Bolivien und sein weißes Gold
Vorkommen von Lithium könnten das arme Bolivien reich machen. Das Metall wird für Handys, Laptops und Elektroautos benötigt. Das südamerikanische Land suche "Partner, aber nicht Herren" bei der Verarbeitung des Rohstoffs, sagt Wissenschaftlerin Juliana Ströbele-Gregor.
Matthias Hanselmann: Es ist das leichteste Metall der Erde und es gilt als das Öl des 21. Jahrhunderts. Sein Name: Lithium – oft auch falsch ausgesprochen, zum Beispiel von meinem damaligen Chemielehrer, als Lizium. Schon jetzt ist Lithium begehrter Rohstoff für zum Beispiel Handy- oder Laptopakkus. Ein gigantischer Ansturm auf das Metall wird aber erwartet, wenn sich die Zahl der Elektroautos erhöhen wird, und das wird für die kommenden Jahre erwartet. Im Jahr 2020, so haben seriöse Marktforscher berechnet, werden schon 26 Prozent der Neuwagen in China, Japan, den USA und Westeuropa Elektro- oder Hybridfahrzeuge sein. Das wären rund 14 Millionen Autos, die wiederum Lithium-Ionen-Batterien benötigen werden. Lithium, das weiße Gold, kommt unter anderem in einigen Gesteinsarten vor sowie in großen Salzseen unserer Erde. Der größte davon heißt Salar de Uyuni, befindet sich in Bolivien und soll die unglaubliche Menge von neun Millionen Tonnen Lithium enthalten. Das ist über die Hälfte dessen, was auf der Erde vorkommt. Schon wird Bolivien deshalb als Saudi-Arabien des Lithiums bezeichnet. Aber wie geht das Land damit um? Wer wird Lithium exportieren dürfen und wer nicht? Der Präsident Boliviens, Evo Morales, hat verkündet, dass er aus dem Silberraub durch die Konquistadoren im 16. Jahrhundert lernen wolle. Er will eine erneute Ausplünderung seines Landes verhindern, also einen neuen Rohstoff-Kolonialismus. Wir sprechen jetzt mit der Ethnologin Juliana Ströbele-Gregor. Sie ist Bolivien-Expertin und hat selbst Feldstudien am Salar de Uyuni betrieben. Guten Tag, herzlich willkommen hier im "Radiofeuilleton"-Studio. Hallo!
Juliana Ströbele-Gregor: Guten Tag!
Hanselmann: Noch vor fünf Jahren, da hieß es über Bolivien, reich an Rohstoffen, aber ein Großteil der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Hat sich daran etwas geändert, seit Evo Morales Präsident ist?
Ströbele-Gregor: Nun, es wurde einiges getan, und es hat auch eine Verbesserung dieser Quote gegeben, aber Bolivien gehört immer noch zu den ärmsten Ländern des Subkontinents.
Hanselmann: Morales will das Land vor Ausbeutung schützen. Er will unter anderem, dass Lithium auch gleich in Bolivien verarbeitet wird, zum Beispiel zu Batterien, um eben die Arbeitsplätze im Land zu halten. Kann er das, ist das realistisch?
Ströbele-Gregor: Ja, das ist etwas, was natürlich sehr zu diskutieren ist. Der Anspruch ist vollständig berechtigt, Bolivien ist ja, wie Sie sagten, ausgebeutet worden seit seiner Geschichte. Und ein großer Reichtum ist immer ins Ausland gegangen und hat dem Land nichts hinterlassen. Und Evo Morales ist angetreten mit dem Versprechen, neoliberale Politik abzukehren und eine eigene vom Staat hier geleitete Lithium-Produktion anzukurbeln. Das wird auf eine Reihe von Hindernissen stoßen, die er sich – oder jedenfalls Herausforderungen, denen er sich gegenübersieht. Das hat zu tun mit Fragen der Technologie, da ist Bolivien sicherlich noch zu sehr Entwicklungsland. Es hat auch zu tun, dass diese Region, von der Sie sprachen, der Salar de Uyuni, auf dem Hochland in Bolivien 3.600 Meter ist, in einer Region, die die ärmste von Bolivien ist, arm auch an Infrastruktur, an Verkehrswegen, an Elektrizität. Hier sind unglaublich viele Herausforderungen, die auf die Regierung zukommen, wenn sie diese ambitiösen Programme tatsächlich umsetzen will. Und mit denen hat sie auch begonnen.
Hanselmann: Sie waren, ich habe es gesagt, selber da, Sie forschen zum Thema Lithium in Bolivien und haben auch einige Konfliktherde ausgemacht, die Sie im Bezug auf die Lithiumgewinnung sehen. Welche sind das?
Ströbele-Gregor: Konfliktherde, die sich jetzt in Zukunft aufmachen werden oder die zum Teil schon entstanden sind. Da ist einmal, was ich in den Mittelpunkt stellen will, die Frage der Partizipation: In der neuen Verfassung, die Bolivien sich 2009 gegeben hat, mit Referendum und unter starker Beteiligung der indigenen Bevölkerung, ist vorgesehen eine starke Partizipation vor Ort und auch das Anhören und die Beteiligung über Entscheidungen vor Ort. Und dieses hat in der Weise, wie es die Verfassung vorsieht, bisher nicht stattgefunden. Hier wird es sicherlich heftige – und das hat es auch schon gegeben, in der Stadt von Potosí – Anforderungen einer Umverteilung der Quote nach Verteilung der Einnahmen geben, hat es also auch schon heftige Anforderungen gegeben. Das Zweite ist: Ein großes Problem ist das Umweltproblem. Wie bei allen Bergbau-Unternehmen ist das ja immer etwas, was sehr zulasten der Umwelt geht. Und hier, in einer Region, die sehr sensibel ist, sehr wasserarm, sind dann die Wasserquellen in besonderer Weise betroffen, weil dazu, zu dem Lithiumabbau, viel Chemie in die Grundwasser gehen und die Grundwasservorkommen notwendig sind für die Ackerbauern und Viehzüchter um den See herum. Das heißt also, Absenken des Grundwasserspiegels und auch Vergiftung von Grundwasser wird sich – so sagen alle, die sich mit Umwelt befassen in Bolivien – wird das große Problem sein. Wir haben eine große Silbermine in der Nähe des Salar de Uyuni, San Cristóbal, sie ist im Augenblick die weltgrößte Silbermine, und sie hat zu unglaublichen Verunreinigungen und Vergiftungen der Umwelt geführt bereits.
Hanselmann: Was müsste das Land tun, um eben nicht Opfer von Rohstoff-Kolonialisten zu werden? An welchen Punkten muss vielleicht heute schon etwas getan werden?
Ströbele-Gregor: Was sich schon tut, ist ja, dass sie das Ganze eben nicht mehr an Joint Ventures oder Konsortium mit Profiten, an externe Regierungen oder Unternehmen vergibt, sondern es geht unter der Handlungsmacht der Regierung ein eigenes Unternehmen, und diejenigen, die sie als Partner dann suchen wird, und das wird sie eigentlich erst in der dritten Phase, die sollen – das ist das Stichwort – Partner, aber nicht Herren, die sollen dann unter der Regie des bolivianischen Unternehmens dann zusammenarbeiten. Und das ist sicherlich eine kluge Strategie, wenn es möglich sein wird, hier die Unternehmen dazu zu bringen, dann auch sich dieser Regie zu unterstellen, und das ist natürlich fraglich. Im Augenblick geben sich internationale Konzerne die Klinke an die Hand. Es sind – wenn ich da einige nennen kann – es sind von den Franzosen Bolloré-Eramet, das ist ein großes Unternehmen für Autohersteller, die in der ganzen Kette gerne beteiligt wären, dann ist es Mitsubishi Sumimoto, dann sind es Südkoreaner, dann sind es auch Brasilianer – Vale do Rio Dolce – und dann vor allen Dingen auch Regierungen, wie der große Freund der Bolivianer Iran, die hier ins Geschäft mit einsteigen möchten. Und die Bolivianer – bis jetzt, das ist immer sehr unklar, die Veröffentlichungen sind da sehr widersprüchlich, mal heißt es, es sind schon bereits Verträge abgeschlossen, dann heißt es wieder, es sind nur Memorandum of Understanding, aber jedenfalls ist zu vermuten – und das ist ja richtig als Strategie, zu sagen, man guckt, wo kriege ich die besten Optionen, um dann klug zu verhandeln und zu sehen, mit wem kann ich unter meiner Regie etwas machen. Aber diese eigene Regie ist natürlich immer von außen mit Problemen belastet, weil bisher die eigenstaatlichen bolivianischen Unternehmen nicht gerade hervorgetreten sind als die effizientesten und korruptionsfreiesten, und das ist also eins der ganzen Probleme, Problembündel, die sich auftun werden.
Hanselmann: Selbst wenn die Umweltfragen geklärt werden und die anderen, die Sie genannt haben, würde das doch dann auch noch immer übrig bleiben. Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der Bolivien-Expertin Juliana Ströbele-Gregor über das enorme Vorkommen des in Zukunft sehr gefragten Rohstoffes Lithium und die Chancen und Risiken für das Land. Frau Ströbele, zurzeit stammen die größten Lithiumexporte aus Chile, dem dortigen großen Salzsee Salar de Atacama. Können Sie sich vorstellen, dass sich mehrere lateinamerikanische Länder zusammentun bei der Produktion und dem Verkauf des Lithiums, sozusagen ein Konsortium bilden und sich damit auch vor der Rohstoffausbeutung abzugrenzen, zu schützen?
Ströbele-Gregor: Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, weil es ganz unterschiedliche Strategien sind. Sowohl Argentinien wie vor allen Dingen Chile, die das ja schon 20 Jahre machen, sind mit ausländischen und nationalen Großkonzernen verbunden, und die bolivianische Strategie ist eben diejenige, das selbstständig zu machen. Hier wird man Konkurrent auf dem internationalen Markt sein, und da steht Bolivien natürlich relativ schlecht da, weil die anderen bereits positioniert sind und technologisch sehr viel weiter.
Hanselmann: Deutschland steht nicht Schlange, Sie haben vorhin ein paar Länder und Firmen genannt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ströbele-Gregor: Habe ich nicht. Ich kann auch nicht sagen – jedenfalls nach Auskunft des Botschafters, die ich im Dezember bekommen habe, war das nicht so. Vielleicht wird das in Zukunft so sein, denn Frau Merkel hat sich ja auch zu der Zukunft der Elektroautos in Deutschland ausgesprochen. Aber ich glaube auch – und das hat ihnen ... Auch die Japaner haben ihnen das klargemacht, dass die Frage nicht nur dieses Technologietransfers – was die Bolivianer so ganz nicht wollen, die wollen das ja alles selber machen –, aber auch vor allem die politischen Unsicherheiten in Bolivien für doch eine Reihe von Unternehmen erstmal sich als Hindernis darstellen. Bolivien ist eben bekannt für seine starke Mobilisierung auch der sozialen Bewegungen, die in dem Moment, wo sie meinen, dass das kritikwürdig ist – und da gibt es immer wieder unterschiedliche Interessen, die dann das Land lahmlegen können.
Hanselmann: Sie haben viele Risiken genannt, auch viele Chancen. Wittern Sie eine Tendenz, wird das Lithium ein Fluch oder ein Segen sein für Bolivien?
Ströbele-Gregor: Wenn die Kritiken, die gerade auch von Umweltschützern und mit Bezug auf die Verfassung immer wieder geäußert werden, also diese Partizipationsrechte und diese Umverteilungsrechte – wenn die Regierung diese Kritiken und Vorschläge hört, die ja im Grunde genommen alle auch in ihrer neuen Verfassung stehen, dann stelle ich mir vor, dass das also eine große Zukunft ist. Die Frage ist natürlich auch, ob diese Regierung, wenn das nächste Mal eine neue Regierung gewählt wird, ob da dann wieder alles gewendet wird, was in Bolivien ja sehr häufig der Fall ist. Es ist beides, Chance und vielleicht nicht unbedingt Fluch, aber doch eine minimale Chance oder eine große Chance, so würde ich es sehen.
Hanselmann: Lithium, das weiße Gold in Bolivien – wir sollten noch erwähnen, Sie haben geforscht im Rahmen eines Forschungsprogramms der FU Berlin und heute Abend werden Sie an einer Podiumsdiskussion teilnehmen in der ibero-amerikanischen Bibliothek in Berlin; wie gesagt, dort eine Debatte über Lithiumpolitik in Bolivien mit Frau Ströbele-Gregor. Herzlichen Dank!
Ströbele-Gregor: Ich danke Ihnen!
Juliana Ströbele-Gregor: Guten Tag!
Hanselmann: Noch vor fünf Jahren, da hieß es über Bolivien, reich an Rohstoffen, aber ein Großteil der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Hat sich daran etwas geändert, seit Evo Morales Präsident ist?
Ströbele-Gregor: Nun, es wurde einiges getan, und es hat auch eine Verbesserung dieser Quote gegeben, aber Bolivien gehört immer noch zu den ärmsten Ländern des Subkontinents.
Hanselmann: Morales will das Land vor Ausbeutung schützen. Er will unter anderem, dass Lithium auch gleich in Bolivien verarbeitet wird, zum Beispiel zu Batterien, um eben die Arbeitsplätze im Land zu halten. Kann er das, ist das realistisch?
Ströbele-Gregor: Ja, das ist etwas, was natürlich sehr zu diskutieren ist. Der Anspruch ist vollständig berechtigt, Bolivien ist ja, wie Sie sagten, ausgebeutet worden seit seiner Geschichte. Und ein großer Reichtum ist immer ins Ausland gegangen und hat dem Land nichts hinterlassen. Und Evo Morales ist angetreten mit dem Versprechen, neoliberale Politik abzukehren und eine eigene vom Staat hier geleitete Lithium-Produktion anzukurbeln. Das wird auf eine Reihe von Hindernissen stoßen, die er sich – oder jedenfalls Herausforderungen, denen er sich gegenübersieht. Das hat zu tun mit Fragen der Technologie, da ist Bolivien sicherlich noch zu sehr Entwicklungsland. Es hat auch zu tun, dass diese Region, von der Sie sprachen, der Salar de Uyuni, auf dem Hochland in Bolivien 3.600 Meter ist, in einer Region, die die ärmste von Bolivien ist, arm auch an Infrastruktur, an Verkehrswegen, an Elektrizität. Hier sind unglaublich viele Herausforderungen, die auf die Regierung zukommen, wenn sie diese ambitiösen Programme tatsächlich umsetzen will. Und mit denen hat sie auch begonnen.
Hanselmann: Sie waren, ich habe es gesagt, selber da, Sie forschen zum Thema Lithium in Bolivien und haben auch einige Konfliktherde ausgemacht, die Sie im Bezug auf die Lithiumgewinnung sehen. Welche sind das?
Ströbele-Gregor: Konfliktherde, die sich jetzt in Zukunft aufmachen werden oder die zum Teil schon entstanden sind. Da ist einmal, was ich in den Mittelpunkt stellen will, die Frage der Partizipation: In der neuen Verfassung, die Bolivien sich 2009 gegeben hat, mit Referendum und unter starker Beteiligung der indigenen Bevölkerung, ist vorgesehen eine starke Partizipation vor Ort und auch das Anhören und die Beteiligung über Entscheidungen vor Ort. Und dieses hat in der Weise, wie es die Verfassung vorsieht, bisher nicht stattgefunden. Hier wird es sicherlich heftige – und das hat es auch schon gegeben, in der Stadt von Potosí – Anforderungen einer Umverteilung der Quote nach Verteilung der Einnahmen geben, hat es also auch schon heftige Anforderungen gegeben. Das Zweite ist: Ein großes Problem ist das Umweltproblem. Wie bei allen Bergbau-Unternehmen ist das ja immer etwas, was sehr zulasten der Umwelt geht. Und hier, in einer Region, die sehr sensibel ist, sehr wasserarm, sind dann die Wasserquellen in besonderer Weise betroffen, weil dazu, zu dem Lithiumabbau, viel Chemie in die Grundwasser gehen und die Grundwasservorkommen notwendig sind für die Ackerbauern und Viehzüchter um den See herum. Das heißt also, Absenken des Grundwasserspiegels und auch Vergiftung von Grundwasser wird sich – so sagen alle, die sich mit Umwelt befassen in Bolivien – wird das große Problem sein. Wir haben eine große Silbermine in der Nähe des Salar de Uyuni, San Cristóbal, sie ist im Augenblick die weltgrößte Silbermine, und sie hat zu unglaublichen Verunreinigungen und Vergiftungen der Umwelt geführt bereits.
Hanselmann: Was müsste das Land tun, um eben nicht Opfer von Rohstoff-Kolonialisten zu werden? An welchen Punkten muss vielleicht heute schon etwas getan werden?
Ströbele-Gregor: Was sich schon tut, ist ja, dass sie das Ganze eben nicht mehr an Joint Ventures oder Konsortium mit Profiten, an externe Regierungen oder Unternehmen vergibt, sondern es geht unter der Handlungsmacht der Regierung ein eigenes Unternehmen, und diejenigen, die sie als Partner dann suchen wird, und das wird sie eigentlich erst in der dritten Phase, die sollen – das ist das Stichwort – Partner, aber nicht Herren, die sollen dann unter der Regie des bolivianischen Unternehmens dann zusammenarbeiten. Und das ist sicherlich eine kluge Strategie, wenn es möglich sein wird, hier die Unternehmen dazu zu bringen, dann auch sich dieser Regie zu unterstellen, und das ist natürlich fraglich. Im Augenblick geben sich internationale Konzerne die Klinke an die Hand. Es sind – wenn ich da einige nennen kann – es sind von den Franzosen Bolloré-Eramet, das ist ein großes Unternehmen für Autohersteller, die in der ganzen Kette gerne beteiligt wären, dann ist es Mitsubishi Sumimoto, dann sind es Südkoreaner, dann sind es auch Brasilianer – Vale do Rio Dolce – und dann vor allen Dingen auch Regierungen, wie der große Freund der Bolivianer Iran, die hier ins Geschäft mit einsteigen möchten. Und die Bolivianer – bis jetzt, das ist immer sehr unklar, die Veröffentlichungen sind da sehr widersprüchlich, mal heißt es, es sind schon bereits Verträge abgeschlossen, dann heißt es wieder, es sind nur Memorandum of Understanding, aber jedenfalls ist zu vermuten – und das ist ja richtig als Strategie, zu sagen, man guckt, wo kriege ich die besten Optionen, um dann klug zu verhandeln und zu sehen, mit wem kann ich unter meiner Regie etwas machen. Aber diese eigene Regie ist natürlich immer von außen mit Problemen belastet, weil bisher die eigenstaatlichen bolivianischen Unternehmen nicht gerade hervorgetreten sind als die effizientesten und korruptionsfreiesten, und das ist also eins der ganzen Probleme, Problembündel, die sich auftun werden.
Hanselmann: Selbst wenn die Umweltfragen geklärt werden und die anderen, die Sie genannt haben, würde das doch dann auch noch immer übrig bleiben. Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der Bolivien-Expertin Juliana Ströbele-Gregor über das enorme Vorkommen des in Zukunft sehr gefragten Rohstoffes Lithium und die Chancen und Risiken für das Land. Frau Ströbele, zurzeit stammen die größten Lithiumexporte aus Chile, dem dortigen großen Salzsee Salar de Atacama. Können Sie sich vorstellen, dass sich mehrere lateinamerikanische Länder zusammentun bei der Produktion und dem Verkauf des Lithiums, sozusagen ein Konsortium bilden und sich damit auch vor der Rohstoffausbeutung abzugrenzen, zu schützen?
Ströbele-Gregor: Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, weil es ganz unterschiedliche Strategien sind. Sowohl Argentinien wie vor allen Dingen Chile, die das ja schon 20 Jahre machen, sind mit ausländischen und nationalen Großkonzernen verbunden, und die bolivianische Strategie ist eben diejenige, das selbstständig zu machen. Hier wird man Konkurrent auf dem internationalen Markt sein, und da steht Bolivien natürlich relativ schlecht da, weil die anderen bereits positioniert sind und technologisch sehr viel weiter.
Hanselmann: Deutschland steht nicht Schlange, Sie haben vorhin ein paar Länder und Firmen genannt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ströbele-Gregor: Habe ich nicht. Ich kann auch nicht sagen – jedenfalls nach Auskunft des Botschafters, die ich im Dezember bekommen habe, war das nicht so. Vielleicht wird das in Zukunft so sein, denn Frau Merkel hat sich ja auch zu der Zukunft der Elektroautos in Deutschland ausgesprochen. Aber ich glaube auch – und das hat ihnen ... Auch die Japaner haben ihnen das klargemacht, dass die Frage nicht nur dieses Technologietransfers – was die Bolivianer so ganz nicht wollen, die wollen das ja alles selber machen –, aber auch vor allem die politischen Unsicherheiten in Bolivien für doch eine Reihe von Unternehmen erstmal sich als Hindernis darstellen. Bolivien ist eben bekannt für seine starke Mobilisierung auch der sozialen Bewegungen, die in dem Moment, wo sie meinen, dass das kritikwürdig ist – und da gibt es immer wieder unterschiedliche Interessen, die dann das Land lahmlegen können.
Hanselmann: Sie haben viele Risiken genannt, auch viele Chancen. Wittern Sie eine Tendenz, wird das Lithium ein Fluch oder ein Segen sein für Bolivien?
Ströbele-Gregor: Wenn die Kritiken, die gerade auch von Umweltschützern und mit Bezug auf die Verfassung immer wieder geäußert werden, also diese Partizipationsrechte und diese Umverteilungsrechte – wenn die Regierung diese Kritiken und Vorschläge hört, die ja im Grunde genommen alle auch in ihrer neuen Verfassung stehen, dann stelle ich mir vor, dass das also eine große Zukunft ist. Die Frage ist natürlich auch, ob diese Regierung, wenn das nächste Mal eine neue Regierung gewählt wird, ob da dann wieder alles gewendet wird, was in Bolivien ja sehr häufig der Fall ist. Es ist beides, Chance und vielleicht nicht unbedingt Fluch, aber doch eine minimale Chance oder eine große Chance, so würde ich es sehen.
Hanselmann: Lithium, das weiße Gold in Bolivien – wir sollten noch erwähnen, Sie haben geforscht im Rahmen eines Forschungsprogramms der FU Berlin und heute Abend werden Sie an einer Podiumsdiskussion teilnehmen in der ibero-amerikanischen Bibliothek in Berlin; wie gesagt, dort eine Debatte über Lithiumpolitik in Bolivien mit Frau Ströbele-Gregor. Herzlichen Dank!
Ströbele-Gregor: Ich danke Ihnen!