doch statt Butter, die dem Hirnschmalz noch am ähnlichsten ist, wird zur Optimierung der Denkvorgänge zu Fischöl geraten. Dank Ernährungsberatung geht die Evolution jetzt wohl wieder rückwärts – zurück ins Wasser.
Mengenmäßig gleichauf mit den Lipiden liegt das Eiweiß. Dieses ist naturgemäß ein tierisches, und damit ein absolutes no-go. Explizit wird vor "Currywurst mit Pommes" gewarnt, damit mache das Hirn "schlapp". Dabei könnte es den Experten helfen, ihre Defizite auszugleichen: Currywurst liefert nicht nur hochwertiges Eiweiß, sondern auch tierisches Fett samt wertvollem Cholesterin, also die optimale Hardware fürs Oberstübchen, die Pommes sichern die Energieversorgung.

Das Hirn braucht keine Heidelbeeren - sondern Glucose!

Ein neu ernanntes Brainfood, auf das sich die Community der Haut- und Hirnstraffer geeinigt hat, sind Heidelbeeren. Vielleicht weil Reinecke Fuchs als schlau gilt und er, wenn er nix Vernünftiges zu fressen findet, auch mal ein paar Beeren vertilgt? Das Gehirn arbeitet weder mit Wasserkraft noch mit frisch gepflückten Beeren, sondern es benötigt Tag und Nacht Zucker, genauer gesagt Glucose. Davon sind in Heidelbeeren aber nur 3 Prozent enthalten. Wer den Glucosebedarf seines Hirns allein damit decken will, muss am Tag an die 5 Kilo futtern.
Insgesamt benötigen die grauen Zellen täglich 130 Gramm Glucose - das entspricht etwa 5 Tafeln Milchschokolade. Doch Süßes, so lese ich, schade dem Denkorgan. Wenn das stimmt, dann ruiniert Benzin demnächst die Otto-Motoren. Vielleicht sollten sie nicht nur ihr Hirn, sondern auch ihren Pkw mit dem Gartenschlauch betanken? Um solche Gefahren abzuwenden, bildet die Leber bei Bedarf selbst etwas Glucose. So fällt der Mensch bei Unterzuckerung nicht so leicht in Ohnmacht, falls er den rettenden Hunger auf Süßes missachtet.

Lecker Nitrat fürs Hirn

Wahre Großtaten sollen sekundäre Pflanzenstoffe vollbringen. Doch die sind dem Hirn ein Graus. Um sich zu schützen, weist die Bluthirnschranke alles "Sekundäre" ab, nur ausgewählte Substanzen, wie der lebenswichtige Traubenzucker gelangen bis hinauf zum Chef. Wären die Farbstoffe in Obst und Gemüse, wie gern behauptet wird, essbare Geistesgrößen, dann würden die Gehirne je nach Kost in bunten Farben schillern. Tun sie aber nicht.
Die einzige Substanz aus dem Gemüse, die das Hirn schätzt, ist ein kleines unscheinbares Molekül: das Nitrat. Der Körper stellt daraus zunächst Nitrit her und dann Stickoxid. Das ist ein Botenstoff, der – im Gegensatz zum Wasser – die Durchblutung der Kapillaren fördert und nachweislich bei älteren Menschen die geistige Fitness erhöht. Mahlzeit!
Literatur:
Fendel HM: Problemzone Hirn. Zeit-Online vom 10. Mai 2017
Kraft U: Brainfood: Fitness-Nahrung fürs Gehirn? Apotheken-Umschau.de vom 19. Sept. 2016
Boscarino JA et al: Low serum cholesterol and external-cause mortality: potential implications for research and surveillance. Journal of Psychiatric Research 2009; 43: 848-854
Rahe RH et al: Psychologic correlates of serum cholesterol in man: a longitudinal study. Psychosomatic Medicine 1971; 33: 399-410
Acker P: Blood Brain Barrier. Karjeda, Goldens Bridge 2014
Anon: Brainfood: Power-Lebensmittel. Edeka.de abgerufen am 25. Juli 2018
Anon: Brainfood – Rezepte für die geistige Fitness. Lecker.de
Neumann E: Welche Nahrung das Gehirn auf Touren bringt. Welt.de vom 16. Aug. 2013
Presley TD et al: Acute effect of a high nitrate diet on brain perfusion in older adults. Nitric Oxide 2011; 24: 34-42
Jung KH et al: Intravenous infusion of sodium nitrite protects brain against in vivo ischemia-reperfusion injury. Stroke 2006; 37: 2744-2750
Cosby K et al: Nitrite reduction to nitric oxide by deoxyhemoglobin vasodilates the human circulation. Nature Medicine 2003; 9: 1498-1505
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