Brahms' "Requiem" vor 150 Jahren

Trauermusik als Seligpreisung der Leidtragenden

koloriertes Porträt des jungen Johannes Brahms (1833-1897), sitzend am Klavier, sich mit dem linken Arm aufstützend.
Porträt von Johannes Brahms. Die Komposition des Requiems brachte dem jungen Komponisten den Durchbruch. © imago images / Leemage
Von Helga Heyder-Späth · 18.02.2019
Erst 35 Jahre ist Johannes Brahms alt, als 1869 sein "Deutsches Requiem" uraufgeführt wird. Das Werk machte ihn zu einem der berühmtesten Komponisten seiner Zeit. Er sagte über das Chorwerk später: "Ich habe nun Trost gefunden."
"Johannes hat mir einige prachtvolle Sätze aus einem deutschen Requiem von sich vorgespielt, es ist voll zarter und wieder kühner Gedanken."
Das notiert Clara Schumann im August 1866 in ihrem Tagebuch. Wie so oft hat sie mit ihrem Freund Johannes Brahms einige seiner Kompositionsprojekte besprochen, mit denen er meist über Jahre ringt. Auch an seinem "Deutschen Requiem" arbeitet Brahms damals schon länger. Sowohl der Tod Robert Schumanns 1856 als auch der Tod seiner eigenen Mutter fast zehn Jahre später könnten Brahms dazu bewegt haben, ein Requiem zu komponieren.
"Den Text habe ich mir aus der Bibel zusammengestellt. Ich hoffe sehr, eine Art Ganzes zusammenzubringen."
Die Zitate aus dem Alten und Neuen Testament findet Brahms in seiner Hausbibel, einer Ausgabe der Hamburger Bibelgesellschaft.
"Wenn man diese Bibel aufschlägt, dann sehen wir, dass Brahms sich einzelne Stellen notiert hat, etwa bei den Psalmen 'Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten'. Und dann gibt es dort einen Verweis auf Matthäus 5, und das ist der Anfang des Requiems: 'Selig sind, die da Leid tragen'. Die Bibelgesellschaft hat eigentlich diese Vorarbeit getan. Und Brahms hat ganz auf diese Bibel vertraut."
... so Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Institutes an der Musikhochschule Lübeck.

Uraufführung in drei Etappen

Die Uraufführung des Requiems verläuft in Etappen. Ende 1867 erklingen die ersten drei Sätze in Wien, im April 1868 folgt im Bremer Dom eine Aufführung des bis dahin sechssätzigen Werkes für Bariton, Chor und Orchester. Aber Brahms ist noch nicht zufrieden. Wenig später ergänzt er das innige Sopran-Solo "Ihr habt nun Traurigkeit".
"Diesen Satz eingefügt hat er sicher so aus der Balance heraus zu dem Bariton-Solo. Und natürlich denke ich schon auch, dass ihn diese Trostmusik des Soprans selbst sehr berührt hat."
Am 18. Februar 1869 erlebt die Endfassung des Requiems im Leipziger Gewandhaus ihre Uraufführung. Publikum und Presse sind begeistert, und für Brahms bedeutet das mit fast 36 Jahren den Durchbruch zum international anerkannten Komponisten.
"Was den Text betrifft, so will ich bekennen, dass ich recht gerne auch das 'Deutsche' fortließe und einfach den 'Menschen' setzte."

Trost als Leitmotiv

Dies hatte er schon 1867 bemerkt. Tatsächlich wählt Brahms aus seiner Luther-Bibel vor allem Texte aus, die die Menschen trösten wollen. Aber bei der Drucklegung als sein Opus 45 bleibt es bei dem Titel "Ein deutsches Requiem".
Wolfgang Sandberger: "Dieses Wort 'deutsch' hat natürlich auch nationale Implikationen. Also der Rückgriff auf Luther bedeutet hier schon der Rückgriff auf eine nationale Identifikationsfigur. Und auf dieser Luther-Welle schwimmt auch dieses Brahms-Requiem sicher mit."
Daneben scheint die Auseinandersetzung mit Tod und Tröstung für Brahms auch ein ganz persönliches Anliegen gewesen zu sein:
"Ich habe meine Trauermusik vollendet als Seligpreisung der Leidtragenden. Ich habe nun Trost gefunden."

"Wunderbar, erschütternd, besänftigend"

Die individuelle Textauswahl, aber auch die musikalische Dichte der Komposition mit einer ebenso spannungsvollen wie innovativen Harmonik machen das "Deutsche Requiem" zu einem Solitär in der Musikgeschichte.
Clara Schumann hat das offensichtlich schon 1867 gespürt:
"Es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig Anderes. Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend."
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