Boom an Privatschulen

Moderation: Liane von Billerbeck · 08.01.2007
Der Präsident des Verbandes der Privatschulen Deutschlands, Michael Büchler, hat im Hinblick auf den Boom der Schülerzahlen an privaten Schulen in Deutschland eine größere Anerkennung für die Schulen freier Träger gefordert.
Von Billerbeck: Herr Büchler, Sie sprechen von einem Jahrzehnt der Privatschulen. Wie wird denn das aussehen?

Michael Büchler: Ja, ich hoffe und gehe davon aus, dass letztlich das Ringen um die beste Bildung sich durchsetzen wird. Und wann immer wir in den Vergleich hinein schauen mit anderen Ländern, sind Strukturen vorteilhaft, die denen entsprechen, wie sie heute an den Schulen in freier Trägerschaft in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Nämlich mit mehr Schulautonomie, eigenständigem Schulprofil und entsprechenden Möglichkeiten, sich auf die Klientel, auf die Eltern, auf die Schülerinnen und Schüler einzustellen, also sich nach unterschiedlichem Einzugsgebiet zu positionieren und eine entsprechend gute oder beste Bildung dann für die Schülerinnen und Schüler zu garantieren.

Insofern sehe ich auch keine Kampfansage durch das Jahrzehnt der Privatschulen an die staatliche Bildung, im Gegenteil, ich halte es für besonders wichtig, dass die staatlich verwaltete Bildung das Privatschulwesen wieder in dem Maße wahrnimmt, und dann auch die Impulse übernimmt, wie es in der Vergangenheit auch schon passiert ist. Aber wir brauchen eine Anerkennung. Wir haben ja immer diese Trennung zwischen der öffentlichen, sprich staatlichen Bildung und der privaten Bildung. Das wird als Gegensatz gesehen. Einer unserer Kernthesen ist, die gesamte Bildung, die steht im Grundgesetz unter der Aufsicht des Staates, ist also Staatsaufgabe und Gesellschaftsaufgabe. Und es muss uns ja insgesamt darum gehen, die Bildung für die Gesellschaft besser zu gestalten. Und deswegen müssen wir einfach in der Definition sehen, dass die gesamte öffentliche Bildung besteht aus staatlichen und freien Initiativen und Trägerschaften.

Von Billerbeck: Kurze Frage, dann bleiben wir mal konkret an Ihrer Schule, wie setzt sich denn Ihre Schülerschaft zusammen?

Büchler: Unsere Schülerschaft setzt sich eigentlich aus der bürgerlichen Gesellschaft zusammen … Also wir haben zwei Teile, ein Teil im Internat, das Einzugsgebiet ganz Deutschland, das sind etwa 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler, das andere eben als Ganztagsschule, das Pädagogium ist traditionell eine Ganztags- und Internatsschule. Und wir haben eben Kinder von bürgerlichen Berufen, ja, es sind durchweg eigentlich alle Schichten, aber tendenziell natürlich, da sind wir natürlich nur begrenzt zugänglich, weil wir einen Schulgeldbeitrag erheben müssen. Wir korrigieren dies ein Stückweit, indem wir bis zu 25 Prozent Stipendien und Teilstipendien vergeben können, aber grundsätzlich ist es dann natürlich nicht für alle Schichten zugänglich.

Von Billerbeck: Wir wissen ja, dass in Deutschland die Bildung nach wie vor sehr an der sozialen Herkunft hängt, und das war in unserem Beitrag ja auch ganz klar, dass zum Beispiel Kinder aus Migrantenfamilien oder aus sozial schwächeren Familien eben nicht an einer Schule wie der Ihren sind oder nur zu geringen Teilen. Wenn wir mal die Kosten uns in Erinnerung rufen, also wenn ich das richtig in Erinnerung habe, kostet ein Ganztagsplatz im Internat bei Ihnen mit allem summa summarum 1.600 Euro, das ist ja eine Stange Geld, die kann sich nicht jeder leisten.

Büchler: Das ist der komplette Internatsplatz, in dem die Ganztagsbetreuung mit einbegriffen ist, und der Ganztagsplatz kostet 400 Euro, aber auch das kann sich nicht jede Familie leisten. Auch wenn Stipendien gegeben werden, sind die Beiträge noch bei 100 Euro. Das ist natürlich eines der zentralen Probleme, auf die wir immer hinweisen als Verband, denn das liegt in unserer Historie.

Wenn man da schaut, in unser Grundgesetz ist ja ausdrücklich aufgenommen worden, dass freie Schulen zugelassen sind. Das war natürlich eine Absage an das staatliche Schulmonopol, denn damit hat man in der Vergangenheit nicht positive Erfahrungen gemacht, wenn man an das Dritte Reich denkt. Diese obrigkeitsstaatlichen Verwaltungen haben das freie Schulwesen in Deutschland erheblich beschädigt. Wir haben im Beitrag gehört, dass in anderen Ländern, Frankreich, Niederlande, ganz andere Anteile bestehen.

Von Billerbeck: Das sind aber auch andere Traditionen.

Büchler: Das sind andere Traditionen. Wir haben aber natürlich schon seit dem Preußischem Landrecht das freie Schulwesen behindert bekommen grundsätzlich, das war immer genehmigungspflichtiger Sonderfall, und mit Ausnahme der Mädchen, die durfte man dann als freie Schulen beschulen, denn die Mädchen galten ja für den Staat als nicht rentable Investition. Da gab es schöne Geschichten vom Münchener Stadtschulrat Kerchensteiner, der ja auch im reformpädagogischen Bereich dann seine Erwähnung findet.

Von Billerbeck: Bleiben wir mal bei den Mädchen, die sind ja gerade auch erwähnt worden. Das ist nämlich, wie ich in einer Studie des Bildungsforschers Manfred Weiß gelesen habe, die Gruppe, die quasi von den Privatschulen am meisten profitiert. Der Bildungsforscher Weiß hat nämlich herausgefunden, dass die öffentliche Einsicht, die natürlich auch von den Privatschulen sehr weit verbreitet wird und sehr gern verbreitet wird, dass die Leistungen an Privatschulen besser sind, eigentlich ein Mythos ist. Wenn man nämlich so genannte statistische Zwillinge betrachtet, also Leute, die tatsächlich von der Herkunft, von den Vorkenntnissen et cetera, etwa vergleichbar sind, dann haben die Mädchen Vorteile an einer privaten Schule, und die Schüler sagen auch, sie fühlten sich besser betreut. Was antworten Sie darauf?

Büchler: Ich denke, das ist eigentlich das Zentrale. Weiß hat ja festgestellt, wie andere Bildungsforscher auch, dass insgesamt das Schulklima an den Schulen in freier Trägerschaft das bessere ist.

Von Billerbeck: Aber eben nicht die Leistungen, das ist offenbar ein Mythos.

Büchler: Ja, also die Leistungen sicherlich nicht zentral, ich denke, da sind die Zahlen klar, obwohl natürlich Erhebungen schon bessere Leistungen gebracht haben. Und Weiß hat es ja so schöngerechnet, dass es dann gerade passt und die Leistungen eben da nicht besser sind.

Von Billerbeck: Nee, der hat das nicht schöngerechnet, der hat nur gesagt, wenn wir die soziale Herkunft gleichsetzen würden, also wenn wir gucken, wo kommt einer her und ziehen also die Herkunft ab quasi, dann kommt es dabei raus. Weil wir wissen, das ist ja ein starker Motivator, wo einer herkommt.

Büchler: Wobei wir natürlich ganz unterschiedliche Initiativen haben. Wir haben natürlich Eliteschulen, wir haben aber auch Schulen für Benachteiligte, und es hängt immer auch vom einzelnen Träger ab. Es gibt ja auch Schulen, die Schülerinnen und Schüler aufnehmen, die - aus welchen Gründen auch immer - in der staatlichen Schullaufbahn gescheitert sind, und die dann noch zu einem Abschluss bringen, getreu dem Motto, keiner darf verloren gehen.

Und ich denke, das sind natürlich auch sehr wertvolle Aspekte, wenn wir dann sehen, dass hinterher Reparaturmaßnahmen in unserer Gesellschaft viel größer sind, wenn man die Zahl der vielen Schüler jetzt sieht, die ohne Abschluss die staatliche Schullaufbahn verlassen und hinterher in die Reparaturbetriebe gehen, dann muss man natürlich sagen: Kann so eine Schule, die solche Schüler dann zu einem Abschluss bringt, natürlich statistisch jetzt nicht die beste sein oder durchschnittlich nicht die beste sein, hat aber, was Wissenszuwächse betrifft, natürlich doch erhebliche Fortschritte dann erzielt, nämlich jemand, der woanders abgeschrieben war, dann auch zu einem Abschluss gebracht.

Von Billerbeck: Die Frage ist aber nur, ob der Staat jetzt mehr in private Schulen investieren sollte, oder ob er vielleicht auch die staatlichen Schulen besser machen würde, weil ja offenbar viele Kinder aus sozial benachteiligten Familien eben nicht bei Ihnen an den Schulen landen?

Büchler: Grundsätzlich muss mehr Geld für das Bildungssystem bereitgestellt werden, das zeigen auch die OECD-Studien, dass zuwenig Geld in Deutschland bereitgestellt wird, und dass wir natürlich insbesondere in den Grundschulen anfangen müssen. Wir haben im Privatschulbereich natürlich das Problem, dass es eine staatliche Finanzhilfe gibt, und diese staatliche Finanzhilfe beträgt zwischen 55 und 65 Prozent der Gesamtkosten eines staatlichen Schülers. Und damit kann man natürlich kein sozialverträgliches Schulgeld in vollem Umfang erheben, es sei denn, man bezahlt seine Mitarbeiter ein ganzes Stück weniger gut, oder man hat wie die Kircheneinrichtungen durch Kirchensteuer noch Zuschüsse.

Von Billerbeck: Das heißt, Sie sagen, der Staat fördert die soziale Auslese, indem er Sie schlechter finanziert?

Büchler: Unbedingt. Er muss ja nur diesen Anteil der freien Schulen genau so gut bezahlen, mindestens genau so gut bezahlen.

Von Billerbeck: Aber dann könnte er das Geld doch auch in sein eigene Schulen stecken, um diese besser zu machen.

Büchler: Das könnte er, aber wenn Sie sich die Geschichte der Pädagogik anschauen, dann ist eigentlich dies die Geschichte des freien Schulwesens, ob sie jetzt entdeckenden Unterricht, Praktika, Ganztagsschule und moderne Beispiele, Organisationsformen bringen, Reformpädagogik: All das sind Impulse freier Träger, die natürlich auch übernommen werden und übernommen werden sollen: Und jetzt sind wir auch natürlich Beispiel, in vielen Ländern rührt sich ja was, dass man Schulen autonomer gestalten möchte, dass man ihnen mehr Verantwortung geben möchte, dass man ein eigenes Schulprofil dann gestalten lassen möchte.

Dies alles wird dazu führen, dass die Schulen sich ein Stück weit privatisieren, ein Stück weit selbständig werden, und dann vergleichbar sind zu den freien Trägern, und je mehr man dies fördert, umso mehr wird man natürlich nach dem Prinzip der Passung sich für die entsprechenden … Schülerinnen und Schüler einstellen können, und da müssen natürlich die freien Schulen auch entsprechend berücksichtigt werden.

Von Billerbeck: Vielen Dank für das Gespräch.