Bootsy Collins

Die "funkiest mother of the planet" wird 70

05:47 Minuten
Bootsy Collins trägt auf der Bühne einen pink-roten Glimmeranzug und einen passenden Hut. Er hat eine Sonnenbrille mit Sternen drauf auf und spielt einen E-Bass, der Korpus ist sternförmig.
Bootsy Collins bei einem Auftritt im Jahr 2015 in Philadelphia. Sein Motto: "We don't give a funk what you think." © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Ricky Fitchett
Von Sky Nonhoff · 26.10.2021
Audio herunterladen
Bootsy Collins war der Über-Bassist der P-Funk-Ära in den Siebzigern, er hat unzählige Musiker geprägt und den Hip-Hop beeinflusst. James Brown lehrte ihn: Auf die Eins kommt es an! Jetzt feiert Collins seinen 70. Geburtstag.
Das kann nicht wahr sein – oder? Das jedenfalls dachte Bootsy Collins, 18 Jahre alt, als Bobby Byrd an jenem Abend im März 1970 anrief. Bobby Byrd war James Browns rechte Hand, und er hielt sich nicht mit langen Vorreden auf: Der Godfather brauche ihn und seine Band. Jetzt, und zwar jetzt sofort – in einer Stunde sei er mit einem Privatjet am Flughafen, um die Musiker abzuholen.
Wenn die Legende stimmt, dann stammelte Bootsy Collins nur: "Hey, man, that’s funky."

Die Lektion von James Brown: "Immer auf die Eins"

Und genau darum wird sich Bootsy Collins’ Leben von nun an drehen. Genauer gesagt: um den Funk und dessen rhythmischen Kern, den ihn ebenjener James Brown lehren wird, mit dem er Black-Power-Dancefloor-Nummern wie "Get Up (I Feel Like Being a) Sex Machine", "Super Bad" und "Soul Power" einspielen wird. Stets mit der Vorgabe, voll auf die Zwölf – pardon, auf die Eins – zu zielen.
"Er sagte, ‚Junge, du machst zu viel Tamtam, du spielst einfach zu viel’", erinnert sich Bootsy Collins an den Tipp von James Brown. "Konzentrier dich, geh auf die Eins ... Ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon er redete, aber dann kapierte ich sein Konzept ... [...] Er wollte, dass ich die Eins betone, sagte immer wieder: "'Du kannst spielen, was du willst, aber gib mir die Eins.’"
Die Eins verleiht dem Funk nicht nur Fundament und Stabilität, sondern auch den Vibe von Big Bang, gerecktem Kinn, Zusammenführung und schwarzem Empowerment.

Funkadelic mit George Clinton

Brown und Collins, vom Alter her 18 Jahre auseinander, sind Abkömmlinge verschiedener Generationen. Der eine ist ein Kind der Bürgerbewegung, der andere dem Spirit einer neuen afroamerikanischen Boheme verhaftet – ebenso wie der Afrofuturist George Clinton, dessen Band Funkadelic sich Bootsy Collins kurz darauf anschließen wird. Mit der Agenda, mal eben das schwarze Bewusstsein zu erweitern.
Bootsy Collins hält den Bass in seiner rechten Hand in der Vertikalen, die linke Hand hält er vor seine linke Wange. Rechts von aus Sicht der Kamera steht George Clinton, der seine linke Hand in Richtung Kamera vorstreckt. Beide tragen reich verzierte Kleidung.
Bootsy Collins und George Clinton in Los Angeles in den 1980er-Jahren.© picture alliance / PYMCA/Photoshot / Laurence Watson
"Das verrückte Zeug, das Jimi Hendrix abgezogen hatte – die schwarze Community konnte damit nichts anfangen", erinnert sich Bootsy Collins: "Aber so wie wir es auf die Bühne brachten, war es irgendwie cool. Und plötzlich kapierten die Leute, was wir wollten."
Es war nicht weniger als ein Masterplan: "George war ein wahres Genie – einer, der genau verstanden hatte, wie das Business lief. Er brachte uns bei den ganz großen Labels unter, bei exakt den Leuten, die uns vorher immer nur die kalte Schulter gezeigt hatten. Einer musste die Tür öffnen, und nachdem ihm das gelungen war, nahmen wir sie erst so richtig aufs Horn. Nachdem wir einmal den Fuß in der Tür hatten, ließen wir uns nicht mehr rausdrängen."

Das verpönte Wort "Funk"

Man muss sich das – bei aller Vorarbeit von James Brown – so vorstellen: Das Wörtchen Funk, gern auch provokativ als "Fonk" verlautbart, ist in der ersten Hälfte der Siebziger so verpönt, dass es im prüden US-Radio nicht mal in Interviews ausgesprochen werden darf.
Bevor das Wort "Funk" salonfähig wird, machen Clinton und Bootsy es erst einmal party-kompatibel – mit ihren Weltraum-Shows, einem intergalaktischen Science-Fiction-Soundzirkus, der die Eins noch fetter, noch sexier macht, der noch mehr "badass" mit großen Songs wie "Give Up the Funk" oder "One Nation Under a Groove" auf den unwiderstehlichen Wumms bringt.
Und da ist er: Bootsy Collins, in Plateauboots und weißer Perücke, mit seinen Sternensonnenbrillen und den Verrückter-Hutmacher-Zylindern, die, recht bedacht, immer nur sein Superhelden-Motto unterstreichen: "We don’t give a funk what you think" – ein verbales Schulterzucken, in dem sich tatsächlich eine Ökumene ausdrückt, eine Art universaler Kommunion, die sich ganz einfach herunterzählen lässt: auf die Eins. Und die heißt: Eins sein.

Einer muss es vormachen

Einer musste es vormachen, und ansonsten gelten seine weisen Worte: "Die Leute kapieren nicht, dass die Erde unser Raumschiff ist. Wir sind alle funky, aber einige haben es immer noch nicht begriffen."
Mehr zum Thema