Bosbach fordert präventive Strategie im Anti-Terror-Kampf
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, hat nach den gestern in England bekannt gewordenen Anschlagsplänen auf Zivilflugzeuge eine präventive Strategie im Kampf gegen den Terror angemahnt. Anders als bei dem Terrorismus der siebziger Jahre ließen sich die heutigen Terroristen nicht mehr vom Strafrecht abschrecken, erklärte der CDU-Politiker.
Marie Sagenschneider: Guten Morgen, Herr Bosbach.
Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.
Sagenschneider: Haben Sie inzwischen eine Antwort auf Ihre Frage erhalten? Wären wir genauso erfolgreich?
Bosbach: Wir müssen zunächst einmal die Ermittlungsergebnisse der britischen Sicherheitsbehörden sehr gründlich auswerten. Auch zur Beantwortung der Frage, wer sind die Täter, wer waren ihre Hintermänner, welche Helfershelfer hatten sie, mit wem haben sie kommuniziert. Von vielen Attentaten der letzten Jahre führten ja auch Spuren nach Deutschland, deswegen ist die Beantwortung dieser Frage auch für uns von großer Bedeutung. Und wir müssen uns natürlich fragen, ob denn die mutmaßlichen Tatmittel, also der flüssige Sprengstoff, bei der Gepäckkontrolle in Deutschland überhaupt entdeckt worden wäre.
Sagenschneider: Ja, wäre er entdeckt worden? Wieso?
Bosbach: Also nach meinem jetzigen Erkenntnisstand glaube ich das nicht. Denn, jedenfalls mit technischen Hilfsmitteln war, nachdem was ich jetzt lese in den Agenturen, wohl das Mittel nicht zu entdecken.
Sagenschneider: Glauben Sie denn, Herr Bosbach, dass die Gefahrenlage in Deutschland überhaupt vergleichbar ist mit der in Großbritannien?
Bosbach: Jedenfalls sollten wir uns vor der Annahme hüten, weil Deutschland nicht im Irakkonflikt unmittelbar militärisch beteiligt ist, seien wir auf der sicheren Seite. Ich habe gerade schon erwähnt, von vielen Attentaten führten Spuren nach Deutschland. Das gilt nicht nur für die Hamburger Terrorzelle, also die Attentate vom 11. September, das gilt auch für das Attentat auf der Insel Djerba. Durch den internationalen Terrorismus der letzten Jahre sind mehr Deutsche ums Leben gekommen, als durch den RAF-Terror der 70er Jahre.
Sagenschneider: Großbritannien hat ja insgesamt sehr viel schärfere Antiterrorgesetze als wir, die ja auch schon von vielen kritisiert werden, und von so manchem Gericht auch schon als zu weitgehend eingestuft worden sind. Hier geht es immer um die Gratwanderung, wie viel Schutz muss sein, wie viel Einschränkung der Bürgerrechte darf sein. Wo verläuft da für Sie die Grenze?
Bosbach: Ich glaube, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, Maß und Mitte zu halten, bei der Bekämpfung des Terrorismus. Wir haben es mit einer völlig anderen Gefahrenlage zu tun, als zur Zeit des Kalten Krieges, als sich zwei Militärbündnisse, gerade hier in Berlin, in Sichtweite, hochgerüstet gegenüberstanden, und als wir manchen ernsten Konflikt hatten. Diesen Konflikt haben wir nicht mehr, aber wir haben völlig neue Voraussetzungen für die innere Sicherheit und keine minder gefährliche Lage als zur Zeit des Kalten Krieges. Und wir müssen unsere Sicherheitsmaßnahmen der jeweiligen Gefährdungslage anpassen. Wir haben unmittelbar nach dem 11. September zwei Anti-Terror-Pakete verabschiedet. Es ist eine Menge getan worden, aber es gibt auch noch einiges zu tun. Nur ein Beispiel, wir reden seit Jahren über die Notwendigkeit einer Anti-Terror-Datei. Da geht es nicht um die Erhebung von neuen Daten, sondern es geht darum, dass die etwa 36 Behörden mit Sicherheitsaufgaben in Deutschland, die bereits vorhandenen, gewonnenen Informationen in eine Datei einstellen, damit die jeweils anderen Behören sich über den Kenntnisstand gegenseitig informieren können.
Sagenschneider: Und wer hat etwas dagegen? Die Länder?
Bosbach: Unter anderem, zum Beispiel aber auch die Sicherheitsbehörden selber. Die sagen, da gibt es sehr geheimhaltungsbedürftige, geheimhaltungsrelevante Informationen, wir möchten nicht, dass eine andere Behörde jedenfalls online zugreifen kann. Es gab auch Bund-Länder-Abstimmungen. Ich darf daran erinnern, dass wir ja mit der Föderalismusreform dem Bundeskriminalamt, nach langer Zeit, notwendigerweise Kompetenzen für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegeben haben. Die Gespräche jetzt auf Bund-Länder-Ebene sind abgeschlossen, und ich hoffe, dass wir das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abschließen können.
Sagenschneider: Aber aus den Reihen der Polizei kommen ja ähnliche Forderungen. Auch da heißt es, die Länder arbeiten nicht so effizient zusammen, wie es sein müsste und manchmal liegt es auch einfach an der unterschiedlichen Software. Sehen Sie denn da eine Möglichkeit, die Länder von mehr Vereinheitlichung zu überzeugen oder davon, dass mehr Kompetenzen möglicherweise auch beim Bund gebündelt werden müssten?
Bosbach: Ja und nein. Ich halte nicht viel davon, den Ländern Kompetenzen zu nehmen und sie dem Bund zu geben. Ich glaube nicht, dass eine zentrale Verantwortung für die innere Sicherheit unser Land tatsächlich sicherer machen würden. Oftmals hat die dezentrale Organisation Vorteile, weil sie viel ortsnäher ist. Wir haben jetzt eine Ausnahme gemacht, die habe ich gerade erwähnt: Bundeskriminalamt, Kampf gegen den internationalen Terrorismus, wenn grenzüberschreitende Gefahrenlagen vorliegen - also wenn mehr als ein Bundesland zuständig ist oder die Zuständigkeit eines Bundeslandes noch nicht erkannt werden kann. Aber wir sollten jetzt nicht Zuständigkeiten von den Ländern an den Bund übertragen.
Aber wir müssen natürlich den Informationsaustausch verbessern, das ist das A und O, weil es hier um Prävention geht. Prävention ist das Wichtigste bei der Bekämpfung des Terrorismus. Also Vorbeugung, denn der Terrorist heute, der lässt sich doch nicht durch unser Strafrecht abschrecken. Das ist ganz anders als beim RAF-Terror der 70er Jahre. Den Tätern damals kam es ja darauf an, davonzukommen, nicht gefasst zu werden. Wenn Menschen aber heute bereit sind, sich zu töten, um andere zu ermorden, dann schreckt sie jedenfalls das Strafrecht nicht ab. Und hinzukommt, in den 70er Jahren waren die Spitzen von Staat und Gesellschaft durch die RAF im Visier, heute suchen sich die Terroristen ganz bewusst weiche Ziele aus, weil sie wissen, dass sie dadurch eine sehr große Opferzahl erreichen und eine ganze Gesellschaft erschüttern können.
Sagenschneider: Was halten Sie denn in dem Zusammenhang, dass man jetzt auch schon Bomben in Shampoofläschchen füllen kann, von der Forderung ihres CSU-Kollegen Koschyk, die Grundlagen, oder jetzt ganz schnell, sagt er, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, um zur Abwehr von Terrorangriffen aus der Luft und von der See eben auch die Bundeswehr im Inneren einsetzen zu können?
Bosbach: Das ist nach wie vor richtig, die Forderung. Sie hat eine erneute Aktualität erhalten durch die Vorkommnisse. Und ich darf noch einmal sagen, dass es hier nicht um die Militarisierung der inneren Sicherheit geht, das ist schlicht Unsinn. Sondern es geht darum, dass wir die besonderen Fähigkeiten der Bundeswehr nutzen müssen, wenn nur sie in der Lage ist, eine bestimmte Gefahr abzuwehren. Es gibt Gefahrensituationen, da ist die Gefahrabwehrkompetenz bei der Polizei, aber sie hat nicht die Fähigkeit, zum Beispiel bei Angriffen aus der Luft. Umgekehrt hat nur die Bundeswehr diese technische Fähigkeit, aber sie hat nicht die Kompetenz. Und deswegen müssen wir Fähigkeit und Kompetenz zusammenführen. Das ändert nichts daran, dass nach wie vor es die Aufgabe der Polizei ist, die innere Sicherheit zu gewährleisten.
Sagenschneider: Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.
Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.
Sagenschneider: Haben Sie inzwischen eine Antwort auf Ihre Frage erhalten? Wären wir genauso erfolgreich?
Bosbach: Wir müssen zunächst einmal die Ermittlungsergebnisse der britischen Sicherheitsbehörden sehr gründlich auswerten. Auch zur Beantwortung der Frage, wer sind die Täter, wer waren ihre Hintermänner, welche Helfershelfer hatten sie, mit wem haben sie kommuniziert. Von vielen Attentaten der letzten Jahre führten ja auch Spuren nach Deutschland, deswegen ist die Beantwortung dieser Frage auch für uns von großer Bedeutung. Und wir müssen uns natürlich fragen, ob denn die mutmaßlichen Tatmittel, also der flüssige Sprengstoff, bei der Gepäckkontrolle in Deutschland überhaupt entdeckt worden wäre.
Sagenschneider: Ja, wäre er entdeckt worden? Wieso?
Bosbach: Also nach meinem jetzigen Erkenntnisstand glaube ich das nicht. Denn, jedenfalls mit technischen Hilfsmitteln war, nachdem was ich jetzt lese in den Agenturen, wohl das Mittel nicht zu entdecken.
Sagenschneider: Glauben Sie denn, Herr Bosbach, dass die Gefahrenlage in Deutschland überhaupt vergleichbar ist mit der in Großbritannien?
Bosbach: Jedenfalls sollten wir uns vor der Annahme hüten, weil Deutschland nicht im Irakkonflikt unmittelbar militärisch beteiligt ist, seien wir auf der sicheren Seite. Ich habe gerade schon erwähnt, von vielen Attentaten führten Spuren nach Deutschland. Das gilt nicht nur für die Hamburger Terrorzelle, also die Attentate vom 11. September, das gilt auch für das Attentat auf der Insel Djerba. Durch den internationalen Terrorismus der letzten Jahre sind mehr Deutsche ums Leben gekommen, als durch den RAF-Terror der 70er Jahre.
Sagenschneider: Großbritannien hat ja insgesamt sehr viel schärfere Antiterrorgesetze als wir, die ja auch schon von vielen kritisiert werden, und von so manchem Gericht auch schon als zu weitgehend eingestuft worden sind. Hier geht es immer um die Gratwanderung, wie viel Schutz muss sein, wie viel Einschränkung der Bürgerrechte darf sein. Wo verläuft da für Sie die Grenze?
Bosbach: Ich glaube, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, Maß und Mitte zu halten, bei der Bekämpfung des Terrorismus. Wir haben es mit einer völlig anderen Gefahrenlage zu tun, als zur Zeit des Kalten Krieges, als sich zwei Militärbündnisse, gerade hier in Berlin, in Sichtweite, hochgerüstet gegenüberstanden, und als wir manchen ernsten Konflikt hatten. Diesen Konflikt haben wir nicht mehr, aber wir haben völlig neue Voraussetzungen für die innere Sicherheit und keine minder gefährliche Lage als zur Zeit des Kalten Krieges. Und wir müssen unsere Sicherheitsmaßnahmen der jeweiligen Gefährdungslage anpassen. Wir haben unmittelbar nach dem 11. September zwei Anti-Terror-Pakete verabschiedet. Es ist eine Menge getan worden, aber es gibt auch noch einiges zu tun. Nur ein Beispiel, wir reden seit Jahren über die Notwendigkeit einer Anti-Terror-Datei. Da geht es nicht um die Erhebung von neuen Daten, sondern es geht darum, dass die etwa 36 Behörden mit Sicherheitsaufgaben in Deutschland, die bereits vorhandenen, gewonnenen Informationen in eine Datei einstellen, damit die jeweils anderen Behören sich über den Kenntnisstand gegenseitig informieren können.
Sagenschneider: Und wer hat etwas dagegen? Die Länder?
Bosbach: Unter anderem, zum Beispiel aber auch die Sicherheitsbehörden selber. Die sagen, da gibt es sehr geheimhaltungsbedürftige, geheimhaltungsrelevante Informationen, wir möchten nicht, dass eine andere Behörde jedenfalls online zugreifen kann. Es gab auch Bund-Länder-Abstimmungen. Ich darf daran erinnern, dass wir ja mit der Föderalismusreform dem Bundeskriminalamt, nach langer Zeit, notwendigerweise Kompetenzen für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegeben haben. Die Gespräche jetzt auf Bund-Länder-Ebene sind abgeschlossen, und ich hoffe, dass wir das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abschließen können.
Sagenschneider: Aber aus den Reihen der Polizei kommen ja ähnliche Forderungen. Auch da heißt es, die Länder arbeiten nicht so effizient zusammen, wie es sein müsste und manchmal liegt es auch einfach an der unterschiedlichen Software. Sehen Sie denn da eine Möglichkeit, die Länder von mehr Vereinheitlichung zu überzeugen oder davon, dass mehr Kompetenzen möglicherweise auch beim Bund gebündelt werden müssten?
Bosbach: Ja und nein. Ich halte nicht viel davon, den Ländern Kompetenzen zu nehmen und sie dem Bund zu geben. Ich glaube nicht, dass eine zentrale Verantwortung für die innere Sicherheit unser Land tatsächlich sicherer machen würden. Oftmals hat die dezentrale Organisation Vorteile, weil sie viel ortsnäher ist. Wir haben jetzt eine Ausnahme gemacht, die habe ich gerade erwähnt: Bundeskriminalamt, Kampf gegen den internationalen Terrorismus, wenn grenzüberschreitende Gefahrenlagen vorliegen - also wenn mehr als ein Bundesland zuständig ist oder die Zuständigkeit eines Bundeslandes noch nicht erkannt werden kann. Aber wir sollten jetzt nicht Zuständigkeiten von den Ländern an den Bund übertragen.
Aber wir müssen natürlich den Informationsaustausch verbessern, das ist das A und O, weil es hier um Prävention geht. Prävention ist das Wichtigste bei der Bekämpfung des Terrorismus. Also Vorbeugung, denn der Terrorist heute, der lässt sich doch nicht durch unser Strafrecht abschrecken. Das ist ganz anders als beim RAF-Terror der 70er Jahre. Den Tätern damals kam es ja darauf an, davonzukommen, nicht gefasst zu werden. Wenn Menschen aber heute bereit sind, sich zu töten, um andere zu ermorden, dann schreckt sie jedenfalls das Strafrecht nicht ab. Und hinzukommt, in den 70er Jahren waren die Spitzen von Staat und Gesellschaft durch die RAF im Visier, heute suchen sich die Terroristen ganz bewusst weiche Ziele aus, weil sie wissen, dass sie dadurch eine sehr große Opferzahl erreichen und eine ganze Gesellschaft erschüttern können.
Sagenschneider: Was halten Sie denn in dem Zusammenhang, dass man jetzt auch schon Bomben in Shampoofläschchen füllen kann, von der Forderung ihres CSU-Kollegen Koschyk, die Grundlagen, oder jetzt ganz schnell, sagt er, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, um zur Abwehr von Terrorangriffen aus der Luft und von der See eben auch die Bundeswehr im Inneren einsetzen zu können?
Bosbach: Das ist nach wie vor richtig, die Forderung. Sie hat eine erneute Aktualität erhalten durch die Vorkommnisse. Und ich darf noch einmal sagen, dass es hier nicht um die Militarisierung der inneren Sicherheit geht, das ist schlicht Unsinn. Sondern es geht darum, dass wir die besonderen Fähigkeiten der Bundeswehr nutzen müssen, wenn nur sie in der Lage ist, eine bestimmte Gefahr abzuwehren. Es gibt Gefahrensituationen, da ist die Gefahrabwehrkompetenz bei der Polizei, aber sie hat nicht die Fähigkeit, zum Beispiel bei Angriffen aus der Luft. Umgekehrt hat nur die Bundeswehr diese technische Fähigkeit, aber sie hat nicht die Kompetenz. Und deswegen müssen wir Fähigkeit und Kompetenz zusammenführen. Das ändert nichts daran, dass nach wie vor es die Aufgabe der Polizei ist, die innere Sicherheit zu gewährleisten.
Sagenschneider: Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.